Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Meine Auswahl für Breslau hat sich aufgrund positiver Erfahrungsberichte über die dortige Uni seitens meiner ERASMUS-Ansprechpartner in Potsdam ergeben. Es wurde mir ausschließlich positives Feedback über die Stadt und die Breslauer Uni zugetragen, so dass ich neben meiner Neugier für Osteuropa diesen Hinweisen gefolgt bin.
Auch wenn sich die anfänglichen, organisatorischen Schritte augenscheinlich sehr verwirrend und aufwendig darstellten, kann man mit sorgfältigem Lesen der Informationen vom International Office alles problemlos, Schritt für Schritt erledigen. Die Info-Veranstaltungen über ERASMUS an der Uni Potsdam haben einen wunderbar geleitet und mir nicht das Gefühl gegeben, allein zu sein.
Die Breslauer Uni hat einen gut strukturierten Internetauftritt und das Bewerbungsportal und die Kommunikation zwecks des Learning Agreements (LA) war unkompliziert. Man merkt, dass die Uni bereits Erfahrung mit ERASMUS-Studierenden hat, was mir sehr viel Sicherheit gab. Auch die ersten Einführungsveranstaltungen vor Ort zwecks organisatorischen Belangen waren gut, um schnell im Alltag Fuß zu fassen.
Auch wenn die zur Verfügung stehenden Kurse, welche im Vorfeld auf der Website ausgeschrieben waren, sich dann vor Ort für uns nochmal veränderten und ich zu Änderungen im LA gezwungen war, gestaltete sich auch dies unproblematisch. Man sollte sich also keine Gedanken machen, wenn sein LA der Änderungen bedarf.
Studium an der Gastuniversität
Die Option sich in jeden Kurs für zwei Termine zu Semesterbeginn reinzusetzen, um Inhalte und Dozenten kennenzulernen, sollte man wahrnehmen, um letztendlich die Kurse wählen zu können, die einem gefallen. Dabei gab es sowohl positive als auch negative Überraschungen, was die Erwartungen an die Vorlesungsqualität angeht. Es gibt für uns zu belegende spezielle ERASMUS-Kurse, deren Niveau, Arbeitsaufwand und Lerneffekt erheblich schwanken. Letztendlich muss man selbst entscheiden, wie viel Zeit man investieren möchte und welche Themen einem liegen. Gerade für Jura waren die Kurse ungewohnt und thematisch nicht in Einklang mit dem klassischen Jura-Studienplan. Dies war für mich eine gute Chance, um statt gewohnten Studienmethoden durch Präsentationen und Essays meine Kompetenzen zu erweitern. Die Kurse waren zweifelsohne mehr verschult und erinnerten mehr an Seminare.
Auch die Prüfungsleistungen variieren stark und sind aber im Endeffekt mit angemessenem Arbeitsaufwand gut zu bestehen. Die Mehrzahl der Dozenten war engagiert uns als Erasmus-Studierende möglichst gut einzubinden und zu motivieren. Dabei sollten wir durchaus fachlichen Stoff mitnehmen. Auch die Anwesenheitspflicht war für mich ungewohnt, da die üblichen deutschen Veranstaltungen an der Uni so etwas nicht mehr verlangen. Das Englischniveau schwankte jedoch auch stark. Somit lag es an einem selbst, sich die Kurse auszuwählen, mit denen man am besten hinsichtlich des Sprachniveaus zurecht kommt. Auch die Einteilung des Stundenplans lässt einem so viel Raum, eine effektivste Zeitnutzung festzulegen, damit Reiseplanung dem Verpassen von Kursen nicht entgegen steht. Die Dozenten waren grundsätzlich hilfsbereit hinsichtlich der Festlegung von Klausurterminen und haben uns stets am Ende mit Materialen für die Examensvorbereitung versorgt.
