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Ein paar Worte vorab

Dies war das erste Mal in meinem Leben, dass ich ein Auslandssemester gemacht habe. Als ich für meinen Master am HPI nach Potsdam zog, bereitete ich mich innerlich bereits darauf vor, dass es im dritten Semester ins Ausland gehen könnte. Anfangs hatte ich gemischte Gefühle. Einerseits war ich voller Vorfreude auf die bevorstehende Zeit in Coimbra, im sonnigen Portugal. Andererseits hatte ich großen Respekt davor, ein halbes Jahr in einem anderen Land zu verbringen – ein Land weit entfernt von Deutschland, am Rande Europas.

Sechs Monate später kann ich nun mit Sicherheit sagen: Ich bin froh, dieses Auslandssemester gemacht zu haben. Alle Sorgen, die ich anfangs in mir trug, erwiesen sich als übertrieben. Dort angekommen, waren die befürchteten Probleme überraschend schnell und einfach zu bewältigen. Man ist nicht alleine, und Hilfe findet sich überall dort, wo man sie benötigt. Es dauert nicht lange, bis man sich in dieser schönen Stadt wohlfühlt – einer Stadt, die einen bei der Ankunft mit ihrer charmanten Atmosphäre und der prominent gelegenen Universität herzlich empfängt. Das Panorama dieser Universität habe ich bis zu meinen letzten Tagen stets genossen, insbesondere bei meinen Spaziergängen am Mondego.

Kann ich Coimbra also empfehlen? Definitiv!

Vorbereitung des Auslandsaufenthalts

Das Erasmus+ Programm ist eine tolle Sache, jedoch ist der Bewerbungsprozess kein Selbstläufer. Es empfiehlt sich, Termine frühzeitig im Kalender zu notieren und genau darauf zu achten, welche Unterlagen benötigt werden. Seitens der UP hatte ich nie ein Problem mit der Kommunikation und war sehr zufrieden mit der Organisation des Bewerbungsprozesses.

Mir war bewusst, dass der Sprachnachweis ein kritischer Punkt werden könnte, da diese früh geplant werden müssen. Hier wurde ich jedoch angenehm von der Universidade de Coimbra (UC) überrascht, da für das Master-Programm kein Sprachnachweis erforderlich war und alle meine Kurse auf Englisch unterrichtet wurden.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Erstellung des Learning Agreements (LA). Bei mir dauerte es lange, bis mein Studiengangskoordinator die Kurswahl abgesegnet hatte. Deshalb empfehle ich, früh damit anzufangen und Geduld zu bewahren. Der Bewerbungsprozess an der UC war hingegen sehr einfach gestaltet und lief über eine eigene Plattform. Die UC stellt hierfür einen hilfreichen Application Guide zur Verfügung (Link: https://www.uc.pt/en/iru/study-abroad/incoming-students-study-at-the-university-of-coimbra/, unter Online Applications). Neben dem OLA gibt es auch eine eigene .pdf-Version, die bei der Bewerbung ausgefüllt und hochgeladen werden muss.

Bei der Kurswahl erhielt ich schnell die Rückmeldung, dass ein Kurs nicht verfügbar sein würde, sodass ich diesen ersetzen musste. Die Erasmus+ Koordinatorin der UP erklärte mir jedoch, dass ich den geänderten Kurs im During Mobility Teil des LAs angeben und kein neues Learning Agreement vorab erstellen müsse.

Nachdem ich die Zusage für meine Bewerbung erhielt, konnte ich mich entspannen und kümmerte mich lediglich darum, einen Flug und ein Hostel zu buchen. Man kann entweder nach Lissabon oder Porto fliegen. Porto liegt näher an Coimbra, aber ich entschied mich dafür, nach Lissabon zu fliegen und drei Tage dort zu verbringen – schließlich ist es die Hauptstadt, die man gesehen haben sollte!

Mein Flug ging Ende August, und das Wetter war zu der Zeit noch sehr sommerlich. Ich packte überwiegend Sommerkleidung ein, nahm aber auch zwei Pullover mit, was sich später als sinnvoll erwies, da es ab November kühler wurde. Wichtig sind auch wetterfeste Schuhe, da es in Coimbra oft stark regnen kann. Einige Studierende – mich eingeschlossen – mussten sich vor Ort neue Schuhe und einen Regenschirm kaufen.


