Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Ein Jahr vor dem Start meines Auslandssemesters ist bei mir der Entschluss gereift, vor dem Ende meines Mastersstudiums nochmal Auslandserfahrung im akademischen Kontext zu sammeln. Israel hatte mich aufgrund der zu Europa verschiedenen Kultur, der politischen Relevanz und der Geschichte interessiert. Zudem bin ich christlich aufgewachsen und wollte die verschiedenen Schauplätze, von denen ich in meiner Kindheit gehört hatte, persönlich kennenlernen. Ein weiterer wichtiger Grund war für mich die Lehre an den israelischen Universitäten, als Student der Wirtschaftsinformatik ist ein besonders gutes und breites Angebot an Informatikkursen vorhanden. Israel ist in mancher Disziplin, wie zum Beispiel Cybersecurity, weltweit führend. Ich habe mich bewusst für Jerusalem entschieden, da mir die Kompaktheit der Stadt, die Historie und der Ruf der Hebräischen Universität zugesagt haben. Nach der Zusage der Universität Potsdam, die mit der Hebräischen Universität eine Hochschulpartnerschaft besitzt, habe ich angefangen, mich umfassend über Universität, Stadt und Land zu informieren. Nach der Rückbestätigung der Hebräischen Universität habe ich mein Visum für Israel beim israelischen Konsulat in Berlin beantragt. Hierbei wurde ich etwas forscher zu meinen Beweggründen und meinem Lebenslauf befragt. Ein solches „Verhör“ ist jedoch aufgrund der Sicherheitslage in Israel üblich und ist mir während meines Auslandsaufenthaltes (beim Passieren von Grenzübergängen) häufiger passiert. Sowohl die Universität Potsdam sowie auch die Hebräische Universität waren bei den bürokratischen Prozessen zur Anmeldung sehr hilfreich. Ich habe mich immer gut beraten gefühlt. Ein interessanter Unterschied ist, dass man mit fast allen Ansprechpartnern in Israel direkt die Vornamen in der E-Mail-Korrespondenz benutzt. Um meine akademischen Leistungen im Nachgang anrechnen können, habe ich mit meinem Studiengangsleiter ein Learning Agreement abgeschlossen. Wichtig zu wissen ist, dass die Umrechnung von Credits der Hebräischen Universität (HUJI) mit der Universität Potsdam wie folgt ist: 1 ECTS=0.66 HUJI.
Studium an der Gastuniversität
Das Studium an der Hebräischen Universität hat mir sehr gut gefallen. Zu Beginn des Semesters habe ich mir verschiedene Lehrveranstaltungen angeschaut und anschließend noch zwei Veranstaltung im Vergleich zu meinem ursprünglichen Learning Agreement gewechselt. Für meine naturwissenschaftliche Vorlesungen habe ich den Campus „Givat Ram“ (Edmond J. Safra) besucht, wohingegen ich für meine wirtschaftswissenschaftliche Vorlesung zum Campus „Mount Scopus“ (Har HaTzofim) fahren musste. Beide Campusse liegen nicht im Stadtzentrum, sind jedoch mit den Bussen gut angebunden. Jedoch kann es je nach Tageszeit aufgrund von Verkehr auch gut das Doppelte der angegebenen Zeit dauern, bis man einen Campus erreicht. Die Studienorganisation und die Teilnahme an Lehrveranstaltungen verliefen problemlos. Mich hat zum Beispiel eine fachfremde Veranstaltung interessiert, durch eine E-Mail an den Dozenten konnte ich diese trotzdem besuchen. Die Dozenten sind mit einem per Du und meiner Ansicht nach nahbarer als in Deutschland. Die Anforderungen sind je nach Lehrveranstaltung unterschiedlich, die naturwissenschaftlichen Fächer habe ich als anspruchsvoller wahrgenommen, die wirtschaftswissenschaftlichen als weniger fordernd. Ich habe