Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Vorab, meine Erfahrungen beziehen sich auf die Fakultät für Sozial- und Geisteswissenschaften (Faculdade de Ciências Sociais e Humanas, FCSH), da jede Fakultät der NOVA Universität ihre eigenen organisatorischen Abläufe und Webseiten hat, kann der Bericht nur einen Ausschnitt wiedergeben.
Die Vorbereitung meines Erasmus-Semesters an der NOVA in Lissabon verlief insgesamt strukturiert und relativ unkompliziert. Die ersten Informationen zum Erasmus+ Programm entnahm ich der Website der NOVA, die speziell für Incoming-Studierende relevante Inhalte bereithält (siehe: https://www.fcsh.unl.pt/internacional/estudantes-incoming/).
Die Universität Potsdam stellte den Kontakt zur NOVA her, indem sie den Vorschlag für die Mobilität an die Partnerhochschule übermittelte. Meine Hauptansprechperson an der NOVA war die Mobility-Koordinatorin, die mich anschließend mit allen relevanten Informationen zur Bewerbung versorgte. Im Voraus gab es von meiner Seite keine weiteren offenen Fragen, da die NOVA eine umfassende Kommunikation sicherstellte und erklärende Dokumente mitsendete.
Zusätzlich fand ein online Welcome Meeting für Austauschstudierende statt. Dieses bot eine Gelegenheit, Fragen zur Bewerbung zu klären oder weitere Anliegen zu besprechen, wie beispielsweise, ob das Online Learning Agreement (OLA) bereits bei der NOVA eingegangen war.
Für die Bewerbung im Online-Portal (Inforestudante) mussten bereits Kurse gewählt werden, die man plant zu besuchen. Diese sind dann auch im OLA anzugeben und dieses ist mit einzureichen. Allerdings stellte sich heraus, dass einige dieser Kurse später nicht verfügbar waren, weshalb ich meine Auswahl sowohl vor der Abreise als auch vor Ort erneut anpassen musste. Es ist daher wichtig, in diesem Punkt flexibel zu bleiben. Die frühzeitige Einreichung der Bewerbung ist ebenfalls essenziell, da die Mobility-Koordinatorin bei Änderungen oder Korrekturen rechtzeitig informiert und Unterstützung bietet. Ist die Bewerbung nicht vollständig und wurde nicht rechtzeitig korrigiert, auch in Bezug auf eine unmögliche Kurswahl, so kann sie nicht entgegengenommen werden, wurde uns zumindest vermittelt.
Ein entscheidender Punkt bei der Bewerbung war der Nachweis von Sprachkenntnissen: Portugiesisch auf Niveau A2 und Englisch auf Niveau B1 wurden vorausgesetzt. Studierende hatten die Möglichkeit, den A2-Test direkt an der NOVA abzulegen, was jedoch kostenintensiver ist. Ich hatte diesen Test bereits zuvor an der Universität Potsdam absolviert, was sich als praktischer und günstiger erwies. Die Portugiesisch-Kenntnisse waren besonders wichtig, da im Wintersemester viele Kurse – insbesondere in meinem Studiengang Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen – ausschließlich auf Portugiesisch angeboten werden. Im Sommersemester hingegen gibt es einige Kurse auf Englisch, die auf der Website der NOVA einsehbar sind (siehe: https://www.fcsh.unl.pt/international-curricula/#1718967308149-5ce86aac-dcb0).
Studium an der Gastuniversität
Die Lehrveranstaltungen sind in Klassen organisiert, die gemeinsam in das Semester starten. Daher sind die Stundenpläne strikt nach Studienjahren und Semestern aufgeteilt. Austauschstudierende müssen sorgfältig prüfen, welche Veranstaltung in welchem Semester angeboten wird. Zusätzlich sind die Veranstaltungen in verschiedene Formate wie Vorlesungen, Seminare und Übungen unterteilt, abhängig von der jeweiligen Veranstaltung. Obwohl die NOVA ein modulares System bietet, werden die Veranstaltungen durch die Klassenstruktur in einer spezifischen Reihenfolge durchlaufen.
Vor Beginn der Mobilität hatte ich keinen Zugriff auf das interne Organisationsprogramm der Universität (Inforestudante). Stattdessen konnte ich die Stundenpläne (Horário) nur als PDF von der Website der jeweiligen Studiengänge herunterladen und manuell prüfen, wann welche Veranstaltungen stattfinden. Während die Stundenpläne direkt bei den Studiengangsübersichten zu finden sind, werden Beschreibungen der Lehrveranstaltungen sowie die Prüfungsformen auf einer separaten Website bereitgestellt: https://guia.unl.pt/pt/2024/programs.
Die Leistungsbewertung erfolgt an der NOVA nach einem Punktesystem von 0 bis 20. Am Ende des Semesters besteht die Möglichkeit, Prüfungsleistungen zur Verbesserung der Noten zu wiederholen, jedoch gegen eine zusätzliche Gebühr.
