Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Grundsätzlich war ich nie der Typ Studierender, der schon immer gesagt hat, dass ein Auslandssemester für mich unbedingt eine Erfahrung ist, die ich machen möchte. Vielleicht ist das auch mal ein interessanter Einstieg in so einen Bericht für alle, die zweifeln, ob sie der Typ für sowas sind. Eventuell war das bei mir auch dem Mangel an verfügbaren Sprachkenntnissen geschuldet, denn außer Englisch geht da nicht so viel. Dennoch packte mich mit der langsam abklingenden Corona-Pandemie die Reiselust. Da ich Anfang des Jahres mein Praxissemester an einer Schule absolviert habe, dachte ich, so ein Auslandssemester anschließend wäre doch eine willkommene Abwechslung. Also bewarb ich mich ganz normal im Januar 2022 via E-Mail bei den jeweiligen Austauschkoordinatoren für meine Fächer Biologie und Sport. Wohin war mir eigentlich relativ egal und so bewarb ich mich auf alles, wofür Englisch bzw. mein wirklich schlechtes Schulfranzösisch ausreichen würde. Zusagen bekam ich für die Universität Rennes in Frankreich und eben für die AWF in Warschau. Ich überlegte lange hin und her, entschied mich dann aber aufgrund der besseren Kursauswahl und einem Bauchgefühl für Warschau. Es interessierte mich irgendwie, dass es ein eher untypisches Reiseziel für deutsche Erasmus-Studierende ist und auch, dass ich unser Nachbarland Polen bislang nur vom Familienurlaub an der Ostsee kannte. Die Reaktionen von Freunden und Familie, wenn ich von meinem Vorhaben erzählte, waren auch ganz witzig und reichten von „Oh wie schön Warschau, da wollte ich auch schon immer mal hin.“ bis zu „Polen? Was willst du denn da?“ – aber lasst euch davon nicht abschrecken.
Studium an der Gastuniversität
An der AWF gibt es drei Studiengänge: Physical Education, Physiotherapy and Rehabilitation und Tourism and Recreation. Ich war an der Physical Education Faculty eingeschrieben, jedoch bietet die Uni jedem Erasmusstudierenden die Möglichkeit seine Kurse aus allen drei Studiengängen zu wählen. Die Zeiten der jeweiligen Kurse bekamen wir in der ersten Woche von den jeweiligen Koordinatoren der Fakultät mitgeteilt und konnten dann unsere persönlichen Stundenpläne zusammenstellen. Grundsätzlich lohnt es sich, auch bei den anderen Fakultäten mal in den Kursplan zu schauen, denn gerade PE und Physiotherapy and Rehabilitation haben ja gewisse Überschneidungspunkte und so wählte ich letztendlich Kurse aus beiden Studiengängen. Die theoretischen Kurse an der AWF werden exklusiv für die Erasmus-Studierenden auf Englisch angeboten, weshalb diese selten mehr als 20 Teilnehmende haben und vom Aufbau eher mit Seminaren vergleichbar sind als mit Vorlesungen. Das Niveau hängt zum Teil sehr von den Englischkenntnissen der Dozierenden und auch von der Motivation und dem Vorwissen der Gruppe ab, ist aber generell etwas unter dem an der Uni Potsdam. Hervorheben möchte ich die Kurse von Jolanta Marszalek von der Rehabilitation Faculty. Sie ist die verantwortliche für alles im Bereich Disability Sports und bietet eine theoretische Vorlesung zum Thema, sowie den praktischen Kurs Team Games für Menschen mit Behinderung an, welche ich jedem potentiellen AWF-Studierenden empfehlen möchte. Zum einen ist Jolanta als Mensch super sympathisch und zum anderen bringt sie eine unfassbare Begeisterung für ihr Fachgebiet mit und organisiert super viele Veranstaltungen um die eigentlichen Kurse herum. So durften wir unter anderem Rollstuhl-Basketball und Rollstuhl-Fechten in einem Warschauer Verein ausprobieren und haben Turniere von Amputierten-Fußball und Rollstuhl-Rugby angesehen. Zum Ende des Semesters wurde es organisatorisch nochmal etwas interessant, da wir einen Zettel, die sogenannte „Evaluation card“, bekamen mit der Aufgabe, von jedem Dozierenden unserer Kurse die finale Note und eine Unterschrift einzuholen, sodass auf Basis dessen später das Transcript of Records erstellt werden kann. Alles ein wenig umständlich und kompliziert, aber letztendlich funktionierte alles und Maja aus dem International Office war auch jederzeit ansprechbar, wenn es Probleme gab.