Hochschulpartnerschaft Erfahrungsbericht - Staatliche Universität St. Petersburg
Vorbereitung des Auslandsaufenthalts
Rund ein Jahr bevor es für mich nach Russland ging, haben die Vorbereitungen für mein Auslands-semester angefangen. Nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, ein Semester in St. Petersburg zu verbringen, habe ich mich zuerst mit dem International Office (IO) in Verbindung gesetzt. In engem Kontakt mit dem IO lief auch das ganze Bewerbungsverfahren problemlos. Zuerst bewirbt man sich mit einem Motivationsschreiben und Lebenslauf beim IO. Nach dem erfolgreichen Bewerbungsgespräch in Pots-dam läuft der Kontakt und die Anfertigung der Bewerbungsunterlagen für die Gastuniversität auch über das IO. Das einzige, das ein bisschen verunsichernd sein kann, sind die vielen organisatorischen Dinge, die man erledigen muss: Sprachtest, Gesundheitszertifikat, Krankenversicherung, Visum. Aber wenn man damit früh genug anfängt, ist auch das kein Problem. Für mich war es außerdem sehr hilfreich, ein paar Fragen an Studenten richten zu können, die all das schon hinter sich hatten.
Studium an der Gastuniversität
Gerade am Anfang ist vieles noch sehr neu und es gibt einiges zu organisieren (Stundenplan, Regist-rierung in der Stadt, Studentenausweis, Wohnheim). Doch die Universität hat uns internationalen Stu-denten den Start sehr einfach gemacht mit einer zwei Wochen langen Welcome Week – inklusive Abholung vom Flughafen, Tour durch die Fakultäten und Exkursionen in St. Petersburg.
Ich habe mich entschieden, am Institut für Geschichte Kurse zur sowjetischen und russischen Ge-schichte zu belegen. Die Organisation lief nach einigem Hin und Her zum Glück sehr gut. In den ersten zwei Wochen bin ich zu allen für mich interessanten Vorlesungen gegangen, habe die Veranstaltungen ausgewählt, die mir am besten gefallen und dann mit meiner Koordinatorin das Learning Agreement besprochen, das ich dann nach Potsdam geschickt habe. Nebenbei habe ich noch einen Sprachkurs gemacht, der von der philologischen Fakultät angeboten wird. Es gibt für Austauschstudenten nämlich drei Möglichkeiten für das Studium in St. Petersburg: Man kann einen Vollzeit-Russischsprachkurs belegen, oder einen Sprachkurs und gleichzeitig Kurse an der Fakultät belegen, oder nur Kurse an der eigenen Fakultät belegen. Ich habe die mittlere Variante gewählt und war damit sehr zufrieden.
Das Studium unterscheidet sich stark von dem in Deutschland, ich finde es viel „verschulter“. Aber die Studenten sind auch jünger, da sie früher mit der Schule fertig sind als wir in Deutschland. Die Russen studieren in Gruppen – diese bestanden bei mir im Master aus ungefähr fünf bis zehn Personen, die so gut wie alle Kurse zusammen besuchen. Für mich war das gerade am Anfang etwas verwirrend, da ich als Austauschstudentin frei nach Interesse Kurse wählen konnte und deshalb jedes Mal mit einer anderen Gruppe zusammen war. Das macht es natürlich etwas schwieriger, mit den Leuten in Kontakt zu kommen, wenn man sich nur einmal die Woche für 90 Minuten in der Uni sieht. Aber man findet trotzdem einen Weg, Kontakte zu knüpfen.
Die Kurse bestehen größtenteils aus Frontalunterricht, bei dem man einfach nur mitschreibt. Das war auf Russisch anfangs echt eine Herausforderung, aber man gewöhnt sich daran. Referate oder schrift-liche Abgaben gab es aber auch. Die russischen Dozenten waren insgesamt sehr entgegenkommend. Ich hatte aber auch das Glück, dass ich in St. Petersburg die Kurse nur bestehen musste, was natür-lich vieles erleichtert hat.
Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden
Die Universität St. Petersburg bietet für alle ausländischen Studierenden ein Buddy-Programm an, das jedem ausländischen Studenten einen einheimischen zuteilt. Ich würde jedem empfehlen, daran teil-zunehmen, da man sofort Kontakt zu russischen Studenten bekommt. Außerdem helfen die Buddys gerade am Anfang bei organisatorischen Dingen wie z.B. dem Kaufen der russischen SIM-Karte. Ich hatte großes Glück und habe in meinem Buddy mittlerweile eine sehr gute Freundin gefunden. An-sonsten trifft man vor allem in der Universität einheimische Studenten, aber auch bei den vielen Ver-anstaltungen, die von den Zuständigen des Buddy-Programms das ganze Semester über organisiert werden. Hier lernt man natürlich auch viele ausländische Studenten kennen, die man aber natürlich auch im Wohnheim treffen kann.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, dass ich schon vor dem Auslandssemester Russisch spre-chen konnte, da ich dank meines russischen Vaters schon damit aufgewachsen bin. Ohne Russisch kommt man selbst in einer Großstadt wie St. Petersburg nämlich kaum zurecht – egal ob an der Kas-se im Supermarkt oder am Bahnhof. Ich habe sogar vereinzelt russische Studenten getroffen, die kaum Englisch sprechen. Für Russischlerner ist das wie ein Paradies, das einen jeden Tag herausfor-dert. Aber nur einerseits – wenn man nämlich in dem Wohnheim voller internationaler Studenten wohnt, lebt man wie in einer anderen Welt. Dort ist die die Lingua franca Englisch (und mit den vielen Deut-schen, die hier wohnen, spricht man zwangsläufig immer wieder Deutsch). Da ich auch vor allem nach Russland gekommen bin, um die Sprache zu verbessern, habe ich versucht, in dieser Hinsicht so viel wie möglich mitzunehmen. Der Sprachkurs hat mir vor allem mit der Grammatik geholfen. Das Spre-chen übt man eher im Alltag, z.B. an der Uni im Gespräch mit russischen Kommilitonen. Hier sollte man einfach versuchen, so viel wie möglich mit Russen in Kontakt zu treten, dann verbessert man sein Russisch sehr schnell. Bei mir hat das sehr gut geklappt. Ich spüre auf jeden Fall einen großen Fortschritt – vor allem mein Akzent ist mittlerweile so gut wie verschwunden.
Wohn- und Lebenssituation
Die russischen Wohnheime sind legendär. Und so hatte ich schon viel Furchtbares, Erschreckendes, aber auch Amüsantes über die meist aus Sowjetzeiten stammenden „Obschtscheshitie“ (общежитие) gehört: Von den zickigen Wohnheim-Babuschki (Omas), Kakerlaken (bisher habe ich keine gesehen), Tapeten, die von der Wand kommen und den legendären Wohnheimpartys. Trotzdem (oder gerade deswegen) wollte ich in Russland im Wohnheim wohnen, um diese Erfahrung zu machen. Und jetzt kann ich sagen: alles halb so schlimm. Die Babuschki haben zwar ihre Launen, sind aber oft ganz nett (russisch sprechen ist ein Vorteil!). Die Partys gibt es. Und ein schönes und renoviertes Wohnheim sieht zwar anders aus, aber es ist ja nicht für immer (und soweit ich es aktuell mitbekommen habe, laufen einige Renovierungen, es wird also höchstwahrscheinlich besser).
Natürlich kann man auch in einer WG im Zentrum wohnen, dann sind die Preise aber eher „europäisch“. Als Potsdamer Student bekommt man (zumindest aktuell) einen kostenlosen Wohnheimplatz zugesichert. So hat man keinen Stress mit der Wohnungssuche und spart sich sogar die Miete. Au-ßerdem lernt man schnell sehr viele nette Leute aus allen möglichen Ländern kennen. Das einzige Manko: Man spricht sehr viel Englisch und nur wenig Russisch.
In meiner Wohnung (mit fünf anderen Mitbewohnerinnen) hatten wir haben eine große Küche und ein Bad. Mein Zimmer teilte ich mir mit einer anderen Studentin. Viel Privatsphäre gibt es nicht, aber man gewöhnt sich dran. Vor allem wenn man sich gut versteht, ist es kein Problem. Kurz gesagt: Das „Kapi“ (Wohnheim an der Kapitanskaja 3) ist mein Zuhause geworden und ich bin froh, dass ich mich dafür entschieden habe. Auch die Lage ist auf jeden Fall gut. Die Metro-Station ist ca. 15 Minuten zu Fuß entfernt (das ist nah für St. Petersburg) und es gibt alle möglichen Supermärkte in der Nähe. Mit dem Bus braucht man ca. 45 min zur Uni, was aber auch ganz normal ist. In St. Petersburg braucht man fast überall hin eine Stunde.
Mehr Infos zum Wohnheim und weitere interessante Erfahrungsberichte für diejenigen, die in St. Petersburg studieren möchten, gibt es übrigens hier .
Studienfach: M.A. Osteuropäische Kulturstudien
Aufenthaltsdauer: 09/2017 - 01/2018
Gastuniversität: Staatliche Universität St. Petersburg
Gastland:Russland
Rückblick
Ich habe ein wahnsinnig tolles Semester in St. Petersburg verbracht und kehre mit sehr vielen positiven Erfahrungen zurück. Ich habe viele nette und interessante Leute aus allen möglichen Ländern kennengelernt, mein Russisch verbessert, sehr viel in dieser wunderschönen und vielfältigen Stadt unternommen und hatte die Chance, in Russland etwas herumzureisen und mehr von diesem riesigen Land zu sehen. Das Studium an der russischen Universität hat mich um viele Erfahrungen und Eindrücke reicher gemacht und ich konnte sowohl in fachlicher als auch in persönlicher Sicht sehr viel mitnehmen. Ich würde jedem ein Auslandssemester in St. Petersburg empfehlen!