Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Da ich mich bereits früh für einen Auslandsaufenthalt im Rahmen des Erasmus-Plus-Programms interessierte, nahm ich jedes Jahr an den Informationsveranstaltungen des International Office der Universität Potsdam teil. Eine Bewerbung schickte ich jedoch vorerst nicht ab, da ich mich fragte, wie ich denn mein Lehramtsstudium, welches so eng am brandenburgischen Rahmenlehrplan orientiert ist, mit einem Auslandsaufenthalt und fremden Schulsystemen verbinden könnte. Der anstehende Wechsel in den Master of Education und die noch volle Breite an zu belegenden Modulen boten mir die Möglichkeit, das Projekt Erasmus nochmal intensiver anzugehen – und es stellte sich heraus, dass ein Lehramtsstudium gar nicht so ein großes Hindernis sein muss. Über den Fachbereich Geschichte entschied ich mich letztlich für einen Auslandsaufenthalt in Österreich an der Universität Wien.
Studium an der Gastuniversität
Anders als an der Universität Potsdam mit seinen drei großen Standorten ist die Universität Wien mit einzelnen Gebäuden über die ganze Stadt verteilt. Das kann zu Beginn des Semesters eine ziemliche Herausforderung sein, da man nicht nur nach dem richtigen Raum, sondern auch nach dem korrekten Stadtteil suchen und sich dies Woche für Woche merken muss. In Österreich habe ich ein ähnliches Lehrsystem wie in Deutschland vorgefunden: Materialien für die Seminarvorbereitung wurden über Moodle geteilt, während des Semesters standen einige Präsentationen und kleinere Einreichungen an und die technische Ausstattung der Räume hatte vereinzelt noch Luft nach oben. Ein Kulturschock blieb an der Uni also erstmal aus.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Kontakt zu anderen Studierenden während der universitären Lehrveranstaltungen zu knüpfen, gestaltete sich schwieriger als ich erwartet hatte – schließlich hatte sich mein Freundeskreis in Potsdam vor vier Jahren recht stabil konsolidiert und nun war ich erneut mit der angsteinflößenden Situation konfrontiert, „Freunde finden zu müssen“. Mag es an den noch teilweise herrschenden pandemiebedingten Abstandsregelungen in Seminarräumen oder an wenig gruppenorientierten Methoden in meinen Lehrveranstaltungen gelegen haben, den Großteil meiner Bekanntschaften in Wien machte ich in meinem Wohnumfeld. Auf Empfehlung einer Freundin bewarb ich mich bereits frühzeitig im Wilhelm-Dantine-Haus, einem evangelischen Wohnheim im 18. Bezirk Wiens und kann dies als Geheimtipp an alle wohnungssuchenden Menschen nur weiterempfehlen. Neben einem grund-möblierten Zimmer reduziert die Wohnsituation mit einer geteilten Küche im Stockwerk, einem Barraum für wöchentliche Barabende mit vorheriger Andacht sowie verschiedenen Arbeitsgruppen im Heim (Chor, Fitness-Gruppe, Spielegruppe etc.) Barrieren, als fremde Person schnell in einer neuen Stadt ankommen zu können.
Wohn- und Lebenssituation
Da der Großteil meiner mittlerweile engen Bezugspersonen im Wohnheim aus allen Teilen Österreichs kommt, habe ich definitiv mehr über kulturelle Eigenheiten in Form von Sprachgebrauch oder Ernährungsgewohnheiten gelernt. Habe ich noch zum Abschied von meiner Kirchengemeinde in Potsdam einen Gutschein für ein Stück Kuchen und einen Kaffee im Hotel Sacher erhalten, weiß ich nun, warum kein*e Österreicher*in jemals ein zweites Stück Sachertorte bestellen würde – viel zu süß und liegt einem zu lange im Magen! Empfehlung des Hauses: lieber an Topfenstrudel und Kaiserschmarrn in einem alten Wiener Kaffeehaus halten, wenn es nachmittags ein kleiner süßer Snack sein darf. Das taugt viel mehr als das international bekannte Markenprodukt Sachertorte, von welcher wohl angeblich 300.000 Stück pro Jahr durch das Hotel Sacher verkauft werden. Was macht man aber nun, wenn man auch außerhalb seines Wohnumfeldes nette Menschen, am besten noch aus dem gleichen Studiengang für geteilte Interessen, kennenlernen möchte? Und hier kommt der beliebte Wiener Spritzer ins Spiel – die hippe Version unserer hier eher verpönten Weinschorle. Verschiedene universitäre Interessensgruppen und hierbei auch die Fachschaften bieten im Sommer regelmäßig Spritzerstände vor den größten Universitätsstandorten an. Eine Verabredung vor oder nach einem gemeinsamen Seminar fällt dann gar nicht mehr so schwer, da sich ein Spritzer für die meisten Studierenden schon ab dem Vormittag ausgeht.
Studienfach: Lehramt Geschichte
Aufenthaltsdauer: 03/2022 - 06/2022
Gastuniversität: Universität Wien
Gastland: Österreich
Rückblick
Rückblickend muss ich betonen, wie froh ich über meine Entscheidung war, doch noch einen Auslandsaufenthalt in meine Studienlaufbahn integriert zu haben. Wien wurde aus guten Gründen erst vor wenigen Wochen zur lebenswertesten Stadt Europas gekürt und ich habe diese Stadt und ihre Menschen zu lieben gelernt. Selbst nach vier Monaten Aufenthaltszeit stehen noch so viele kulturelle Orte, Clubs und Restaurants auf meiner Notizliste, die ich hoffentlich bei künftigen Besuchen nach und nach entdecken kann. Das Ende meines Erfahrungsberichtes möchte ich nutzen, um gerade an andere Lehramtsstudierende eine Ermutigung auszusprechen. Nutzt die Möglichkeit, fachdidaktische Seminare an einer anderen Universität in einem fremden Land zu besuchen, um euch darüber klar zu werden, wie Schulstrukturen international unterschiedlich gestaltet sein können.