Erasmus+ Erfahrungsbericht - Uniwersytet Jagielloński
Vorbereitung des Auslandsaufenthalts
Die Vorbereitung meines Auslandsaufenthaltes verlief zu Beginn etwas stressig, da ich mich recht spät für einen Auslandsaufenthalt bei der Koordinatorin der Polonistik nominieren lassen habe. Innerhalb weniger Tage war es von Nöten ununterbrochen Kontakt zu der Koordinatorin aufrechtzuhalten, um die geforderten Unterlagen fristgerecht einzureichen. Die Kontaktaufnahme mit der Gasthochschule lief dabei einwandfrei, sodass ich schon nach wenigen Wochen am Treffen aller Erasmus-Studenten und des International Office der Universität Potsdam teilnehmen konnte. Obwohl die Vorbereitung sehr stressig war, konnte man von allen Seiten der Universität auf Unterstützung hoffen und zählen, wofür ich mich an dieser Stelle herzlichst bei dem International Office und Frau Mrosek bedanken möchte. Schwierigkeiten hatte ich jedoch mit der Auswahl meiner Kurse für das Learning Agreement Before. Das USOS-Web der Universität in Krakau (was bei uns dem PULS entspricht) war zu Beginn recht unübersichtlich, da man verstehen musste, dass sowohl alle Kurse aufgeführt wurden, die sowohl nur im Sommersemester oder Wintersemester, als auch ganzjährig stattfinden. Es werden also bei unserem PULS nur die aktuell zu belegenen Kurse angezeigt, was bei USOS-Web nicht der Fall war. Dies hatte dazu geführt, dass ich kurz vor meiner Abreise nochmals den größten Teil meines Learning Agreements bearbeiten musste, weil ich mich leichtsinnig zu allen Kursen eingeschrieben hatte, ohne auf das Semester Acht zu geben. Nach reichlichem Schriftverkehr mit den Dozenten der Jagiellonen-Universität in Krakau, ist mir auch die Überwindung dieser Hürde gelungen, sodass mir nun nichts mehr im Wege stand Ende Februar das Auslandssemester in Krakau anzutreten. Leider konnte ich an der Einführungswoche in Krakau nicht teilnehmen, da ich zu dem Zeitpunkt noch Prüfungen in Potsdam absolvieren musste.
Studium an der Gastuniversität
In Krakau angekommen wurde mir allerdings direkt eine Studentin zugeteilt, die sich dazu bereit erklärt hatte, den deutschen Studierenden Hilfe bei organisatorischen Fragen zu leisten. Ich persönlich habe dies nicht in Anspruch genommen, da sich meine Freunde aus Krakau dazu bereiterklärt hatten mir zu helfen. Das Studium in Krakau ist ähnlich aufgebaut, wie in Potsdam. Man konnte sich jedoch viel mehr mit einem bestimmtem Thema befassen. So bestand mein gewähltes Modul „Polnische Literaturgeschichte 1918-1945“, sowohl aus einer Vorlesung und aus einem Seminar. Aus diesem Grund konnte ich mich viel intensiver mit der polnischen Literatur dieser Zeit befassen. Außerdem hatte ich das Modul „Holocaust“. Geschichte und Erinnerung“ belegt. Auch hier bestand das Modul aus einer Vorlesung und einem Seminar, doch gab es ebenso verpflichtende Ausflüge in der enorm historisch geprägten Stadt und dem Umland. So besuchten wir also für den Holocaust wichtige Orte in Krakau, wie das Gebiet des damaligen Ghettos oder des Konzentrationslagers Płaszów, sowie Schindlers Fabrik. Außerdem war ein Ausflug nach Auschwitz und Auschwitz-Birkenau zu absolvieren, was mithilfe einer Führung und studentischen Referaten vor Ort aufbereitet wurde. Man konnte sich sehr intensiv mit der traurigen Geschichte unserer Nationen auseinandersetzen. Ich persönlich wurde sogar selbst dazu angeregt in meiner Freizeit weitere Orte in Krakau zu entdecken, wie zum Beispiel das jüdische Stadtviertel Kazimierz (in welchem ich montags und dienstags meine Lehrveranstaltungen besuchte). Ich muss gestehen, dass der Montag trotz frühen Aufstehens mein absoluter Lieblingstag war. Von Mittwoch bis Freitag besuchte ich die Lehrveranstaltungen der Polonistik und Geschichte in der Straße ul. Gołębia, welche sich inmitten der Altstadt, keine zwei Minuten Fußweg vom Hauptmarkt (Rynek Główny) befindet. Das Studienklima war wirklich einzigartig