aber auch Kommilitonen getroffen, die dies konträr wahrgenommen haben. Die Leistungsbewertung erfolgt schon viel während des Semesters durch Testate, Abgaben und Hausarbeiten. Insgesamt empfinde ich die Bewertung als gerecht, wobei gerade an den Kursen der internationalen Rothberg School vermehrt sehr gute Noten vergeben werden. Die Betreuung durch Dozenten, Verwaltungsmitarbeiter sowie die Hilfe von israelischen Mitstudenten war immer sehr gut. Dadurch habe ich schnell das Gefühl gehabt angekommen zu sein. Die Ausstattung der Universität ist gut, es sind ausreichend Computerarbeitsplätze in den Bibliotheken vorhanden. Für Informatikstudenten gibt es sogar eine Bibliothek, die jeden Tag rund um die Uhr geöffnet hat und zudem leistungsstärkere Computer besitzt. Um diese zu betreten, muss man sich eine bestimmte Magnetkarte ausstellen lassen. Des Weiteren benötigt man als Informatikstudent einen speziellen Zugang für die Online-Lernplattform Moodle, den man sich ebenfalls ausstellen lassen muss. Die meisten Räume in den Bibliotheken sind Gemeinschaftsarbeitsräume, wo zusammen gelernt werden kann. Die Räume sind meistens laut. Mir fiel es schwer sich hier zu konzentrieren, weshalb ich meist die Stillarbeitsräume aufgesucht habe, diese jedoch nicht in großer Anzahl vorhanden und in der Klausurenphase oft voll besetzt sind.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Kontakte zu einheimischen Studierenden konnte ich vor allem in Gruppenarbeit aufbauen, wie zum Beispiel einem gemeinsamen Data-Science-Projekt. Hier habe ich sehr nette Israelis kennengelernt, mit denen ich in der Freizeit auch viel Zeit verbracht habe und die mir bei bürokratischen und allen anderen möglichen israelspezifischen Fragen geholfen haben. Von der Rothberg School werden zudem Events organisiert, an denen In- und Ausländer teilnehmen können, mit dem Ziel, den multilateralen Austausch zu fördern. Andere Austauschstudenten habe ich vor allem bei den anfänglichen Informationsveranstaltungen sowie in dem Kurs, den ich an der Rothberg School belegt habe, kennengelernt. Da ich nicht in der „Student Village“, dem Studentenwohnheim in der Nähe vom Campus „Mount Scopus“ gewohnt habe, habe ich nicht so viele Austauschstudenten kennengelernt.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Bevor ich nach Israel geflogen bin habe ich im Sommer einen Intensiv-Ulpan „Aleph“ der Universität Potsdam besucht. Hierdurch konnte ich hebräisch rudimentär verstehen, sowie mich im Alltag zurechtfinden (im Café bestellen, Schilder lesen, Small-Talk, …). Tiefe Gespräche sind mit diesem Sprachniveau jedoch nicht möglich. Meist habe ich die Antwort auf eine Frage nicht verstanden, wenn diese ausführlicher ausfiel. In Israel habe ich mich dagegen entschieden, mit dem Level „Bet“ fortzufahren, da der Kurs viel Zeit erfordert und ich lieber mehr Informatikkurse wahrnehmen wollte. Die meisten Israelis verstehen und sprechen jedoch Englisch auf sehr gutem Niveau. Auf dem Markt oder im Supermarkt kann es manchmal schwierig werden, aber im akademischen Kontext konnte ich mich immer gut auf Englisch verständigen. Eine Vorlesung, die ich als einziger Austauschstudent besucht hatte, wurde wegen mir auf Englisch gehalten. So wie ich es verstanden habe, gibt es wohl eine Richtlinie, die dies vorgibt. Ich habe während des Auslandssemesters meine Englischkenntnisse verbessert und mein rudimentäres Hebräisch gefestigt.