Studienfach: IT-Systems Engineering M.Sc.

Aufenthaltsdauer: 09/2024 – 02/2025

Gastuniversität: Universidade de Coimbra

Gastland: Portugal

Studium an der Gastuniversität

Das Studium an der UC erinnerte mich in vielen Aspekten an meine Schulzeit: Professor*innen kamen selbst am Tag der Klausur gelegentlich zu spät, der Unterricht fand in kleinen Klassenräumen statt, und die Kurse waren selten mit mehr als 20 Studierenden besetzt. Diese kleinen Gruppen ist man vom HPI gewohnt, jedoch empfand ich den Vorlesungsstoff an der UC als vergleichsweise einfach und entspannt.

Ich habe ausschließlich Data-Science-Module belegt und brachte bereits Vorkenntnisse aus diesem Fachgebiet mit. Dennoch habe ich in diesem Semester einiges dazugelernt, und mir gefiel vor allem der Praxisbezug. In jedem Kurs gab es eine Projektarbeit, die ich entweder mit anderen Erasmus-Studierenden oder mit einheimischen Studierenden absolvierte. Die Zusammenarbeit mit Portugies*innen war besonders spannend, da ich so mehr über die Uni und das Land erfahren konnte.

Die Klausuren im Januar waren überschaubar und zählten maximal 40 % der Gesamtnote. Die Leistungsbewertung war fair, jedoch erscheint es mir schwieriger, in Portugal Bestnoten zu erreichen. Interessanterweise war die Notenvergabe nicht anonymisiert, sodass man die Leistungen der anderen Studierenden einsehen konnte.

Die Ingenieurswissenschaften werden an der Faculdade de Ciências e Tecnologia da Universidade de Coimbra (FCTUC) unterrichtet, und als Informatik-Studierende*r gehört man zum Departamento de Engenharia Informática (DEI). Dieses und andere Fakultätsgebäude der FCTUC befinden sich am Polo II, etwas außerhalb der Stadt, nicht auf dem prominenten Hügel, wo sich die Hauptgebäude der Universität befinden.

Wohnt man nicht direkt in der Nähe des Polo II, gestaltet sich der Weg zur Universität etwas mühsam. Glücklicherweise können einige Kurse, insbesondere die im Bereich Cybersecurity, auch online besucht werden. In meinen Modulen war jedoch Präsenz vorgesehen – in der Praxis war dies aufgrund der hochgeladenen Materialien und der einfachen Inhalte oft nicht zwingend notwendig. Es bestand keine Anwesenheitspflicht.

Als HPI-Studierende*r ist man selbstverständlich verwöhnt, was Ausstattung angeht. Darauf stellt man sich aber ein und dafür fand ich den Campus gar nicht schlecht. Einladend ist das Café im DEI-Gebäude mit dem Draußenbereich und vielen Sitzmöglichkeiten. Bei der Kantine sollte man dann wirklich seine Erwartungen runterschrauben. Wenigstens gab es immer eine vegane Option. Zudem umfasst eine Mahlzeit ein Hauptgericht, eine Suppe, ein Brötchen, und ein Stück Obst für gerade einmal 2,40€ insgesamt! Also wirklich beschweren kann man sich da nicht ;)

Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden

Internationale Kontakte:
Mit anderen internationalen Studierenden kommt man in Coimbra sehr schnell in Kontakt. Ich empfehle, frühzeitig dem Instagram-Kanal des Erasmus Student Network (ESN) Coimbra zu folgen, da das Programm bereits im September startet. Das ESN-Team stellt monatlich einen Eventkalender zusammen, der unverbindliche Treffen, Kennenlern-Aktivitäten und eine Vielzahl von Veranstaltungen umfasst. Über diese Plattform habe ich schnell Studierende aus aller Welt kennengelernt.

Das ESN-Angebot ist äußerst vielfältig: von Pub-Crawling, Coffee Talks und International Dinner bis hin zu kreativen Workshops wie Blumentopf-Bemalen im botanischen Garten oder Selbstverteidigungskursen – für jeden war etwas dabei! Zusätzlich gibt es in der großen ESN-Coimbra-WhatsApp-Gruppe zahlreiche Subchannels, über die man Gleichgesinnte mit ähnlichen Interessen finden kann.

