Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt
Als ich im Oktober 2022 meinen Master in War and Conflict Studies an der Universität
Potsdam begann, wurde seitens der Universität Potsdam für ein Auslandsstudium geworben.
Da quasi für die Hälfte des parallel und gemeinsam gestarteten Studienganges in International War Studies ohnehin ein längerer Auslandsaufenthalt in Dublin vorgesehen war und ich selbst noch unter Eindruck eines einjährigen Working Holiday – Stay in Kanada stand, konnte ich mich recht schnell für einen weiteren Auslandsaufenthalt begeistern. Wann hat man schon noch einmal die Chance für ein halbes Jahr in Italien zu leben und die dortigen universitären Strukturen kennenzulernen und dafür auch noch gefördert zu werden? Im Bachelor hatte ich die Möglichkeit eines Erasmusaufenthaltes aufgrund der gängigen Vorurteile eher abgelehnt. Meine Perspektive hatte sich jedoch nun verändert. Eine große Italienaffinität besaß ich schon lang und die Destination deshalb also klar. Ich bewarb mich für mehrere Orte in Italien, u.a. Cagliari, Bologna und Pisa. Und erhielt relativ schnell Zusage zu meinem Erstwunsch Cagliari. Die Koordinatoren waren stets einfach zu erreichen und kooperativ. Als Masterstudent ist wohl auch die Konkurrenz um Plätze insgesamt kleiner. Im Rahmen der Bewerbung musste ich angeben, welche Kurse ich dort besuchen wollte und kann, mit eher rudimentären Italienisch-Sprachkenntnissen. Hierfür recherchierte ich auf der Seite UNICA, nach englischsprachigen Kursen. Zu bisherigen Studienleistungen in Potsdam wurde wenig erfragt. Sicherlich ist es aber sinnvoll fachnahe Module besuchen zu wollen. Im Sommersemester 2023 besuchte ich dann einen Italienischkurs an der Uni Potsdam in Babelsberg, wobei mir ein klarer Fokus zum Erlernen einer neuen Sprache neben Vollzeitstudium und Teilzeitarbeit nicht immer einfach viel, sodass ich es bei einem A1 – Kurs beließ.
Studium an der Gastuniversität
Ich erreichte Cagliari „erst“ Ende Februar und hatte somit die Einführungswoche und Erklärtag verpasst, aber selbst ist der Mann und so wurde die Stadt erkundet und der richtige Studienort gefunden. Vor Ort gibt es mehrere Campus, je nach Fachrichtung - meiner war Campus Aresu - in der Nähe des zentralen Platzes der Innenstadt, Piazza Yenne. Vor Ort fragte ich meinen Weg durch, mit einem Mix aus Englisch und gebrochenem Italienisch. Bald fand ich die richtige Adresse des Erasmus-Büros. Vor Ort wird man jedoch dezent zurückgeschraubt und lernte erst einmal kennen, was italienische Gelassenheit und Bürokratie heißt. Die Koordination und Organisation erschienen einem verhältnismäßig chaotisch und die Zuteilung zu Sprachkursen war bis zum letzten Moment unklar. Viele der englischsprachigen Kurse fanden dann zeitgleich statt, sodass auch eine potentielle Auswahl für Studienteilnehmer geringer ausfiel. Sobald der Universitätsalltag jedoch lief, fand der Unterricht auch sehr stringent statt. Aus deutscher Perspektive erscheint einem das System vergleichsweise verschult. Obwohl es keine Anwesenheitspflicht gibt, wird die Anteilnahme am Kurs bewertet, die Seminare waren sehr interaktiv und geprägt durch eine offene Diskussionskultur. Ich besuchte tatsächlich Kurse mit Substanz und genialen Dozenten, denen ich viel abnehmen konnte, Kurse: Contemporary China, Contemporary Mediterrenean Sea und Economics of Globalization. Der Sprachkurs fand drei Mal in der Woche zu den Abendstunden statt. Auch dort war die Lehrerin sehr nett und zuvorkommend, aber die Sprachkurse hätten ruhig noch etwas tiefer gehen und länger andauern können. Der Universitätsalltag endete bereits Mitte Mai, was einen enormen Freilauf zu den frühesten Prüfungsterminen Ende Juni oder Juli gab. Insgesamt ist das Verhältnis zu den universitären Mitarbeitern, Professoren und Dozenten sehr warmherzig, freundlich und familiär. Sarden bzw. Italiener traf ich bis auf einen Pflichtkurs ‚Economics of Globalization‘ insgesamt leider eher weniger an. Im digitalen Bereich scheinen uns die Italiener, nicht nur in Frage der Kommunikation um Meilen voraus.
Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden
Wie bereits betont, beschränkte sich der Kontakt zu Italienern/ Sarden im Studium auf einen Kurs. Erasmusstudenten traf man zu Hauf, aber da ich selbst bereits zum „älteren Eisen“ unter ihnen gehörte, setzte ich eher meine eigenen Schwerpunkte während des Semesters und zelebrierte wenig mit ihnen. Ich traf Einheimische eher im lokalen Sportverein und beim Ausgehen.
Sprachkenntnisse
Offiziell veränderte sich mein Status nicht weit, nämlich von A1 zu A1. Inoffiziell konnte ich am Ende des Semesters regelmäßig Konversationen folgen, gerade Lese- und Hörverständnis verbesserten sich stark, wobei der Schritt zum eigenen Sprechen noch ein anderer ist, aber auch dort machte ich Fortschritte.
Wohn- und Lebenssituation
In typisch „deutscher“ Manier wollte ich auf Nummer sichergehen und bereits eine Unterkunft mit Vertrag vor dem Auslandsaufenthalt haben und wählte deshalb eine „StanzaSemplice“-Unterkunft. Einen Vertrag unterzeichnete ich also bevor ich die Unterkunft mit eigenen Augen gesehen hatte. Das würde ich retrospektiv nicht unbedingt empfehlen. Während es mir eine Sicherheit gab, an der Company prinzipiell alles legit ist und ich mit dem Standort der Wohnung (gute Anbindung, 10-20min ins City Center, super Einkaufsmöglichkeiten, gewisse Nähe zum Strand) und dem Zimmer mit Balkon zufrieden war, war die WG überbelegt. Aus größeren Zimmern waren kleinere mit zwischengezogenen Gipswänden gemacht worden und die ohnehin schon großzügig ausgelegte Kapazität der Wohnung, wurde dadurch weiter unterminiert, dass in ihr mehrere Spanier wohnten, die die Eigenschaft hatten, sich regelmäßig zu vervierfachen. Dies machte die Unterkunft teilweise zu einer echten Belastung und Bewährungsprobe, ruhiger Rückzugsort - Fehlanzeige. Von der mangelnden Hygiene und Sauberkeit noch abgesehen. Normalerweise lebe ich allein, eine Wohnung mit Menschen zu teilen, die gerade erst aus dem Elternhaus gezogen waren, empfehle ich nicht unbedingt.
Die Lebenshaltungskosten sind trotz der relativ geringeren Einkommen der Sarden hoch anzusetzen, was nicht zuletzt am Inselstatus und dem Tourismushotspot liegen dürfte, aber wie überall, wird sich die Inflation auch hier niedergeschlagen haben. Trips unternahm ich jedoch trotzdem reichlich. Die Natur ist unbeschreiblich schön.
Studienfach: War and Conflict Studies
Aufenthaltsdauer: 02/2024 - 07/2024
Gastuniversität: Università degli Studi di Cagliari
Gastland: Italien
Rückblick
Hätte man mich Anfang des Jahres 2024 gefragt, ob ich einen längeren Studienaufenthalt im Ausland so kurz vor Abschluss meines Masters absolvieren möchte, hätte ich wahrscheinlich verneint. Nun retrospektiv bereue ich es auf keinen Fall und sei es nur, um sich aus seiner individuellen Lebenssituation herauszunehmen und zu reflektieren. Sardinien ist unbeschreiblich schön, die universitäre Lehre gut aber anders. Meine Empfehlung an alle Eramus-Studierende, egal welchen Alters, sucht euch Schwerpunkte außerhalb der Erasmus-Bubble und nutzt die Möglichkeiten sich mit den Locals auszutauschen.