Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Meine Entscheidung, doch noch ein Auslandssemester zu absolvieren, war relativ spontan, so habe ich mich nicht auf unterschiedliche Länder beworben, sondern den einzigen Restplatz genommen, der noch vorhanden war. Zufälligerweise war der in Turin, was für mein Zweitfach Italienische Philologie perfekt gepasst hat, auch wenn ich über das Institut meines Erstfachs Kulturwissenschaft ins Ausland gegangen bin. Die Bewerbung an der Uni Potsdam lief problemlos ab, jedoch ließ die Universität in Turin ziemlich lange auf eine Antwort warten, so konnte ich erst Ende Juli mit meinem Bewerbungsverfahren an der Uni in Turin fortfahren. Die Kommunikation seitens der Austauschuni war relativ schlecht, da technische Probleme mit dem Bewerbungsformular zum Beispiel nicht kommuniziert wurden und so der Eindruck entstand, dass das Problem auf meiner Seite läge und ich einen Schritt nicht richtig abgeschlossen hätte. Der Kontakt zu der Austauschskoordinatorin in Italien lief dahingegen problemlos und schnell ab.
Studium an der Gastuniversität
Das Universitässystem ist im Vergleich zu dem deutschen sehr unterschiedlich. Statt einer Mischung aus interaktiven Seminaren und Vorlesungen konnte ich nur zwischen frontalen Vorlesungen wählen. Die Vorlesungen haben oft keine Teilnehmendenbegrenzung, sodass man sich auch noch kurzfristig über MyUnito in die Kurse einschreiben kann. Die meisten Vorlesungen finden zudem nicht in einem wöchentlichen Takt statt, sondern stattdessen zwei- bis dreimal die Woche für 1 ½ oder auch 3 Stunden. Dadurch sind sie jedoch auch mit einer höheren Anzahl an Leistungsspunkten versehen. Dadurch wird der relative kurze Vorlesungszeitraum (bei von Anfang Oktober bis Anfang Dezember) relativiert. Der Rest des Semesters, also Januar und Februar, ist die Vorbereitungszeit für die Prüfung. Der Kurs, den ich belegt habe (Antropologia Culturale), fand immer donnerstags und freitags für jeweils drei Stunden statt, jedoch wurde er auch mit der Anzahl von 9 Credits bewertet. Die Bewertung erfolgte alleine bei einer mündlichen Prüfung, was für mich eine sehr befremdliche Situation war, vor der ich mir im Vorfeld viele Sorgen gemacht habe, da die Prüfungen immer öffentlich sind und die restlichen Geprüften mit im selben Raum sitzen und zuhören können. Ein Vorteil an dem Prüfunssystem ist jedoch, dass man sich den Prüfungstermin aussuchen kann. Das heißt, es werden verschiedene Daten publiziert, die sich über das gesamte akademische Jahr verteilen. Man könnte also die Prüfung auch erst im April oder Juni machen statt im Januar. Es gibt in ganz Turin viele Lernräume oder Bibliotheken, die sowohl von der Uni sind oder aber von EDISU Piemonte. Mein Campus (Palazzo Nuovo und Aldo Moro) war im Zentrum, was extrem praktisch war, weil er sehr gut angebunden ist und man von dort überall einfach hinkommt. Die Lernräume (Aula Studio) an dem Campus sind leider nicht ganz so groß, sodass ich oft nachmittags keinen Platz mehr bekommen habe. Eine Alternative und einer meiner Lieblingsplätze in Turin ist die Murazzi Student Zone direkt am Po, in der es zwar immer etwas lauter ist, jedoch eine Bar mit integriert ist, was die Lernmoral oben hält. Die technische Ausstattung ist in den meisten Lernräumen eher schlechter, sodass es nicht immer ausreichend Steckdosen gibt, was teilweise sehr nervig war.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt zu den einheimischen italienischen Studierenden war kaum vorhanden, da sie hauptsächlich unter sich bleiben und auch oft nicht gut Englisch sprechen. Ich habe die meisten Studierenden über meine Buddy-Gruppe kennengelernt. Das Buddy-System läuft sehr gut in Turin, so wird man automatisch einer Gruppe hinzugefügt, in der Studierende mit circa denselben Schwerpunkten sind. Des Weiteren bietet auch ESN eine ganz gute Möglichkeit, andere Studies kennenzulernen. Ich habe da neben weiteren Erasmus-Absolvierenden auch viele internationale Studierende kennengelernt, die permanent in Turin leben.
Wohn- und Lebenssituation
Ich hatte das Glück, direkt über die ESN Gruppe des vorherigen Semesters ein Zimmer gefunden zu haben, welches ich auch nicht teilen musste. So blieb mir die ganze Suche über Idealista oder HousingAnywhere erspart, worüber ich sehr glücklich war, da ich den Wohnungssuchstress von vielen anderen Studies miterlebt habe. Um den Stress zu vermeiden würde ich empfehlen, sich schon zwei Monate vorher um ein Zimmer oder ein Studierendenwohneimplatz (z.B. Collegio) zu kümmern. Das monatliche Ticket der GTT muss man sich privat besorgen und ist anders als in Potsdam nicht mit im Semesterticket drin, kostet aber auch nur 30 Euro für unter 27-Jährige. Die Öffis (Bus und Tram) sind allerdings eine Katastrophe, weil man sich nicht auf sie verlassen kann, woran man sich definitiv gewöhnen muss. Es gibt keine regulären Fahrzeiten und keine Angaben an Haltestellen, wann die nächste Verbindung kommt, daher habe ich mich die meiste Zeit sowohl mit Google Maps und dem GTT Chanel auf Telegram bewegt. Es gibt auch leider unter der Woche keine richtige Nachtverbindung. Die letzte Verbindung kommt meistens gegen 1 Uhr nachts, weswegen ich auch oft nach Hause gelaufen bin, was weniger zwielichtig ist, als mir ständig eingebläut wurde. Dennoch gibt es trotzdem Ecken, in denen man nachts nicht unbedingt alleine langlaufen sollte. In Turin kann man an sich recht erschwinglich leben, wenn man die richtigen Adressen kennt. So gibt es in jedem Viertel mindestens einen Markt, wo man Lebensmittel für sehr wenig Geld bekommt. Auch viele Freizeitangebote kosten eher wenig. Kino kostet zum Beispiel meistens nur 4-6 Euro und wenn man sich einmal die ARCI-Karte geholt hat (12 Euro), kommt man in viele „Soziale Zentren“ (centro sociale) kostenlos rein, wie zum Beispiel das Askatasuna oder das Magazzino, die jedes Wochenende Partys organisieren.
Studienfach: Kulturwissenschaft und italienische Philologie
Aufenthaltsdauer: 09/2022 – 01/2023
Gastuniversität: Università degli Studi di Torino
Gastland: Italien
Rückblick
Ich habe meine Zeit in Turin sehr genossen und mir hat die Stadt gut gefallen. Sie ist sehr vielfältig und bietet unfassbar viele Möglichkeiten für junge Leute. Die Turiner*innen leben eine Draußenkultur, was im Winter oft sehr frisch wurde, besonders abends, im Herbst jedoch für eine enorme Lebensqualität gesorgt hat.