Einheimische Kontakte:
Einheimische Studierende kennenzulernen war erwartungsgemäß schwieriger. Dennoch gibt es Möglichkeiten:

  • Viele ESN-Organisator*innen sind portugiesische Studierende, sodass man leicht ins Gespräch kommen kann.
  • Über Uniprojekte hatte ich Gelegenheit, mit portugiesischen Kommiliton*innen zusammenzuarbeiten.
  • Eine weitere Option ist, einem lokalen Verein beizutreten. Mein Mitbewohner trat beispielsweise einem Samba-Drum-Verein bei und knüpfte so Kontakte zu Portugies*innen undBrasilianer*innen.
  • In den traditionellen Repúblicas – Wohngemeinschaften mit portugiesischen Studierenden – lebt man hautnah die lokale Kultur.
  • Besonders erfolgreich war für mich der sogenannte "Stammtisch", ein Sprach-Austauschprogramm des Sprachzentrums der UC. Hier traf ich portugiesische Studierende, die Deutsch lernten, und konnte gleichzeitig mein Portugiesisch verbessern.

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Mich hat Portugiesisch schon sehr früh fasziniert. Während meiner Bachelorzeit in Hannover belegte ich einen A1 und A2 Kurs. Im Master habe ich mich dann über das Zessko für einen B1 Kurs eingetragen. Da die Lehrerin so toll war und das der coolste Sprachkurs in meinem Leben war, habe ich direkt noch einen B2 Kurs draufgelegt, sodass ich mit viel Vorkenntnissen über die Sprache mein Auslandssemester angetreten bin. Anfangs war ich dennoch oft frustriert, da das gesprochene Alltagsportugiesisch schnell an mir vorbeizog. Einige sprechen auch brasilianisches Portugiesisch, das für oftmals leichter verständlich ist. Da meine Uni-Kurse auf Englisch stattfanden, machte ich beim Portugiesischlernen nur schleppend Fortschritte. Glücklicherweise freundete ich mich mit einem Portugiesen an, der Deutsch lernte. Wir verabredeten uns regelmäßig zum Sprachaustausch, was mir sehr half. Solche Begegnungen waren für meinen Lernfortschritt und meine Motivation entscheidend.

Wohn- und Lebenssituation

Ich habe mir vorher Erfahrungsberichte durchgelesen und mich darauf verlassen, dass die Wohnungssituation vor Ort in Coimbra entspannt sein würde. Demnach habe ich mich um nichts gekümmert, außer dass ich mir ein Hostel für die erste Woche in Coimbra gebucht hatte. Dort angekommen habe ich dann die Tage damit verbracht, zu Fuß durch die Stadt zu schlendern und nach Anzeigen Aussicht zu halten. Die fand man auch überall rund um den Praça de Republica. Es empfiehlt sich, dort in der Nähe ein Zimmer zu mieten, weil man dann Nahe am Geschehen ist, obgleich die FCTUC Fakultät weiter weg ist. Nach einigen Telefonaten hatte ich dann auch schon meine ersten Besichtigungen. Oftmals konnten die Vermieter*innen am Apparat nur Portugiesisch. Allerdings findet man die meisten Mietobjekte auch auf der Website Idealista, sodass ich mir das Gelaufe hätte sparen können. Die Besichtigungen waren der wichtigste Teil an dem ganzen Prozess, damit man sich ein genaues Bild machen konnte. Auch wenn es gruselig wirkt, ich kann es nur wärmstens jeden empfehlen, die Wohnungssuche genauso zu machen. Der Wohnungsmarkt ist wirklich so entspannt, dass man Anfang September viele Optionen hat und die Leute sich die Studierenden heranholen wollen. Ich habe mehrere Studierende kennengelernt, die keine Besichtigungen gemacht haben und dann leider gescamt wurden. Auch bei Uniplaces wäre ich vorsichtig, weil die Zustände vor Ort dann plötzlich ganz anders aussehen können und man dann mal eben 200€ Servicegebühren los ist.

