Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei meinem Auslandsaufenthalt in Turin um einen obligatorischen Bestandteil meines Masters „Internationale angewandte Kultururwissenschaft und Kultursemiotik“ handelt, war mir bereits zu Studienbeginn bewusst, dass ich ein Semester an der Partneruniversität „Università degli studi di Torino“ verbringen würde. Im Rahmen von persönlichen Gesprächen mit dem ehemaligen Studienverantwortlichen Julius Erdmann und den Informationsveranstaltung des International Office konnte ich mich frühzeitig um alle nötigen bürokratischen Vorkehrungen kümmern. Die Kommunikation mit den Dozent*Innen an meiner deutschen sowie an meiner italienischen Hochschule lief problemlos und schnell. Lediglich die Wohnungssuche in Italien bereitete mir große Schwierigkeiten. Ich suchte, wie mir empfohlen wurde, in diversen Gruppen in sozialen Medien und schrieb auf diese Weise rund siebzig Wohngemeinschaften in Turin an, welche mir ausschließlich absagten, mit der Begründung, dass ich mindestens ein Jahr in der Wohnung bleiben musste. Später verstand ich, dass es steuerliche Vorteile für Vermieter*innen gab, welche Wohnungen an Student*Innen mit besonderen Verträgen vermieteten, welche eine Mindestdauer von einem Jahr aufweisen.
Studium an der Gastuniversität
Meiner Meinung nach ist es sehr empfehlenswert, einige Tage und Wochen vor Beginn des Semesters anzukommen, um sich wenigstens ein wenig einzuleben, bevor der stressige Unialltag losgeht. Für mich war es jedenfalls ein großer Vorteil, ein erstes Gefühl für die Stadt zu haben, um mich in der aufregenden ersten Zeit an der neuen Universität gut darauf einlassen zu können. Man sollte nicht unterschätzen, dass sich das Studiensystem in Italien doch in einigen Punkten erheblich von dem deutschen Unterscheidet. Die Kurse gehen nicht, wie in Deutschland üblich, ein Semester im meist wöchentlichen Rhythmus, sondern teilweise mehrmals wöchentlich über ein paar Wochen. Der bereits beschriebene deutsche Rhythmus kommt hingegen nur sehr selten vor. Somit arbeitet man einige Wochen intensiver an einem Seminar. Häufig gibt es die Möglichkeit, die Kurse nicht zu besuchen und lediglich die Prüfung am Ende des Semesters abzulegen, was allerdings mit sich bringt, dass man sich selber noch besser vorbereiten muss und in den mündlichen Prüfungen intensiver befragt wird. Die Seminare sind sehr frontal, was bedeutet, dass es nur wenige Interventionen von Seiten der Studierenden gibt. Die Dozent*innen sind wenig interessiert an den Interventionen der Studierenden, lediglich Referate stellten in seltenen Fällen eine Ausnahme dar. Die Prüfungen waren häufig in mündlicher Form, was mich als Nichtmuttersprachler natürlich sehr nervös machte. Auch das Augenmerk auf das Auswendiglernen von einzelnen Details und nicht, wie im geisteswissenschaftlichen Kontext in Deutschland gewohnt, das Einprägen und Verstehen von Zusammenhängen und Kontexten, waren zunächst sehr ungewohnt. Es ist wichtig, schon zu Beginn des Semesters mit dem Lernen des Stoffes zu beginnen, um nicht schon früh gestresst zu sein. Ich habe fünf Kurse belegt, von denen zwei Prüfungen aus regelmäßigen Abgaben und Referaten im Seminar bestanden, drei jedoch waren mündlich. Für diese drei mündlichen Prüfungen musste ich fünf Bücher und einige Essays lesen und inhaltlich wiedergeben können. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass es sich für mich um eine Fremdsprache handelt, war das eine große Herausforderung.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Mir fiel es nicht sonderlich schwer Kontakt zu einheimischen oder ausländischen Studierenden aufzubauen. Ein großer Vorteil war natürlich, dass ich bereits mit zwei Freund*innen und weiteren Kommilitonin*innen aus meiner Heimatuniversität im Ausland war. So hatte ich bereits ein gutes Umfeld, als ich in Turin ankam. Wichtig war es mir jedoch auch, meine sprachlichen Kompetenzen in Italien zu verbessern. Schnell lernten wir auch italienische Freund*innen kennen, deren Anwesenheit dazu führte, dass wir bei unseren Treffen italienisch sprachen. Durch Turins überschaubare Größe trifft man sich häufig in der Stadt wieder oder verabredet sich auf einen Aperitif oder zum Essen. Ich bin froh über die Freunde und Bekanntschaften, die ich in Turin schließen konnte.