Wohn- und Lebenssituation
Die Wohnungssituation ist schwierig. Gerade zu Semesterbeginn ist es schwer, ein stadtnahes Zimmer zu finden. Zimmer und Wohnungen findet man fast ausschließlich über Facebook- und WhatsApp-Gruppen. Ein Blick auf die israelische Kleinanzeigen-Plattform Yad2 kann sich auch lohnen. Ich bin drei Wochen vor dem Semesterbeginn angereist und habe mir für diese Zeit ein Zimmer über AirBnB gemietet, um Vorort Zimmer anzuschauen. Dies verlief leider weniger erfolgreich, am Ende der Zeit habe ich eine bezahlbare Untermiete für weitere drei Wochen gefunden. Anschließend und im letzten Moment habe ich dann eine nette Dreier-WG mit zwei Israelis gefunden. Die Wohnungssuche habe ich jedoch als sehr nervenaufreibend empfunden und weiß nicht, ob ich beim nächsten Mal nicht doch direkt in das Studentenwohnheim ziehen würde. Dies ist meist auch noch mit einer Vorlaufzeit von drei Tagen während des Semesters möglich. Schlussendlich habe ich mich in meiner Wohnung sehr wohl gefühlt, finde den Aufwand, um dahin zu gelangen rückblickend jedoch zu groß. Nach meiner Beurteilung ist der Wohnungsmarkt schwieriger als in Berlin. Dazu kommt, dass Wohnen teuer ist, der Monat im Studentenwohnheim kostet umgerechnet um die 650 Euro. So viel habe ich in meiner stadtnahen Wohnung inklusive Wasser, Strom, Gas und Internet auch gezahlt. Andere Austauschstudenten, die bereits 1,5 Monate vor Semesterstart da waren oder sich frühzeitig (über das Internet) um eine Wohnung gekümmert haben, haben von einer einfacheren Wohnungssuche berichtet und zum Teil auch günstigeren Mietpreise. Aus meiner Erfahrung wohnen die meisten Studenten in den Stadtteilen Nachlaot oder Rehavia (hier habe ich gewohnt) und die meisten Austauschstudenten in der Student Village. Jerusalem als Stadt hat mir sehr gut gefallen, auch am Sabbat, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel nicht fahren, sind die meisten Orte gut zu Fuß erreichbar. Es gibt ein breites Angebot von Bars und Restaurants und viele Veranstaltungen am Abend. Klar, Jerusalem ist nicht Tel Aviv, aber in Verbindung mit der Historie, den verschiedenen kulturellen Gruppen hat es seinen ganz eigenen, wunderbaren Charme. In Jerusalem gibt es zahlreiche Buslinien, die tagsüber in regelmäßigen Abständen fahren, sowie eine Straßenbahnlinie. Als Student erhält man 33% Rabatt auf die Fahrten, indem man beim Aufladen seiner Rav-Kav (Magnetkarte, welche beim Betreten eines Verkehrsmittels erfasst werden muss) 1/3 mehr Guthaben erhält. Außerdem ist es für ungefähr 150 Euro im Semester möglich unlimitierte Fahrten innerhalb von Jerusalem und 50% auf Fernstrecken mit Bus und Bahn zu erhalten. Hierfür benutzt man ebenfalls die Rav-Kav. Um Zahlungen durchzuführen habe ich meine deutsche Kreditkarte verwendet. Außerdem ist es hilfreich, sich eine Sim-Karte zu kaufen, diese Kostet ungefähr 12 Euro und 10 Euro jeden Monat für unlimitiertes Telefonieren und 10GB Internet. Beliebte Anbieter sind Golan und Hot Mobile. Ich habe mich für die Krankenversicherung von der Universität entschieden, musste in meiner Zeit hier jedoch auch keinen Arzt aufsuchen, hätte mich aber rückblickend für eine andere Versicherung entschieden, da nach meinem Verständnis nur