Das Studienklima war insgesamt angenehm und offen. Eine spezielle Betreuung durch dortige Studierende, Verwaltungsmitarbeiter*innen oder Dozierende fand nur während des Welcome Meetings statt. Ich habe jedoch auch keine zusätzliche Unterstützung eingefordert. Bei konkreten Fragen waren die Dozierenden stets hilfsbereit und ansprechbar.
Die technische Ausstattung an der NOVA FCSH ist funktional, jedoch nicht umfassend modern. WLAN war auf dem Campus verfügbar, allerdings gab es nur wenige Steckdosen in den Räumen, was die Nutzung elektronischer Geräte gelegentlich erschwerte. Computerpools habe ich nicht genutzt und kann sie daher nicht bewerten.
Die Bibliotheken an den beiden Standorten der FCSH bieten eine große Auswahl an Arbeitsmöglichkeiten und lange Öffnungszeiten, was die Recherche und Vorbereitung erleichtert hat. Es ist jedoch zu beachten, dass der Zutritt oft nur mit einem Studierendenausweis möglich ist – dies gilt auch für Bibliotheken anderer Universitäten in Lissabon. Alternativ gibt es in der Nähe auch öffentliche Bibliotheken, die eine gute Ergänzung darstellen.
Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden
Während meines Erasmus-Aufenthalts konnte ich sowohl Kontakte zu anderen Austauschstudierenden als auch zu einheimischen Studierenden knüpfen. Über den Sprachkurs und das Welcome Meeting kam ich zunächst mit anderen Teilnehmer*innen des Erasmus-Programms in Kontakt. In einer meiner Lehrveranstaltungen war ebenfalls eine Erasmus-Kommilitonin, die schnell zu einer wichtigen Bezugsperson wurde. Da die Studiengänge an der NOVA in Klassen organisiert sind, kennen sich die Studierenden dort meist besser untereinander als in Deutschland. Dies erschwert den Einstieg in die sozialen Strukturen leicht.
Ich belegte jedoch auch zwei Kurse, in denen keine anderen Austauschstudierenden vertreten waren. In diesen Kursen ergaben sich Kontakte zu einheimischen Studierenden. Dabei handelte es sich um eine „Master-Klasse“, die gerade erst im ersten Studienjahr war und in der sich auch die einheimischen Studierenden noch untereinander kennenlernen mussten. In den Pausen fand ein guter Austausch statt. Leider beschränkten sich diese Kontakte jedoch auf die Zeit an der Universität und setzten sich außerhalb der Kurse nicht fort.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Vor meinem Auslandsaufenthalt verfügte ich über Sprachkenntnisse auf dem Niveau Portugiesisch A2. Während meines Aufenthalts konnte ich diese verbessern und erreichte am Ende des Sprachkurses der Uni das Niveau B1.
Die portugiesische Sprache zu verstehen, erwies sich als äußerst wichtig, da alle Lehrveranstaltungen und insbesondere die Diskussionen in den Kursen auf Portugiesisch stattfanden. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse ist es schwierig, dem Unterricht zu folgen und aktiv daran teilzunehmen. Ich würde sogar min. B1 als Startniveau empfehlen, um wirklich auch mitarbeiten zu können.
Wohn- und Lebenssituation
Meine Unterkunft habe ich über flatsforfriends gefunden. Ich habe zur Untermiete bei einer Person gewohnt, die zwischen Stuttgart und Lissabon pendelt – ein absoluter Glückstreffer. Wir hatten zu zweit gesucht, das machte die Wohnungssuche im Vorfeld aus Deutschland heraus zudem sehr schwierig. Von der Uni wurden keine Studierendenwohnheime bereitgestellt, nur eine Website mit Links zu anderen Plattformen. Die meisten Angebote dort waren kleine, überteuerte Zimmer in WGs mit bis zu 18 Personen. Viele andere Austauschstudierende haben ihre Unterkünfte erst vor Ort gefunden, indem sie einige Tage früher in einem Hostel oder AirBnB geblieben sind, um dann Besichtigungen durchzuführen. Das erscheint zwar etwas riskant, aber so kann man sich wenigstens vor Ort die Wohnung ansehen sowie ggf. Mitbewohner:innen kennenlernen. Eine andere Möglichkeit sind WhatsApp-Gruppen, die speziell für Erasmus-Studierende erstellt wurden und nicht nur Angebote zu Wohnungen beinhalten. Lissabon ist zudem eine Stadt mit viel Scam auf dem Wohnungsmarkt, hier sollte man also aufpassen. Generell sollte man sich im Klaren darüber sein, dass die Mieten in Lissabon deutlich höher sind als in Potsdam. Auch der Wohnstandard liegt in vielen Fällen unter dem gewohnten Niveau, da viele Gebäude, insbesondere in der Innenstadt, nicht kernsaniert sind.
Für die Wohnungssuche sind Standorte an den Metro-Linien sehr zu empfehlen. Gebiete wie Arroios, Alameda, Saldanha und S. Sebastião haben sich als praktisch und angenehm erwiesen. Wohnen weit außerhalb oder abseits der Metro-Linien ist weniger empfehlenswert, da die Busse weniger zuverlässig fahren als die Metro.