Wohn- und Lebenssituation
Wie bereits erwähnt, war es als ausländischer Student nicht besonders einfach eine Wohnung in Turin zu finden. Ich wohnte in San Donato, einem netten Arbeiter*innenviertel in der Nähe des Zentrums und unweit meiner Freund*innen. Ich wohnte in einer Wohngemeinschaft mit einem Mitbewohner. Meine Wohnung war sehr groß und bequem. Lediglich der Weg zur Uni war etwas weit. Ich bevorzugte es trotzdem zu Fuß zu gehen, da es mir die Möglichkeit gab, die schöne Architektur der Stadt kennenzulernen. Seltsam fand ich es lediglich, dass die Wohnungen in Italien scheinbar häufig möbliert vermietet werden, was für mich, als ausländischen Studierenden jedoch natürlich von Vorteil war. Der öffentliche Personennahverkehr in Turin funktioniert gut und besteht aus einer U-Bahnlinie und einem dichten Netz aus Straßenbahnen und Bussen. Da es sich jedoch um eine vergleichsweise kleine Stadt handelt, bevorzugte ich es meist, zu Fuß zu laufen. In Turin und Piemont gibt es viel Sehenswertes, wie beispielsweise das nahegelegene Städtchen Ivrea mit seiner spannenden Architektur, die Venaria Reale, das Castello di Rivoli, welches das älteste Museum für zeitgenössische Kunst in Italien darstellt, und viele andere sehenswerte Orte. Dadurch steht Turin anderen europäischen Großstädten in nichts nach. Die beeindruckende moderne und barocke Architektur, Turins Geschichte als italienische Industriestadt und die offene Freundlichkeit der Menschen in der Stadt machen meinen vergangenen Aufenthalt zu einem wichtigen und besonderen Erlebnis.
Studienfach: Internationale angewandte Kulturwissenschaft und Kultursemiotik
Aufenthaltsdauer: 09 /2019 – 02 /2020
Gastuniversität: Università degli studi di Torino
Gastland: Italien
Rückblick
Ich bin sehr froh, dass ich mich dazu entschied, ein weiteres Auslandssemester zu absolvieren und auch wenn ich zu Beginn etwas skeptisch war, bin ich doch sehr froh, dass ich die Möglichkeit hatte, in Turin viel über mich, Italien, die italienische Sprache und Kultur kennenzulernen. Meine Sprachfähigkeit hat sich deutlich verbessert und ich bin viel ungehemmter beim spontanen Sprechen des Italienischen. Ich habe zahlreiche, wichtige Erfahrungen machen können und viele interessante Menschen kennenlernen dürfen. Auch wenn ich das universitäre System in Italien an machen Stellen unverständlich und ein wenig unakademisch fand, konnte ich viel lernen und hatte die Chance, spannende Kurse nach meinem Interesse zu belegen. So lernte ich eine Menge über Fotografiegeschichte, feministische Geschichte, Literaturphilosophie und vieles mehr. Ich bin sehr froh, dass ich dieses Auslandssemester nutzen konnte, um mehr über mich und die Welt zu erfahren.