Vorbereitung auf den Auslandsaufenthalt
Da ich im Sommersemester mit meinem Masterstudium begonnen habe, die Bewerbungsfrist für ein Erasmusjahr immer im Dezember/Januar ist und ich nicht erst zum 4ten Semester ins Ausland wollte, hatte ich als Nachrücker kaum noch Auswahl, da die meisten Erasmus-Plätze bereits vergeben waren. Glücklicherweise war die Universität Cagliari ein ganz neuer Partner der Universität Potsdam und zum Zeitpunkt der Bewerbung der anderen Studenten wurde Cagliari noch gar nicht als Erasmusziel angeboten. Somit hatte ich das Glück mich als erster und einziger für einen Platz an der Universität Cagliari für das Sommersemester 2018 zu bewerben. Kontaktaufnahme und Bewerbungsverfahren liefen komplett problemlos. Geantwortet wurde von der zuständigen Erasmusbetreuerin Mrs. Maria Aloi sehr zügig und so hatte ich innerhalb kürzester Zeit eine Zusage.
Cagliari also, die Hauptstadt Sardiniens, eine kleine Insel, mitten im Mittelmeer. Ein Traumziel für ein Erasmus Jahr. Mit großen Erwartungen kam ich an. Da meine Eltern derzeit in Neapel leben fuhr ich mit der Fähre von Neapel nach Cagliari. Diese Fahrt mit einem Kreuzfahrtschiff hat 14 Stunden gedauert und kann ich niemandem empfehlen, auch wenn ich nicht glaube, dass dies jemand ernsthaft in Erwägung ziehen wird.
Studium an der Gastuniversität
Zur Universität: Die Kursbelegung hat problemlos funktioniert. Man schreibt nur der zuständigen Person, dass man diesen oder jenen Kurs gerne besuchen möchte und daraufhin werden die Kurse in dein Webstudenti-Account eingepflegt. Für die Prüfungen, muss man sich allerding nochmal separat anmelden. Die Seite ist komplett auf Italienisch und es gibt keine englische Version.
Nun zu den Kursen: Dadurch, dass die Universität Cagliari eine sehr kleine Uni ist, ist die Auswahl an Kursen sehr begrenzt, somit musste ich aus 4 BWL Kursen, die im Sommersemester angeboten wurde 3 auswählen. Dazu wählte ich noch einen Italienisch-Kurs. Die drei BWL-Kurse fanden Montag, Mittwoch und Donnerstag von 10:00 - 16:00 direkt nacheinander statt. Der Italienisch Kurs fand Montag, Mittwoch und Freitag abends von 18:00 - 20:00 Uhr statt. Hier kommen wir auch schon zum ersten Problem: Es gibt keine Mensa am BWL-Campus, weshalb einem nichts anderes übrig bleibt, als entweder Essen von zuhause mitzunehmen oder zu hungern.
Nun zu den Kursen, die ich belegt habe: Ich war, ehrlich gesagt, geschockt. Sowohl das Englisch als auch die Lehre der Dozenten war, mit einer Ausnahme, unterirdisch. Und wäre das nicht schlimm genug, waren die Erwartungen die gleichen wie in Deutschland. Dadurch, dass man in den Vorlesungen fast nichts mitnehmen konnte, musste man umso mehr zu Hause nacharbeiten. Dazu kam, dass es hier Zwischenprüfungen gibt. Somit ist man quasi das ganze Semester über am Lernen für Prüfungen oder Vorbereiten von Vorträgen. Möglichkeiten zum Lernen gibt es genug. Jeder Fachbereich hat seine eigene Bibliothek, verteilt in ganz Cagliari, sodass man, egal wo man wohnt eine Bibliothek in unmittelbarer Nähe haben sollte.
Sprachkenntnisse
Nun zu meinen Sprachkenntnissen: Mein Englisch war als ich ankam schon auf einem sehr guten Niveau. Durch den Kontakt mit ausländischen Erasmus-Studenten und dem Besuchen englischer Vorlesungen konnte ich vor allem mein Alltags- und Fachvokabular auffrischen und verbessern.
Dadurch, dass man in dieser Stadt förmlich gezwungen wird Italienisch zu sprechen, bin ich nun im Stande sehr einfache Konversationen auf Italienisch zu führen und mich zumindest zu verständigen.
Ich hätte gerne italienische Vorlesungen besucht, habe aber von Südtirolern gehört, dass selbst sie größere Probleme hatten, das Skript zu verstehen. Also selbst für Leute mit sehr guten Italienisch-Kenntnissen augenscheinlich kein Zuckerschlecken.