und ich werde das Ertönen des Hejnałs (Trompetenstück, welches zu jeder vollen Stunde aus der Marienkirche gespielt wird) während meiner Veranstaltungen wirklich sehr vermissen. Ich kann jedem Studenten, der an Geschichte interessiert ist, mit Nachdruck ein Auslandssemester in Krakau empfehlen. Ihr werdet es nicht bereuen. Aber auch den Polonisten und Polonistinnen möchte ich außerordentlich zu einem Auslandssemester in Krakau raten. Es gibt mit Sicherheit einige Universitäten, die hervorragende Veranstaltungen in der Polonistik anbieten, allerdings glaube ich behaupten zu dürfen, dass die Jagiellonen-Universität überragend ist. Das Niveau ist enorm und ich muss zugeben, dass ich mich anfangs überfordert gefühlt habe. Man muss für weniger ECTS-Punkte viel mehr leisten, doch habe ich nach dem Semester das Gefühl alles über ein bestimmtes Thema meiner Veranstaltung erfahren zu haben, auch wenn viel Lesen und Bearbeiten von Literatur zum Studium dazugehörte. Für das Erreichen von drei ECTS-Punkten gehörte zum Beispiel das Bestehen von zwei schriftlichen Prüfungen, regelmäßige Mitarbeit UND Anwesenheit, welche in Polen bei Seminaren obligatorisch ist. Die Dozenten und Dozentinnen lassen aber auch mit sich reden und sind dazu bereit zusätzliche oder ersetzbare Aufgaben zu erteilen, die das Anrechnen von Punkten an der Universität in Potsdam sichern. Ich habe alle Veranstaltungen auf Polnisch besucht, was die Dozenten und Dozentinnen in ihrer Bewertung positiv berücksichtigt haben. Ist man auch bei den Vorlesungen (deren regelmäßiger Besuch nicht obligatorisch ist) immer aufmerksam dabei und macht sich Notizen, kann man den ein oder anderen Pluspunkt sammeln, der in der Notenanrechnung an der Universität Potsdam den Unterschied von einer 1,0 und einer 1,7 bedeuten kann. Ein Nachtteil kann sich in der Anrechnung der Punkte eines Moduls dennoch ergeben: Das Seminar und die Vorlesung werden aufgrund ihrer intensiven Vertiefung als Gesamtheit angesehen und nicht wie in Potsdam als zwei separate Lehrveranstaltungen. Besteht man also das Seminar, jedoch nicht die Vorlesung (oder andersherum), erzielt der Student oder die Studentin keinen einzigen ECTS-Punkt für das Modul. Es bietet sich daher an beide Veranstaltungen ernst zu nehmen. Betonen möchte ich zum Studium an der Gasthochschule auch die technische Ausstattung. Es war auffällig zu beobachten, dass jeder einzelne Lehrveranstaltungsraum über ein Laptop mit Beamer oder Smartboard verfügte. Bei der Benutzung zeigten sich die Dozenten und Dozentinnen jeden Alters überaus kompetent und konnten den Studierenden außergewöhnliche und interessante Veranstaltungen darbieten.
Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden
Kontakte zu ausländischen Studierenden habe ich persönlich fast gar nicht geknüpft, dadurch dass ich alle Lehrveranstaltungen auf Polnisch besuchte. Nur aufgrund des Sprachkurses traf ich eine kleine Gruppe von sieben Studierenden aus Deutschland, Italien, Weißrussland, Slowenien und den Vereinigten Staaten von Amerika. Dabei hat sich der ein oder andere Student sehr offen, aber auch sehr verschlossen gezeigt. Ich habe nur zu einheimischen Studierenden Kontakte geknüpft, weil sie äußerst offen waren und mich als polnisch-sprechenden Deutschen sehr geschätzt haben. Ich kann es jedem nur empfehlen auf Polnisch zu studieren, da es nicht nur die Sprachkompetenz enorm steigert, sondern auch neue Bekanntenkreise aus allen möglichen Städten Polens öffnet. Ich freue mich sehr hier schreiben zu können, dass ich durch meinen Erasmusaufenthalt nicht nur ganz viele offene, hilfsbereite und gastfreundliche Polen kennengelernt habe, sondern auch drei ganz enge Freundschaften schließen konnte, die ebenso einer der Hauptgründe für mein erfolgreiches Semester in Krakau sind. 26 von 30 Leistungspunkten konnte ich mir mehrmals mit der polnischen Note 5 (deutsche Note 1,0) in Potsdam einbringen lassen.