Ich persönlich habe viel in der Bibliothek gelernt, welche gut gelegen ist (direkt über den Seminarräumen für Jura) und auch für die angebotenen Kurse Literatur bietet. Auch wenn die Öffnungszeiten stark eingeschränkt sind im Vergleich zu deutschen Standards, gewöhnt man sich daran schnell.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Im Allgemeinen habe ich ausschließlich mit meiner ERASMUS-Community Kontakt gehabt. Man lernt schnell durch Veranstaltungen von Erasmus ESN, durch Facebook-Events-Anzeigen oder Mundpropaganda viele Leute kennen, die aus ganz Europa kommen (neben Partys werden auch Trips innerhalb des angrenzenden Länder oder kleine Aktionen wie Lebkuchen-Backen, Internationale Dinner oder Schlittschuhlaufen organisiert). Es verbindet einen das Ziel einer spannenden Auslandserfahrung mit möglichst fremden Nationalitäten und dabei lernt man automatisch die Breslauer Umgebung kennen und lieben.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Englisch ist die gemeinsame Sprachplattform zum Austausch und natürlich schwanken auch hier die Kenntnisse. Doch mit der Zeit gewöhnt man sich an Englisch als Kommunikationsmittel und ich selbst habe sehr profitiert, zwischen Deutsch und Englisch zu wechseln und den Alltag „im Englischen“ zu leben. Man wird flexibler im Sprachumgang, lernt sich spontaner auszudrücken und vor allem Wortbedeutungen zu beschreiben anstatt simpel die Übersetzung zu googlen. Dabei ist es offensichtlich, dass wir alle keine Muttersprachler im Englischen als Vorbilder haben, von denen man korrekt lernen könnte. Aber schon allein das Lernen vom gemeinsamen Austausch ohne Angst vor Fehlern zu haben, stärkte enorm meine Sprachkompetenz und hat mich nach den Monaten in Breslau deutlich sprachsicherer gemacht.
Wohn- und Lebenssituation
Auch die Leute aus der Wohngemeinschaft waren für mich ein große Bereicherung. Ich war letztendlich froh nicht in einem Studentenwohnheim zu wohnen, auch wenn ich einen Platz von der Breslauer Uni problemlos im Vorfeld bekommen hätte. Diese Wahl steht einem also frei und sollte stets individuell nach persönlichen Bedürfnissen getroffen werden. Ich habe über eine Internetseite WG – Angebote gesucht, aber auch auf Facebook sind Inserate angegeben.
Die ERASMUS-Community ist sehr offen und motiviert, so dass man viele lustige Momente und aber auch langfristige Freundschaften daraus mitnehmen kann. Die Verbundenheit ist ein tolles Gefühl und macht den Aufenthalt lebendig und einzigartig.
In der Freizeit haben wir nicht nur Breslau erkundet, sondern auch viel vom Umland gesehen. Fahrten in weitere Oststaaten (Tschechien und Ukraine) oder auch Sightseeing von weiteren polnischen Städten (Posen, Krakau, Zakopane) haben persönlich mein ERASMUS am meisten geprägt. Die Reisekosten sind ebenso wie auch die Lebenshaltungskosten sehr niedrig im Vergleich zu deutschen Verhältnissen. Dadurch wird das Reisen nicht nur erschwinglich sondern macht noch mehr Spaß. In Osteuropa ist schließlich mit dem für uns gewohnten, deutschem Preisniveau ein angenehmes Leben möglich, was ein wenig mehr „Luxus“ erlaubt als in der Heimat. Man kann sich als Studierender mehr kulturelle und kulinarischen Erlebnisse leisten, was einen tollen Lebensstandard bedeutet. Cafés, Pubs und Clubs, als auch Museen, Schwimmbäder, Kinos, Theater oder Bahn & Busfahrten (durch Studententarife 50 % günstiger) sind um einiges erschwinglicher und lassen eine tolle Freizeitgestaltung zu.
Es gibt natürlich auch die Möglichkeit einem Fitnessstudio beizutreten oder kostenfrei Sprachkurse zu belegen. Die hohe Zahl an Studenten hat dafür gesorgt, dass es viel im Nachtleben zu entdecken gibt. Aber auch einem entspannten Café-Nachmittag steht nichts entgegen.
Mit etwas Kreativität und Engagement wird einem in dieser sehr lebendigen und jungen polnischen Stadt nicht langweilig. Auch dient Breslau als super Ausgangspunkt für Reisen in weitere Städte im Umkreis und der Flughafen und der Bahnhof machen das Verreisen leicht.
Studienfach: Rechtswissenschaften
Aufenthaltsdauer: 09/18-02/19
Gastuniversität: University of Wroclaw
Gastland: Polen
Rückblick
Ich persönlich lege jedem interessierten Studierenden Breslau ans Herz, der nach einem Einblick in Osteuropa strebt und dabei auch manche Abstriche hinsichtlich infrastruktureller Ausstattung, Sprachniveau oder kultureller Eigenarten hinnehmen mag.
Ich habe unheimlich viel über Europa gelernt- ein toller Nebeneffekt, der durch die multikulturelle Herkunft der Studierenden begründet ist. Ein Austausch und das Kennenlernen von Clichées aber auch das Entdecken von Unerwartetem war für mich die Hauptessenz meines Aufenthalts. Die lebendige Art der ERASMUS-Community, welche mir so viele Freundschaften und Erinnerungen bescherte, ist eine prägende Zeit gewesen. Ich habe nicht nur mehr darüber verstanden, wo ich herkomme und was mich ausmacht, sondern vor allem was Europa ausmacht. Und das, obwohl ich gar nicht weit von meinem deutschen Zuhause entfernt war!