Wohn- und Lebenssituation
Eine Wohnung hatte ich mir vorher bereits von Deutschland aus organisiert. In der ESN Cagliari Facebook Gruppe gibt es immer wieder Annoncen, dass Nachmieter gesucht werden. Ich habe für mein Zimmer 230€ exklusive Nebenkosten gezahlt. Die Nebenkosten betragen nochmals ca. 40€ monatlich. Die Lage meiner Wohnung war einigermaßen zentral. Sowohl ins Stadtzentrum, als auch zum Campus waren es 15 Minuten Fußweg. Im Nachhinein habe ich allerdings von mehreren Leuten erfahren, dass es kein Problem ist sich vor Ort eine Wohnung zu besorgen. Die Mietpreise liegen hier zwischen 200€ und 300€, abhängig von Größe und Lage. Wichtig für Studenten die im Wintersemester nach Cagliari kommen: Viele Wohnungen haben keine Heizung.
Was mir in Cagliari schnell aufgefallen war, ist, dass Cagliari, obwohl es direkt am Meer liegt, unfassbar hügelig ist. Und ich habe quasi ganz oben auf dem Berg gewohnt. Cagliari ist in Ober- und Unterstadt unterteilt. Ich kann jedem nur wärmstens ans Herz legen sich eine Wohnung in der Nähe des Hauptplatzes „Piazza Yenne“ zu suchen. Denn dort befinden sich nicht nur die meisten Restaurant, Bars und Clubs, sondern es ist häufig auch der Meeting Point für Erasmus-Leute. In unmittelbarer Nähe ist auch das International Office. Dort bekommt man Auskünfte und notwendige Unterlagen für sein Erasmus-Jahr. Außerdem muss man dort auch für etwaige Ausflüge bezahlen an denen man teilnehmen will, welche vom ESN organisiert werden.
Man sollte sich auch unbedingt die ESN-Karte zulegen. Diese kostet 10€ und man kriegt in ausgewählten Bars und Restaurants Rabatte. Das Beste an der Karte ist allerdings, dass man bei Flügen mit RyanAir 15% Rabatt bekommt und ein Gepäckstück bis zu 20 kg gratis aufgeben kann. Flüge innerhalb Italiens, speziell nach Rom, Venedig & Pisa sind sehr günstig und ich kann jedem nur empfehlen die Möglichkeit zu nutzen diese Städte so günstig anzufliegen.Generell muss man sagen, dass das ESN Cagliari mit vollem Herzen bei der Sache dabei ist und wirklich viele Unternehmungen planen, seien es Ausflüge ins Inland, Partys oder Sportevent.
Je nachdem wo man wohnt und wie die Anbindung zur Universität und Innenstadt (Piazza Yenne) ist, sollte man sich ein Busticket besorgen. Dieses ist sehr erschwinglich und kostet monatlich für Studenten lediglich 21€. Eine Zehnerkarte kostet 12€, eine Einzelfahrt 1,30€ oder 1,80€, je nachdem, ob man die Karte an einem Kiosk (billiger) oder direkt beim Busfahrer (teurer) kauft. Allerdings muss man das Ticket beantragen und die Leute in Cagliari sprechen häufig schlechtes bis gar kein Englisch. Sollte man zentral wohnen ist ein Busticket nicht unbedingt von Nöten, allerdings ist der Strand außerhalb, dast heiß im Sommer lohnt sich das Ticket auf alle Fälle. Ich zum Beispiel habe das Monatsticket erst ab Mai gebraucht, als das Wetter besser wurde und ich öfters zum Strand gefahren bin. Die Busanbindung ist gut, die Busse sind nicht immer pünktlich aber man geht hier sehr schnell Dinge mit einer gewissen italienischen Gelassenheit an. Wichtig nur: Wenn man in einen Bus einsteigen will, muss man dies per Arm raushalten signalisieren, ansonsten fährt der Bus einfach an einem vorbei.
Es gibt zwei Strände die mit dem Bus erreichbar sind. Zum einen „Poetto“, der Hauptstrand, an dem es allerdings sehr windig ist und den ich nur im Hochsommer empfehlen kann. Und dann gibt es noch „Calamosca“ einen kleinen Strandstreifen, der aber vor allem unter der Woche ziemlich leer und zudem windgeschützt ist. Dort kann man wirklich sehr gut entspannen.
Eine Besonderheit die mich teilweise in den Wahnsinn trieb ist die hier allseits bekannte und beliebte „Siesta“. Zwischen 14:00 Uhr und 17:00 Uhr ist Cagliari buchstäblich tod. Jedes Geschäft und jedes Restaurant hat in dieser Zeitspanne geschlossen und mit wenigen Ausnahmen auch jeder Supermarkt.