bestimmte Ärzte und Krankenhäuser aufgesucht werden können. Vorteil ist jedoch, dass man nicht wie bei einer Reisekrankenversicherung üblich in Vorkasse gehen muss. Israel ist teurer als Deutschland, meiner subjektiven Einschätzung nach gut ein Viertel. Die Preise variieren jedoch, je nachdem wo man sich befindet, so kostet ein Falafel-Sandwich an der Uni 16 Schekel, am Damaskus-Tor 9 und in der Innenstadt 21. Besonders alkoholische Getränke sind teuer. Grundnahrungsmittel wie Reis, Bohnen und Nudeln sind nicht bedeutend teurer. Zudem bieten bestimmte Supermärkte wie Rami Levi günstigere Preise, Rami Levi ist jedoch nicht im Stadtzentrum zu finden. Im Stadtzentrum kann man günstig in der Altstadt (muslimisches Viertel) und im arabischen Teil am Damaskus-Tor sowie auf dem Mahane Yehuda Market einkaufen. Auf Letzterem erhält man kurz bevor die Stände schließen (gegen fünf Uhr) günstig Gebäck, Obst und Gemüse, kurz bevor der Sabbat beginnt am Freitag werden hier zum Teil Lebensmittel verschenkt. Das Freizeitangebot in Israel ist überdurchschnittlich gut, Berge, Meer, Wüste und Wälder gibt es zu entdecken. Durch die geringen Distanzen ist man schnell überall. Viele Ausflüge kann man an einem Tag machen, ohne irgendwo anders übernachten zu müssen. Allein in Jerusalem kann man sich gut zwei Wochen als Tourist aufhalten und es wir einem nicht langweilig, hier hat mir besonders das Israel Museum gefallen, was ich des Öfteren besucht habe. Von Jerusalem aus ist es einfach die Westbank zu besuchen, besonders Bethlehem (30 Minuten mit dem Bus) und Ramallah (45 Minuten) sind einfach zu erreichen. Die Busse fahren vom Damaskus. Um Ausflüge nach Hebron oder Nablus zu machen, sollte man mehr Zeit einplanen. In Israel hat mir besonders gut Mitzpe Ramon und das Hula-Valley gefallen, in dem man im Herbst tausende Vögel nach Süden wandern sehen kann. Ich habe mich in Palästina und Israel zu jeder Zeit sicher gefühlt und habe viele freundliche und hilfsbereite Menschen bei meinen Ausflügen kennengelernt. Um entlegene Gebiete wie die Golan-Höhen zu besuchen, ist ein Auto von Vorteil. Es ist aber auch sehr üblich per Anhalter zu fahren, gerade vor dem Sabbat sieht man viele ultra-orthodoxe Juden, die auf diesem Weg nach Jerusalem fahren.
Studienfach: Wirtschaftsinformatik und Digitale Transformation (M. Sc.)
Aufenthaltsdauer: 10/2019 - 02/2020
Gastuniversität: Hebrew University of Jerusalem
Gastland: Israel
Rückblick
Meine Zeit in Jerusalem hat mir sehr gut gefallen, gerade die Diskussionen mit verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Lebensperspektiven haben meinen Horizont erweitert. Auch akademisch habe ich viel gelernt, gerade im Bereich Data Science und Neurowissenschaften. Ich würde ein Auslandsstudium in Jerusalem weiterempfehlen: Die Mischung zwischen guter Lehre, atemberaubender Natur, konträren politischen sowie religiösen Ansichten und die lange Geschichte der Stadt hat mir sehr gut gefallen. Weniger gut hat mir die hohe Militärpräsenz gefallen, zum Teil hatten Mitstudenten in der Bibliothek Pistolen in der Hosentasche, auch in der Stadt sieht man viele junge Israelis mit Maschinengewehren, die ihren Militärdienst leisten. Hieran konnte ich mich nur schwer gewöhnen.