Das bevorzugte Verkehrsmittel in Lissabon ist die Metro, da sie zuverlässig und gut ausgebaut ist. Für kürzere Strecken oder weniger dringende Termine ist auch der Bus eine Option. Alternativ sind Uber und Bolt sehr günstig und eine praktische Wahl, wenn auch nicht sehr umweltfreundlich.
Eine NAVEGANTE Karte für den öffentlichen Nahverkehr sollte man direkt zu Beginn beantragen. Dabei muss man je nach Uhrzeit mit langen Warteschlangen rechnen. Unter 23-Jährige können die Karte kostenlos erhalten, müssen aber zuvor eine NIF (portugiesische Steuernummer) beantragen, was nach Berichten sehr zeitaufwändig sein kann.
Banken sind leicht erreichbar, und Kartenzahlung ist fast überall möglich.
Ich hatte neben meiner gesetzlichen europäischen Krankenversicherung eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung abgeschlossen, um sicherzustellen, dass alle Leistungen abgedeckt sind. Glücklicherweise musste ich sie während meines Aufenthalts nicht in Anspruch nehmen.
Die Lebenshaltungskosten in Lissabon sind insgesamt etwas geringer als in Deutschland. Allerdings muss man die hohen Mieten in Lissabon berücksichtigen, die das Budget belasten können. Ein Monatsticket für den Nahverkehr kostet 40 € (30 €, wenn man nur in der Stadt bleibt). Wenn man zusätzlich bedenkt, dass man als Austauschstudierende*r oft mehr unternimmt, würde ich die Gesamtkosten dennoch als höher einschätzen.
Lissabon selbst bietet eine Vielzahl an Freizeitmöglichkeiten. Die Universität hat jedoch nur ein relativ kleines Hochschulsportangebot. Besonders beliebt ist das Mieten von Padel-Plätzen und -Schlägern, was an vielen Universitäten vor Ort kostengünstig möglich ist. Fitnessstudios sind ebenfalls zahlreich vertreten. Ein Highlight war für mich das Surfen. Die Ausrüstung kann man sich an den Stränden überall ausleihen, und es lohnt sich, nach Erasmus-Rabatten zu fragen. Auch die Anbieter ESN und ESL bieten Vergünstigungen und organisieren verschiedene Freizeitaktivitäten. Es lohnt sich, sich gleich zu Beginn der Mobilität für eine oder beide Karten zu entscheiden und an den Veranstaltungen teilzunehmen.
Studienfach: Politikwissenschaften und internationale Beziehungen
Aufenthaltsdauer: 09/2024 - 01/2025
Gastuniversität: Universidade Nova de Lisboa
Gastland: Portugal
Rückblick
Flexibilität bei der Kurswahl
Die Organisation der Kurse und die Übersichtlichkeit der Website können herausfordernd sein. Es lohnt sich, zunächst Kurse auszuwählen, diese jedoch nicht als endgültig zu betrachten. In meinem Fall wurde mir nach der ersten Bewerbung mitgeteilt, dass einige Kurse für Erasmus-Studierende nicht verfügbar sein würden. Es ist daher sinnvoll, die Bewerbung frühzeitig einzureichen und vor Ort flexibel auf Änderungen zu reagieren.
Wohnungssuche mit Pufferzeit und genügend Budget
Die Wohnungssuche in Lissabon ist anspruchsvoll. Dabei sollte man besonders auf die Mietpreise und die Wohnsituation achten. Studierendenwohnheime konnten während meines Aufenthalts nicht bereitgestellt werden. Wer bereits vor der Ankunft eine Unterkunft findet, kann sich glücklich schätzen. Es gibt private Anbieter speziell für Studierende, bei denen eine frühzeitige Anfrage sinnvoll ist. Falls vorher keine Wohnung gefunden wurde, ist es sinnvoll, einen Zeitpuffer einzuplanen, um vor Ort nach Alternativen zu suchen.
NAVEGANTE-Karte frühzeitig beantragen
Eine NAVEGANTE-Karte für den Nahverkehr lohnt sich auf jeden Fall. Es empfiehlt sich, die Karte direkt am ersten oder zweiten Tag nach der Ankunft zu beantragen und Zeit einzuplanen, da die Warteschlangen je nach Tageszeit lang sein können.
WhatsApp-Gruppen nutzen
Die zahlreichen Erasmus-Gruppen auf WhatsApp sind eine gute Möglichkeit, um Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen auszutauschen und Tipps für das Leben in Lissabon zu erhalten.
Insgesamt habe ich sehr positive Erfahrungen gemacht. Die wenigen negativen Punkte, wie die Herausforderungen bei der Wohnungssuche oder organisatorische Hürden bei der Kurswahl, ließen sich durch Flexibilität und frühzeitige Planung bewältigen. Ich würde jedem zukünftigen Austauschstudierenden empfehlen, die kulturellen, sprachlichen und sozialen Möglichkeiten in Lissabon voll auszuschöpfen – es lohnt sich in jeder Hinsicht.