Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Es war schon immer ein Traum von mir, nach Kanada zu gehen und dort ein Auslandssemester zu verbringen. Das Land lockte mich vor allem aufgrund seiner Offenheit gegenüber verschiedensten Kulturen an, die ich unbedingt kennenlernen wollte als zukünftige Lehrkraft, die jedem Menschen mit Offenheit und Respekt begegnen möchte. Ein großes Anliegen von mir war es auch, mit indigenen Menschen in Kontakt zu kommen, da man dazu in Europa schwer die Möglichkeit bekommt. Ich war glücklich, dass ich nach aufwendiger Vorbereitung aller Unterlagen und dem Beweisen vor der Auswahlkommission nominiert wurde und die Möglichkeit bekam, das Herbstsemester 2022 an der Memorial University of Newfoundland zu studieren.
Studium an der Gastuniversität
Ich belegte drei Kurse und besuchte einen Kurs als Gastzuhörer. Für mich waren drei Kurse das richtige Pensum und auch ordentlich anstrengend, aber machbar. Das Arbeitspensum darf man in Kanada echt nicht unterschätzen, da dort das Semester und die Kurse anders strukturiert sind. Statt vielen Kursen und je einer großen Prüfung pro Kurs am Ende des Semesters, wie es bei meinem Studiengang an der UP der Fall ist, belegt man in Kanada eher 3-5 Kurse und erbringt sehr viele (und nicht unbedingt kleinere!) Leistungen während des Semesters. Und jeder Kurs findet 2–3-mal pro Woche statt. Bei einem meiner Kurse gab es wöchentliche Quizze, zwei Essays, eine Midterm- und eine finale Prüfung, bei einem anderen Kurs 2 mündliche Prüfungen, 3 Tests und eine finale schriftliche und mündliche Prüfung. 3 Kurse an der MUN entsprachen etwa 7-8 3LP-Kurse an der UP. Ich suchte mir extra Kurse aus, die ich an der UP nicht belegen hätte können. Zwei davon waren Kurse zu indigener Kultur und Sprache (Intro to Inuttitut und Indigenous History).
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Ich hatte einen sehr gemischten Freundes- und Bekanntenkreis, der sowohl aus vielen kanadischen als auch anderen internationalen Studierenden bestand. Für mich war es jedoch von Anfang an wichtig, mich mit kanadischen Menschen anzufreunden, um deren Kultur kennenzulernen und mein Englisch zu verbessern. Ich kann es sehr empfehlen, schon vor dem Aufenthalt und vor Studienbeginn Leute vor Ort kennenzulernen, etwa über Facebook-Gruppen der Universität (in Kanada/ Neufundland benutzen die meisten Facebook), z.B. „MUN International Students“ oder Kursgruppen, oder auch über lokale Vereine. Das half mir selbst sehr dabei, mich vor Ort zu orientieren und nicht sofort Heimweh zu empfinden. Die zwei Menschen, die ich damals so kennenlernte und mit denen ich in meiner ersten Woche, in der die Uni noch nicht begann, Zeit verbrachte und die Stadt zusammen erkundete, wurden meine zwei engsten Freunde während meines Aufenthaltes und sind es auch heute noch. Auch so, finde ich, lernt man in St. John’s und an der Uni sehr schnell und einfach neue Leute kennen, was an der Mentalität und Offenheit vieler Kanadier und insbesondere Neufundländer liegt, die einen gerne einfach ansprechen – Ansteckgefahr. Ich lernte vor allem in den Welcome Weeks, die sich über ganze drei Wochen erstreckten, sehr viele Leute kennen, da dort an jedem Tag sehr viele Events in der Uni stattfanden. Auch das Internationalization Office veranstaltete mehrere Ausflüge und Veranstaltungen, bei denen ich andere Exchange Students kennenlernte. Ich kann es sehr empfehlen, so viele Angebote wie möglich zu nutzen, von Clubs und Societies an der Uni, dem Internationalization Office, oder den Wohnheimen. Auch im Gym, was man kostenlos besuchen kann, kann man bei Sportangeboten (z.B. Kursen, Workouts oder Volleyball/Badminton) Leute kennenlernen.
Beratung und Unterstützung
Als behinderte Person mit ADHS war es für mich sehr wichtig, Unterstützung zu kriegen, was gut lief. Ich bekam eine Peer Mentorin, die selbst auch ADHS hatte und mir hilfreiche Tipps gab, und besuchte das „Blundon Centre“ (die Anlaufstelle, wenn man Unterstützung bei Behinderungen oder anderen Einschränkungen braucht), welches mit mir zusammen einen Nachteilsausgleich erstellte. Auch meine Dozent*innen zeigten Verständnis und Offenheit und halfen mir, die Leistungen zu erbringen. In Kanada hatten alle Exchange Students eine Koordinatorin, Kathryn, über die ich mich nicht beschweren kann. Sie war immer erreichbar und half mir bei vielen Problemen und organisierte viele Events für uns. Alle anderen Anlaufstellen bei administrativen Problemen waren sehr frustrierend. Ich hatte mehrere Probleme, die Ewigkeiten brauchten, bis sie gelöst wurden – angefangen mit meinem MUN-Account, der nicht funktionierte vor Antritt des Aufenthalts und trotz vieler vieler Nachfragen von mir bei vielen Anlaufstellen erst nach einem Monat repariert wurde, was sehr stressig war, da ich mich so erst kurz vor Bewerbungsende bei den Studentenwohnheimen anmelden konnte. Dann gab es noch das Problem mit meinem Meal Plan, den ich nach zwei Tagen cancelte und wo es einen ganzen Monat dauerte, bis ich das Geld (was ich für 3 Monate im Voraus zahlen musste, insgesamt 2000 $CAN) wieder bekam. Und auch das Blundon Centre bereitete mir Probleme.
