Vorbereitung des Auslandsaufenthalts
Da es sich bei meinem Auslandssemester in Riga nicht um meinen ersten Erasmusaufenthalt gehandelt hat (wenn auch nicht über die Uni Potsdam), war ich mit dem Bewerbungsprozess bereits etwas vertraut. Der einzige Unterschied war, dass ich mich diesmal institutsfern be-worben habe, da ich eigentlich am Institut für Romanistik studiere, aber Interesse an Riga und Lettland hatte und mich deshalb über das Institut für Jüdische Studien für den Erasmusplatz in Riga bewarb. Die Beratung hier und vom International Office waren sehr hilfreich, sodass ich keine Probleme damit hatte. Nach der Nominierung durch die Uni Potsdam musste ich mich nochmals offiziell bei der Latvijas Universitate bewerben, erfahrungsgemäß handelt es sich dabei aber eigentlich bloß um eine Formalität solange alles pünktlich eingereicht wird, sodass auch hier alles glatt lief.
Nachdem ich auch von der Latvijas Universitate die Bestätigung bekam, konnte ich mich mit der Kurswahl beschäftigen. Dies war teilweise etwas verwirrend, da man seine Kurspräferen-zen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angeben musste obwohl bis dahin das Vorlesungsver-zeichnis für das Semester noch gar nicht richtig feststand. Außerdem soll gesagt sein, dass nicht alle Kurse, die sich online im Course Catalogue finden lassen, auch wirklich regelmäßig angeboten werden. Ich wollte zum Beispiel Lerneinheiten eines aufgeführten Masterstudien-gangs belegen, der aber zu diesem Zeitpunkt schon wieder gestrichen wurde. Ich wählte also vor Antritt des Auslandsaufenthalts einfach Kurse, die ungefähr zu meinem Studiengang pass-ten, mit der Zuversicht, die Wahl zu Beginn des Semesters nochmal ändern zu können (dem war auch so).
Studium an der Gastuniversität und Kontakt zu Studierenden
In Lettland angekommen, wurden zu Beginn des Semesters einige Infoveranstaltungen ange-boten. Ich konnte mir einen Studierendenausweis und ein Monatsticket für die öffentlichen Verkehrsmittel ausstellen sowie die Confirmation of Stay Part I unterschreiben lassen. Die Angestellten im International Office der Latvijas Universitate waren sehr freundlich und kom-petent, auch wenn man manchmal etwas warten musste (was bei der hohen Anfragenfre-quenz aber auch verständlich war). Wie erhofft, konnte ich außerdem meine Kurswahl noch etwas ändern. Die Informationen dazu kamen relativ spät, was mich erst etwas verunsicherte, einige Kurse fingen aber auch nicht direkt in der ersten Vorlesungswoche an, sodass ich trotzdem für alles rechtzeitig die Informationen erhielt. Schlussendlich belegte ich mehrere Anthropologie-Kurse an der Faculty of Social Sciences, einen Literaturkurs an der Faculty of Humanities und einen Lettisch-Sprachkurs.
Insgesamt ist die Lehre an der Uni in Lettland – so wie in vielen anderen europäischen Län-dern – deutlich verschulter als in Deutschland. Ich musste regelmäßig Textzusammenfassun-gen oder ähnliches abgeben oder Zwischenprüfungen absolvieren. Die Masterkurse fanden außerdem vor allem abends statt, weil viele Masterstudierende nebenbei bereits zumindest Teilzeit arbeiten. Das Studienniveau/das Niveau der Kursinhalte lag meiner Meinung nach ein bisschen unter dem in Deutschland bzw. ähnelten meiner Meinung nach eher dem eines Ba-chelorkurses. Dies variierte aber auch je nach Lehrperson und Kursinhalt. Ich empfand es daher als recht einfach, gute Noten zu erhalten, ich kann aber nicht einschätzen, ob das auch für andere Fakultäten gilt. Allgemein war das Studienklima recht freundlich und die Dozieren-den sehr hilfsbereit und sie haben, wie ich fand, auch schneller auf Anfragen reagiert als es Dozierende in Deutschland tun würden. Da die von mir belegten Kurse sowieso Teil des Cur-riculums englischsprachiger Masterkurse an der Uni waren, gab es einen angenehmen Aus-tausch zwischen Internationals und Locals, der sich aber trotzdem weitestgehend auf die Lerneinheiten beschränkte. Von anderen Erasmus-Studis habe ich aber gehört, dass ihre eng-lischsprachigen Kurse extra für Internationals angeboten wurden und der Kontakt mit letti-schen Studierenden daher eher gering war. Die technische Ausstattung ähnelte vom Stand her der am Campus Neues Palais, für meine größtenteils diskussionsbasierten Seminare war das ausreichend. Was ich etwas vermisst habe, waren Bibliotheken mit angenehmer Lernat-mosphäre. Auch wenn jedes Institut zumindest eine kleine Bibliothek besaß, bin ich zum Ler-nen trotzdem lieber in ein Café gefahren oder ab und zu in die neue große Hauptbibliothek. Was es außerdem nicht wirklich gibt, sind Mensas. Die Institute haben meist bloß einen klei-nen Aufenthaltsraum mit einem Snack- und Kaffeeautomaten sowie einer Mikrowelle, in der man selbstmitgebrachtes Essen aufwärmen kann.