Wohn- und Lebenssituation
Zu Beginn habe ich mich über USOS-Web für ein Zimmer im Studentenwohnheim beworben und konnte nach der Ankunft sofort ein Zimmer beziehen – für wenig Geld. Monatlich waren nur wenige Kosten zu tilgen, allerdings haben sich mir viele Probleme aufgetan. Aus diesem Grund habe ich innerhalb des Wohnheims mehrmals mein Zimmer gewechselt. In Krakau oder allgemein in Polen ist es üblich das Zimmer mit einer weiteren Person zu teilen. Leider habe ich auf Mitbewohner getroffen, die nicht viel Wert auf Ordnung, Sauberkeit und Rücksicht auf die andere Person gelegt haben. Auffällig war, dass ich im Studentenwohnheim (ich lebte in diesem einen Monat) nur eine einzige Polin kennengelernt habe, die mir sagte, dass es Polen bevorzugen in einer Wohngemeinschaft zu leben und man daher kaum auf Polen trifft. Dies bestätigten mir auch meine Freunde aus Krakau und Warschau. Leider muss ich zugeben, dass ich nach einem Monat ebenfalls das Studentenwohnheim verlassen habe. In Krakau kann man sehr viele Zimmer finden, weshalb ich mithilfe von verschiedenen Facebookgruppen nach nur zwei Tagen Suche ein neues Zimmer im Stadtteil Nowy Kleparz beziehen konnte. Gezahlt habe ich für mein sehr großes Zimmer im Ganzen 1000 złotych (ungefähr 250€) pro Monat. Von dort konnte ich in knapp 15-20 Minuten Fußweg den Rynek (Hauptmarkt) und somit die Universität erreichen – mit der Straßenbahn waren es nur fünf Minuten. Nach Kazimierz waren es ungefähr 15 Minuten. In Krakau herrscht ein sehr gutes öffentliches Verkehrsmittelnetz. Am Tag kann man, je nachdem wo man wohnt, alle 3 – 10 Minuten mit der Straßenbahn oder dem Bus fahren. Bei den Nachtbussen ist es natürlich wieder anders. In dieser Wohngemeinschaft – ich lebte zusammen mit zwei Polen – habe ich mich sehr wohlgefühlt. Nach kurzer Zeit konnte ich großes Vertrauen zu meinen Mitbewohnern aufbauen. Ich habe bei ihnen tolle Momente erlebt, weshalb ich meine erste WG-Erfahrungen niemals vergessen werde. Kuba und Wiktor! Ich danke euch von ganzem Herzen für diese Erfahrungen. Die Beiden haben ebenso dazu beigetragen, dass ich mich in Krakau wohlfühlen und meine Sprachkenntnisse verbessern konnte. Wenn ich spät von der Uni nach Hause gekommen bin oder am Schreitisch in Lernstress versunken saß, wartete ein gemeinsames Bier und Abendessen auf mich. Die WG war – neben meinen engsten Freunden aus Krakau - wie eine kleine polnische Familie für mich - die ich wirklich sehr vermisse. Die Lebenshaltungskosten sind teilweise noch ein bisschen geringer, wenn es zum Beispiel um Dienstleistungen, wie ein Friseurbesuch, geht. Die meisten Nahrungsmittel in Polen haben allerdings schon fast deutsches Preisniveau angenommen. Man kann jedoch sehr günstige Bistros oder Restaurants finden. Mein Lieblingsbistro war das „Metrum - Restobistro“ auf den Dachterrassen der Musikakademie (ul. Tomasza 43) nahe des Hauptmarktes. Auf der sechsten Etage erstreckt sich eine wundervolle Aussicht über ganz Krakau, während man ein Drei-Gänge-Menü für 18 złotych (knapp 4,50€) verspeisen kann. Ein Restaurant, was ich ebenfalls öfters besucht habe, war das „Warsztat“, welches sich zwei Mal in Kazimierz befindet, wie zum Beispiel an der Ecke zu den Straßen ul. Bożego Ciała und Miodowa. Dort gibt es riesige Nudelportionen, weshalb Freunde von mir und ich immer „na pół” bestellt haben, also „die Hälfte“. Nicht weit entfernt kann man - meiner Meinung nach - das beste Zapiekanka in Polen essen (Plac Nowy. Dort befinden sich in der Mitte zwei Imbisse, welche „Królowa” heißen). Wer gute polnische Küche essen möchte, der sollte nach Krakau gehen, auf Polnisch studieren (man findet schneller Anschluss), polnische Freunde finden und mit ihnen gemeinsame Kochabende veranstalten. Es gibt natürlich tolle Restaurants, aber nichts geht über einen Abend mit den gutherzigen Polen, polnischer Musik, ein (okay, vielleicht nicht nur ein) polnisches Bier und das selbstzubereitete, traditionelle polnische Gericht.
Studienfach: B.Ed. Polnisch und Geschichte
Aufenthaltsdauer: 02/2018 - 07/2018
Gastuniversität: Uniwersytet Jagielloński
Gastland: Polen
Rückblick
Rückblickend kann ich sagen, dass es trotz Startproblemen eines meiner schönsten Lebensabschnitte war. Ich bin traurig, dass das Semester so schnell zu Ende gegangen ist, da ich wirklich gerne länger in Krakau geblieben wäre. All die Erfahrungen, die ich in Polen gesammelt habe sind Grund dafür, dass ich nun für drei weitere Monate nach Polen reise und die Hoffnung habe, genauso tolle Erfahrungen zu sammeln, wie in meinen letzten vorherigen Monaten. Das Semester hat mich in meinem Studium der Polonistik und Geschichte bestärkt und ich freue mich, dass es von Potsdam bis zur polnischen Grenze nur wenige Kilometer sind. Ich weiß, dass mein Leben ohne unsere polnischen Nachbarn nicht mehr das Selbe wäre. Ich wünsche mir, dass mein Bericht vielleicht bei Manchen (unabhängig vom Studiengang) Interesse an Krakau, unser östliches Nachbarland und an der polnischen Sprache geweckt hat und sich der Ein oder Andere für ein Auslandssemester in Krakau oder einer anderen polnischen Stadt entscheidet. Ich kann es meiner Erfahrung nach nur herzlichst empfehlen.