Wohn- und Lebenssituation
Neufundland/ Kanada empfand ich als sehr teuer im Vergleich zu Deutschland. Essen war für mich eine Herausforderung, besonders als Vegetarier. Ich versuchte es erst mit dem Meal Plan (ein Mensa-Abo, womit man Frühstück, Mittag- und Abendbrot an bis zu sieben Tagen die Woche einnehmen kann – in Buffet-Form). Diesen behielt ich allerdings nur für zwei Tage, da es in der Mensa vorrangig nur Fast Food und kaum vegetarische Optionen gab, was es mir für den hohen Preis nicht wert war (ich glaube, er kostet um die 700 $CAN pro Monat, was man nie für Essen sonst ausgibt). Ich konnte mit meiner Unterkunft in Burton Ponds den Meal Plan freiwillig nehmen, da es in den Apartments Küchen gab; bei allen anderen Wohnheimen (Paton’s College, Macpherson College) ist der Meal Plan verpflichtend! Ich kenne allerdings auch Leute, die ihren Meal Plan die ganze Zeit behielten und damit zufrieden waren. Ich versuchte erst, statt in der Mensa in den Imbissen der Uni zu essen, die allerdings alle Fastfood-Ketten waren, und stieg dann schnell auf Kochen um, was auch schwierig war, denn gesunde Lebensmittel waren teuer und die Qualität von Gemüse und Obst war schlecht, und Vegetarisches gab es kaum. Es gibt auch insgesamt viel mehr Fast Food-Restaurants als Supermärkte. Ich musste zu den Supermärkten immer mit den Bussen fahren, die die einzigen (und leider keinesfalls verlässlichen) öffentlichen Verkehrsmittel in St. John’s und auf ganz Neufundland sind. Man lernt in der Zeit, viel zu laufen. Autos kann man ab 21 mieten (U-Hauls wohl schon ab 18, was mir manche als Tipp auf den Weg gaben), wofür ich zu jung war. Viele Exchange Students mieteten Autos und erkundeten damit die Insel. Gut ist es, wenn man Freunde hat, die ein Auto haben und einem Orte auf Neufundland zeigen. Also auf Neufundland außerhalb von St. John’s zu reisen ist schon schwer, sich in Kanada andere Orte anzugucken, noch schwieriger, da Flüge sehr teuer sind. Ich war an St. John’s gebunden, hatte dort allerdings auch eine schöne Zeit, da es dort viele wunderschöne Wanderwege mit Ausblick auf den Atlantik gab, die mit Bus oder zu Fuß zu erreichen sind (meine Favoriten waren der Sugarloaf Path bei Quidi Vidi und der Ladies Lookout Trail zu Signal Hill) und es sehr viele Veranstaltungen in St. John’s und auf dem Campus gibt.
Studienfach: Lehramt Englisch und Deutsch
Aufenthaltsdauer: 08/2022 - 12/2022
Gastuniversität: Memorial University of Newfoundland
Gastland:Kanada
Rückblick
Am meisten haben mich die Menschen und ihre Lebenseinstellung in Kanada begeistert, weniger das Essen und der öffentliche Verkehr. Ich bin vor allem sehr dankbar dafür, viele indigene Menschen in St. John’s getroffen zu haben und mich mit ihnen ausgetauscht zu haben. Ich habe viel von ihnen über ihre Kultur gelernt und habe nun neue Perspektiven auf (Post)Kolonialismus. Viele ihrer Geschichten haben mich sehr berührt und geprägt. Ich werde auch die Diversität in der Gesellschaft vermissen. Es ist so leicht, Menschen aus den verschiedensten Kulturen und Ländern zu begegnen. Ich bin sehr dankbar dafür, die Möglichkeit bekommen zu haben, nach St. John’s an die MUN zu gehen und kann es sehr empfehlen. Das Studium und das Leben dort waren sehr schön und eine tolle Erfahrung.
Abschließende Tipps:
10er-Buskarten für $22,50 kaufen – aufladbar online, in der Uni und in der Mall
Leute ansprechen und offen gegenüber Angesprochen-Werden sein
alles, was man braucht, im Thrift Store (Second Hand-Laden) kaufen und am Ende des Aufenthalts wieder zurückbringen
Durch Apps oder Facebook-Gruppen Leute kennenlernen – auch vorab – aber bitte vorsichtig sein!
ein eTA reicht vollkommen aus, wenn man nur für ein Semester bzw. weniger als 6 Monate bleibt; man braucht kein Visum/ Study Permit; zum Arbeiten hat man eh nicht wirklich Zeit bei dem Workload im Studium
wenn es geht, eher selbst kochen statt Meal Plan
die Bibliothek hat bis 2 Uhr nachts geöffnet