Wohn- und Lebenssituation
Mit der Suche nach einer Unterkunft habe ich ungefähr zwei bis drei Monate vor Aufenthalts-beginn angefangen. Ich habe eigentlich ausschließlich in verschiedenen Facebook-Gruppen nach Wohnanzeigen geguckt und darüber auch zwei andere Deutsche gefunden, mit denen ich dann zusammen nach einer Wohnung geschaut habe. Generell hat man als Erasmus-Studi nicht so einen guten Zugriff auf den lokalen Wohnungsmarkt, sodass man vor allem über Agenturen an Zimmer kommt und auch einen guten Aufpreis zahlt. Wie immer sollte man mit Vorsicht unterwegs sein, damit man nicht auf irgendwelche Betrugsmaschen reinfällt. Wir ha-ben schlussendlich zu dritt eine Wohnung über FlatShare Riga gemietet und insgesamt 1400€ für eine möblierte Drei-Zimmerwohnung mit großer Wohnküche im Zentrum inklusive monatli-cher Reinigung bezahlt. Das liegt deutlich über dem, was Locals für Wohnraum zahlen, war aber vergleichbar mit den Ausgaben anderer Erasmus-Studis. Von meinen Freunden vor Ort haben eigentlich alle 400-500€ für ihr Zimmer ausgegeben. Auch was andere Kosten anging, ist Lettland nicht so günstig, wie man vielleicht erwarten würde. Lebensmittelpreise entspre-chen etwa denen in Deutschland und auch für einen Kaffee im Café zahlte man meist ca. 4€. Alkohol- und Clubeintrittspreise sind ebenfalls mit deutschen vergleichbar. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind dafür relativ günstig, eine Monatskarte für Bus und Straßenbahn kostete für Studis 12€. Generell kann man aber sehr viel auch einfach zu Fuß erreichen.
Zum Leute kennenlernen vor Ort, würde ich empfehlen, zumindest ein paar Veranstaltungen von ESN für Internationals zu besuchen. Andere Erasmus-Studis sind einfach mehr auf der Suche nach neuen Freundschaften als die lokalen Studierenden. Mein sozialer Kreis bestand daher eigentlich fast exklusiv aus anderen Erasmus-Studis, was irgendwie schade, aber auch erwartbar war, wenn ich bedenke, wie wenig Kontakt ich Zuhause zu Erasmus-Studierenden in Potsdam habe. Dennoch konnte man in den richtigen Bars gut mit Locals ins Gespräch kommen und so etwas mehr über die Stimmung im Land erfahren.
Studienfach: M.A. Angewandte Kulturwissenschaft und Kultursemiotik
Aufenthaltsdauer: 08/2024 - 01/2025
Gastuniversität: Latvijas Universitate (LU)
Gastland: Lettland
Rückblick
Ich würde ein Erasmus in Riga definitiv empfehlen. Ich finde die Stadt sehr gemütlich und de-finitiv anders als typische Erasmus-Städte in Südeuropa. Allerdings muss man die Dunkelheit in Nordeuropa, die sich spätestens Ende Oktober einschleicht, auch abkönnen. Für mich war der Hauptmotivationsgrund für das Erasmus-Semester, neue Menschen und eine neue Stadt kennenzulernen und diese Erwartungen wurden auch zufriedenstellend erfüllt. Allerdings muss ich auch sagen, dass mir ein Semester absolut gereicht hat, denn so kuschelig die Stadt auch ist, hat man in sechs Monaten eigentlich auch alles erkundet, was es so zu sehen gibt und das akademische Angebot verlockte mich auch nicht zu einem längeren Aufenthalt. Meine Highlights waren neben den Menschen, die ich kennengelernt habe, die vielen Cafés und Se-cond-Hand-Läden zu erkunden (die Humanas in Riga haben regelmäßig super Angebote) und Veranstaltungen wie das Riga Film Festival oder die Riga Fashion Week zu besuchen. Aus-flüge in die Hauptstädte der benachbarten baltischen Staaten oder auch nach Helsinki sind ebenfalls zu empfehlen.