Empfehlenswert ist es die Mensa Karte oder auch ERSU-Card zu beantragen. Mit der Mensa-Karte, für die man zur Beantragung ans andere Ende der Stadt fahren muss, kriegt man ein Essen in der Mensa für 3€, ansonsten muss man 5€ zahlen. Da ich in einer 9er WG gewohnt habe und selten Lust hatte mich mit 2-3 Leuten gemeinsam an den Herd zu stellen, habe ich sehr selten gekocht und war so oft es ging in der Mensa essen. Es gibt anscheinend 4 verschiedene Mensa Standorte verteilt in Cagliari, einer davon war glücklicherweise fußläufig in 5 Minuten von meiner Wohnung zu erreichen. Und diese Mensa hatte sowohl mittags als auch abends Montag- Sonntag geöffnet (außer an Feiertagen)! Das Essen in der Mensa war ok. Ich denke in dieser Hinsicht bin ich auch etwas von dem Essen an der Universität Potsdam verwöhnt. Dadurch, dass ich dort so regelmäßig war, haben sich die Speisen dann doch sehr häufig wiederholt und zum Ende konnte ich das Essen dort auch nicht mehr sehen. Von nicht paniertem Fleisch sollte man meiner Meinung nach die Finger lassen, da dies auf der Schwelle zu Ungenießbarkeit ist.
Die Lebensunterhaltkosten sind tendenziell etwas teurer als in Deutschland, allerdings gibt es etwas außerhalb einen Lidl mit „deutschen Preisen“. Ein Geheimtip meinerseits: Besucht den Markt San Benedetto. Dort gibt es Montag-Freitag frische Waren aller Art und zum Ende des Marktes (gegen 13:00 Uhr) werden die Lebensmittel sehr stark rabattiert.
Pizza und Kaffee zählen hier zum Grundnahrungsmittel, sind somit unfassbar billig und man bekommt sie fast an jeder Straßenecke hinterhergeschmissen.
Cagliari selbst ist wirklich eine italienuntypische Stadt und man merkt, dass auf dieser Insel die Uhren anders ticken. Ich habe mich selten in einer Stadt so sicher gefühlt. Von Kriminalität keine Spur, die Einwohner meist sehr freundlich und hilfsbereit.
Studienfach: Business Administration
Aufenthaltsdauer: 03/2018 - 06/2018
Gastuniversität: Università degli Studi di Cagliari
Gastland: Italien
Rückblick
Zurückblickend muss ich sagen, dass ich einfach mit viel zu hohen Erwartungen nach Cagliari gekommen bin. Ich hatte schon ein paar Leute mit denen ich mehr oder weniger häufig etwas unternommen habe, allerdings konnte ich mit vielen Leuten hier nicht allzu viel anfangen. Dazu kam das schlechte Wetter, denn bis Mitte Mai gab es gefühlt täglich sintflutartige Regenfälle gepaart mit peitschenden Winden. Vom Sommer fehlte jegliche Spur. Die Universität war, wie schon angesprochen eine mittlere Katastrophe. Die Tatsache, dass man dann nach Uni-Schluss um 16:00 Uhr nicht mal die Möglichkeit hatte etwas zu essen, da noch Siesta war, war schon sehr belastend. Bei durchgehend schlechtem Wetter dann auch noch ständig in die Stadt für den Italienisch-Kurs zu müssen, schlug irgendwann auch auf die Laune. Dadurch, dass die Auswahl an Kursen so begrenzt war, sah ich mich gezwungen Kurse zu belegen die ich nie im Leben freiwillig belegt hätte. Das ist ein weiterer Grund wieso ich noch nie so viel in einem Semester für die Universität gemacht habe wie hier in Cagliari.
Aber es war auch nicht alles schlecht. Die Fahrten an Strände die es überall auf Sardinien gibt habe ich sehr genossen und waren einer der wenigen Momente an denen ich mir vor Augen führen konnte, warum ich ursprünglich nach Cagliari kommen wollte.
Ich bin sicher nicht ganz unschuldig daran, dass mein Erasmus Jahr so gelaufen ist, wie es gelaufen ist. Vielleicht bin ich vom Typ her nicht für Erasmus gemacht, vielleicht hätte ich im Bachelor und nicht im Master nach Cagliari kommen sollen. Ich weiß es nicht. Ich habe von einigen Leuten gehört, dass sie hier „Die Zeit ihres Lebens“ hatten. Ich hatte ehrlich gesagt ziemlich miese vier Monate in der „Citta del Sole“ (Stadt der Sonne), hoffe aber mit diesem Erfahrungsbericht niemanden abzuschrecken, sondern euch vielmehr darauf vorzubereiten was euch hier erwartet, damit ihr nicht wie ich mit falschen Erwartungen in Cagliari ankommt.