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Kontakte zu einheimischen Studierenden hatte man zu Beginn über die Mentoren, welche in den ersten Wochen auch viele Veranstaltungen organisiert und durchgeführt haben. Zum anderen hatte ich noch einige Kontakte zu polnischen Studierenden in meinen praktischen Kursen, welche auf Polnisch waren. Dennoch schwimmt man doch schon ziemlich in der Erasmus-Bubble und muss sich wirklich sehr anstrengen, Kontakte außerhalb dieser zu pflegen. Aber andere in meinem Erasmus-Semester haben das zum Teil sehr gut hinbekommen. Der Kontakt zu den anderen ausländischen Studierenden ist dagegen spielend leicht, wenn nicht sogar unvermeidbar. Ich habe vier Monate mit einer Spanierin das Zimmer geteilt und mit fast allen anderen Erasmus-Studierenden auf einem Flur im Wohnheim gelebt. Dazu hat man sehr viele Kurse zusammen, trifft sich auf Partys oder unternimmt zusammen Wochenendtrips.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Polnisch kann ich leider immer noch nicht, aber mein Englisch ist definitiv besser geworden beschreibt in einem Satz ganz gut, worauf in im Folgenden noch etwas genauer eingehen werde. Für das Studium in Warschau reichte ein einfacher Nachweis über ein B2-Level in Englisch, welchen man beim DAAD recht einfach und günstig (20 €) bekommen kann. Dennoch würde ich sagen, meine Englischkenntnisse waren vor dem Semester auf ordentlichem Schulniveau, aber definitiv war ich es nicht gewohnt zu sprechen oder zu schreiben bzw. die Sprache für meine hauptsächliche Kommunikation zu nutzen. Das hat sich während des Semesters stark geändert und mittlerweile bin ich echt ganz gut in der Lage, sehr flexibel mit der englischen Sprache umzugehen und mich halbwegs differenziert auszudrücken. Allein die Notwendigkeit, mit Dozierenden und anderen Studierenden auf Englisch zu kommunizieren, bringt eine immense Auseinandersetzung mit der Sprache mit sich, welche man Zuhause nur schwer simulieren kann. Generell wurde mir sehr stark bewusst, welche Bedeutung Sprache besitzt und wie schwierig es werden kann, wenn man nicht dieselbe spricht. Womit ich gerne zum Polnisch überleiten würde, wovon ich bei meiner Ankunft wirklich überhaupt kein Wort verstand oder sprechen konnte. Das merkwürdigste für mich war, dass ich von der Kommunikation im öffentlichen Raum (Nahverkehr, Werbung, Nachrichten, Speisekarten, …) einfach nicht wirklich etwas verstand und mich dadurch manchmal wirklich eingeschränkt fühlte. Daran gewöhnte ich mich jedoch nach einigen Wochen und mit der Zeit fing ich auch an, einige essentielle Wörter und Phrasen aufzuschnappen und mit Duolingo die Grundlagen etwas zu festigen. Dennoch bleibt Polnisch für mich ein ziemliches Rätsel und in Warschau (und eigentlich allen größeren Städten Polens) besteht auch nicht die Notwendigkeit, sich tiefgreifend damit auseinanderzusetzen, da eigentlich jeder unter 40 ziemlich gutes Englisch spricht. Dennoch freuen sich gerade Verkäufer/innen im Supermarkt oder Postbeamte, wenn man es wenigstens auf Polnisch versucht. Der Google Übersetzer war tatsächlich ein ganz guter Helfer in der einen oder anderen Situation.
Wohn- und Lebenssituation
Die AWF bietet allen Erasmusstudierenden sehr unkompliziert einen Platz in einem ihrer Wohnheime „Meski“ und „Zenski“ direkt auf dem Campus an. Das ist insofern sehr unkompliziert, da man bei der Bewerbung and der Gastuni einfach nur einen Haken setzen muss, wenn man einen Wohnheimsplatz haben möchte. Da ich wenig Lust hatte mich selbstständig um eine Unterkunft zu kümmern, machte ich das, würde es aber retrospektiv betrachtet aufgrund der Bedingungen nur eingeschränkt weiterempfehlen. Zumindest sollte man sich bewusst sein, dass man nicht die Bedingungen vorfindet, wie sie in Potsdamer Studierendenwohnheimen üblich sind (ausgenommen vielleicht das Wohnheim Eiche). Im Normalfall teilt man sich zu zweit ein recht kleines Zimmer mit Bad und mit dem gesamten restlichen Flur die Küche. Diese Küchen sind eigentlich meistens ziemlich dreckig gewesen, obwohl sie zumindest innerhalb der Woche jeden Morgen vom Wohnheimspersonal gereinigt wurden. Den meisten Studierenden auf meinem Flur fehlte jedoch jegliches Bewusstsein dafür, dass man seinen eigenen Dreck nach dem Kochen auch wegräumen sollte, was mich mit zunehmender Wohndauer dort immer mehr nervte. Die Atmosphäre im Wohnheim erinnert auch eher an