Die Preise für ein Zimmer sind scheinbar etwas gestiegen im Vergleich zu den vorherigen Jahren, sodass ich nichts im guten Zustand unter 300€ finden konnte. In der Spanne von 300-450€ gab es jedoch einige gute Angebote, von denen ich letzlich drei besichtigte. Ich entschied mich für ein Zimmer in einer 12er-WG im Stadtviertel Celas, was hoch auf einem Hügel lag und eine wunderschöne Aussicht auf die Uni hatte. Im Endeffekt wohnten wir nur zu sechst mit zwei Küchen, einem Wohnzimmer und mehreren Bädern. Das Gebäude hatte kein Heizsystem und war zudem recht schimmlig. Für ein halbes Jahr ließ es sich jedoch aushalten und ein kleiner Heizlüfter für 30€ im Winter war auf jeden Fall eine sinnvolle Investition.

Der Verkehr in Portugal verhält sich für mich gefühlt umgekehrt wie in Deutschland: Zuverlässig und günstig für Fernreisen und ein Albtraum innerorts (zumindest in Coimbra). Mit den Busgesellschaften Flixbus oder Rede Expressos kann man für wenig Geld viele Orte erreichen. Von Coimbra nach Lissabon oder Porto zahlt man manchmal nur 4 Euro für eine Fahrt. Nach Lissabon dauert es etwas über zwei Stunden, nach Porto manchmal nur 1h 20m. Zur Küste kann man den Zug für 3 Euro nehmen, der einen nach einer Stunde fahrt direkt nach Figueira da Foz bringt, wo man z.B. einen Surf-Kurs machen kann. In Coimbra selbst gibt es die Verkehrsgesellschaft SMTUC und da läuft leider nicht alles so rund. Es gibt zwar ein Bussystem, aber die Busse fahren überhaupt nicht zuverlässig und es gab öfters Streiks, von denen ich auf harte Weise erfahren musste. Dennoch habe ich mir immer eine Monatskarte für 15€ geholt, weil die Hügel wirklich anstrengend sein können auf Dauer und die Fakultät sehr weit weg von meinem Zimmer war, sodass ich zu Fuß fast eine Stunde mit bergauf und ab gebraucht hätte. Die gute Nachricht: Falls alle Stricke reißen kann man auf Uber oder Bolt zurückgreifen, was in Portugal wesentlich günstiger ist. Da kann eine Fahrt schonmal nur 4€ kosten, die man dann mit anderen Mitfahrenden aufteilt.

Ansonsten lässt es sich sehr gut in Coimbra leben. Als Veganer hatte ich meine Befürchtungen, jedoch gibt es unterschiedliche Supermärkte mit veganen Produkten. Lediglich der Pingo Doce in Celas hat mich immer wieder enttäuscht. In der Gastronomie wird man auch fündig, wenn man etwas sucht. Deutlich mehr Restaurants mit veganen Gerichten findet man in den Großstäden Lissabon und Porto. Dort gibt es dann auch vegane Pasteis de Nata, ein Traum! Porto hat sich als meine Lieblingsstadt herausgestellt, weshalb ich einen Besuch nur empfehlen kann. Im Nachhinein hätte ich dort ein Auslandssemester wahrscheinlich cooler gefunden, aber das Schöne an Coimbra ist, mehr vom authentischen Leben in Portugal mitzubekommen und etwas dem Turismus zu entkommen. Außerdem gab es immer wieder Events in der Stadt. Mein Lieblingsort war wahrscheinlich die Liquidâmbar, wo jeden Mittwoch Jamsessions veranstaltet wurden.

Studienfach: IT-Systems Engineering M.Sc.

Aufenthaltsdauer: 09/2024 – 02/2025

Gastuniversität: Universidade de Coimbra

Gastland: Portugal

Rückblick

Die Zeit war doch schnell vorbei, aber ein Semester hat mir absolut gereicht. Im September habe ich am meisten erlebt und mitgemacht, im Oktober habe ich mich richtig angekommen gefühlt und ab November konzentrierte ich mich mehr auf die Uni. Das Semester hat meinen Lebensweg auf alle Fälle sehr bereichert! Ich habe viele Dinge gesehen, mich mit Studierenden aus anderen Ländern angefreundet und bin viel an der Erfahrung im Ausland gewachsen. Es war wirklich erfrischend mal aus der Bubble am Griebnitzsee auszubrechen und Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen und Studiengängen kennenzulernen. Es hat mir sehr vor Augen geführt, wo ich im Leben stehe und welche Sachen am Ende wirklich wichtig sind.


Portugal

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