eine Art Internat, da grundsätzlich immer Personal vor Ort ist und zum Beispiel auch die Rezeption 24h bewacht ist. Positiv am Wohnheim ist natürlich, dass man super schnell Leute kennenlernt und auch immer wieder trifft (ob man will oder nicht). Die meisten Erasmus-Studierenden wohnen alle auf demselben Flur und so läuft man sich zwangsläufig über den Weg und es entstehen Verabredungen und Freundschaften daraus. Ein weiterer tatsächlich unschlagbarer Pluspunkt vom Wohnheim ist die Miete. Ich habe dort 600 Zloty (rund 130 Euro) gezahlt und für die Monate, welche ich nicht komplett dort gewohnt habe (September und Januar) sogar anteilig meine Miete zurückbekommen. Dazu kamen noch 700 Zloty Kaution, welche aber am Ende auch unkompliziert zurückgezahlt wurden. Die Lebenshaltungskosten in Polen sind grundsätzlich niedriger als in Deutschland, wobei Warschau als die teuerste Stadt Polens gilt. Dennoch sind gerade Lebensmittel, Restaurants und Bars/Clubs wesentlich günstiger als bei uns und man kann für 10-15 € pro Person richtig gut mit Getränk, Vorspeise und Hauptgang essen gehen, wovon ich durchaus häufig Gebrauch gemacht habe. Ich persönlich konnte vom Erasmus-Stipendium sehr gut die Wohnheimsmiete und die Kosten für Essen decken, was eine sehr komfortable Situation ist, die man so in vielen anderen Ländern nicht hat. Die ganze Geldfrage ist sowieso ein sehr großer Pluspunkt für Polen, wenn man sich nicht unbedingt super viele Mehrkosten durch ein Auslandsemester aufhalsen möchte. Freizeitangebote gibt es in Warschau mehr als genug und ich würde mir gar nicht anmaßen, nach einem Semester einen Überblick darüber zu haben, dennoch möchte ich meine Erfahrungen etwas darlegen. Da die AWF die größte Sportuniversität in Polen ist, gibt es demzufolge sehr viele gut ausgestattete Sportstätten. Als Erasmus-Studierende hatten wir die Möglichkeit, zu bestimmten Zeiten in das Gym zu gehen und konnten auf Nachfrage bei den Verantwortlichen auch die anderen Sportanlagen wie Stadion, Leichtathletikhalle oder andere Sporthallen nutzen. So fanden sich übers Semester einige Gruppen, die sich dann hin und wieder zum Volleyball oder Basketball spielen getroffen haben. Einige haben sich auch in „ihren“ Sportarten in die jeweiligen Universitätsteams des ASZ-AWF (Universitätssportverein) eingegliedert und dort mittrainiert. Der „Las Bielanski Forest“ direkt hinter dem Campus eignet sich z.B. wunderbar für Laufrunden oder ausgedehnte Spaziergänge und gerade am Wochenende treffen sich dort viele Laufgruppen.
Studienfach: Sport und Biologie auf Lehramt (M.Ed.)
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 01/2023
Gastuniversität: AWF Warszawa
Gastland: Polen
Rückblick
Rückblickend war das Semester eine bereichernde Erfahrung, welche mir sehr viel Kultur und Landschaft unseres Nachbarlandes nähergebracht hat. Auch Warschau als Stadt ist sehenswert und es ist eine coole Erfahrung, eine Stadt mal ein wenig länger und intensiver kennenzulernen als nur in einem Urlaub, aber trotzdem für begrenzte Zeit. In besonders guter Erinnerung werde ich die vielen Wochenendtrips und die günstigen Bahntickets behalten, aber auch die Sportkurse mit den polnischen Studierenden. Weniger gut in Erinnerung bleibt mit allerdings die Wohnsituation im Wohnheim und die dadurch sehr eingeschränkte Privatsphäre und Ruhe. Hier sollte man definitiv abwägen, was einem wichtig ist. Als einen letzten Tipp oder Hinweis hätte ich: Geht im Sommersemester nach Warschau, wenn ihr könnt! Ich weiß, das ist mit den deutschen Semesterzeiten immer etwas schwierig, aber vermutlich lohnt es sich wirklich, da man einfach tausende Möglichkeiten mehr hat und vor allem mehr Tageslicht. Einen wie ich gelernt habe nicht zu unterschätzenden Faktor für alle möglichen Aktivitäten sowie den physischen und psychischen Zustand. Und da Warschau ja schon nochmal 600 km östlicher liegt als Berlin, gab es im November wirklich Tage, wo es um 14 Uhr quasi dunkel war. Selbst habe ich nur nie darüber nachgedacht, dass ich ja den Winter in Warschau verbringen werde, als ich mich dafür bewarb und hätte das vermutlich im Nachhinein anders gemacht.
Dies ist nur ein Ausschnitt des Berichts. Hier können Sie sich den kompletten Bericht als PDF-Datei herunterladen.