Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Ich bin im Rahmen eines Hochschulwechsels an die Universität Potsdam im Wintersemester 2017/2018 gekommen und hatte sowohl über den International Day als auch über die Homepage des International Office von der Möglichkeit erfahren, in Israel einen Auslandsaufenthalt zu absolvieren. Die Entscheidung für Israel resultierte in meinem Fall aus einem Interesse für die Region und dem zugehörigen Konflikt. Insofern konnte ich mich frühzeitig über den Bewerbungsprozess und über Fristen – in meinem Fall der 20. Januar 2018 – informieren. Die Teilnahme am Austauschprogramm erforderte die vorherige Nominierung durch die Universität Potsdam und erfolgte nach einem Auswahlverfahren einschließlich eines Gruppeninterviews mit Repräsentantinnen und Repräsentanten des IO und verschiedener Fakultäten. Wenige Tage später erhielt ich die Rückmeldung über die erfolgreiche Nominierung, woraufhin eine zweite Bewerbung an der HUJI anstand. Die Gastuniversität verlangte als zusätzliche Unterlagen ein ärztliches Attest, ein weiteres akademisches Gutachten und einen TOEFL- bzw. IELTS-Test. Dieses onlinebasierte Verfahren schloss mit einer offiziellen schriftlichen Zusage der Gastuniversität. Als letzten Schritt habe ich ein Studentenvisum beantragt, das eine Gültigkeit von 6 Monaten hat. Es empfiehlt sich, dieses ca. einen Monat vor Abreise zu beantragen, da das Semester abhängig von den gewählten Kursen bis in den Februar reichen kann und man ggf. noch einen Puffer haben möchte, um das Land zu bereisen. Für das Visum musste man die schriftliche Zusage, sowie Nachweise über die eigenen Finanzen bzw. über eine Auslandskrankenversicherung einreichen. Die Vorschriften zur Beantragung eines Studentenvisums variieren von Jahr zu Jahr, weshalb eine persönliche Beantragung zu empfehlen ist. Die obligatorische Auslandskrankenversicherung kann über die Universität oder privat organisiert werden. Hinsichtlich potenzieller Impfungen empfiehlt sich eine ärztliche Beratung.
Studium an der Gastuniversität
In Jerusalem startete das Semester wenige Tage nach der Ankunft. Neu war in diesem Jahr, dass die Anmeldung zu den Lehrveranstaltungen bereits ab August erfolgte – also noch vor der Ankunft im Oktober – und die Anmeldungen einzig in einem Meeting mit den BetreuerInnen ggf. abgeändert und schlussendlich bestätigt wurden. Das Learning Agreement sollte daher zunächst auf Basis der favorisierten Vorlesungen abgeschlossen und ggf. nach der Ankunft in Israel verändert werden.
Ungewohnt im Studium ist die Einteilung universitärer Kurse in Veranstaltungen der Rothberg International School (RIS) und in fakultätseigene Kurse. Während erstere ausländischen Studierenden uneingeschränkt zugänglich sind, laufen letztere nach einem abweichenden akademischen Kalender und die Teilnahmeberechtigung hängt von der (mitunter sehr späten) Zusage des jeweiligen Fachbereichs ab. Dies ist bei der vorherigen, internetbasierten Anmeldung zu beachten – auch weil eine Anfrage abgelehnt werden kann und Prüfungsleistungen wie in meinem Falle bis in den Februar bzw. März reichen können. Beides habe ich in erst nach der Ankunft erfahren. Daher sollte man weitere Kurse entweder an den Fakultäten oder an der RIS als Backup haben.
Hervorzuheben ist die Atmosphäre an der RIS und in der Studierendenschaft, da das Personal an der Rothberg International School sehr engagiert ist und man sich schnell im universitären Alltag einfindet. Studentische Exkursionen u.a. nach Mitzpe Ramon in der Negevwüste werden organisiert und erleichtern den Zugang zu den anderen TeilnehmerInnen aus dem Programm.
Auch ist das Klima in den Vorlesungen ist sehr angenehm, da die Zahl an Studierenden stehts relativ klein ist und die Dozierenden die Vorlesungen sehr frei gestalten einschließlich der Möglichkeit für Diskussionen. Die Atmosphäre war generell weniger hierarchisch als in Deutschland, weshalb die Dozierenden oftmals mit Vornahmen angesprochen werden wollten. Die Noten an der RIS setzen sich meist aus mehreren Prüfungsleistungen und Midterms zusammen, während Fakultätskurse i.d.R. mit einer einzigen Prüfung am Ende des Semesters schließen. Generell würde ich – sofern möglich – empfehlen, möglichst viele Kurse an den Fakultäten zu besuchen, da sie anspruchsvoller, interessanter und tiefgreifender waren als an der RIS. Persönlich habe ich Kurse an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät besucht, die sich neben der juristischen Fakultät durch sehr gute und renommierte Dozierenden auszeichnet. Die Vorlesungen fanden nochmals in einem kleineren Rahmen statt und waren sehr nahe an der aktuellen Forschung angelegt.
Obwohl es sich empfiehlt, hatte ich über das Semester in Israel keine Kreditkarte bei mir und habe alle Zahlungen grundsätzlich bar ausgeführt, was auch zu keinem Zeitpunkt für Komplikationen geführt hat. Eine reguläre Maestro-Bankkarte war völlig ausreichend, um in Israel an nahezu jedem Automaten Geld abzuheben. Wichtig ist es allerdings, ggf. anfallende Kosten noch in Deutschland abzuklären. In meinem Fall fiel insgesamt eine Pauschale von wenigen Euros an unabhängig vom abzuhebenden Betrag.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
In der Frage nach dem Kontakt zu einheimischen Studierenden ist Eigeninitiative gefragt, da an der RIS keine Israelis studieren und sich die Austauschstudierenden gewissermaßen in einer „Bubble“ bewegen. Interessant ist bei den internationalen Studierenden insbesondere der Austausch mit jüdischen Studierenden und ihren Perspektiven auf das Land, auf die (israelische) Gesellschaft und auf den Nahostkonflikt. Für den Kontakt mit einheimischen Studierenden empfehlen sich die bereits erwähnten fakultätseigenen Vorlesungen. Darüber hinaus gibt es viele Cafés und politisch angehauchte Lokale in der westlichen Innenstadt, in der sich interessante Begegnungen und Gespräche entwickeln können.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Wenn man am Hebräischen interessiert ist, kann man entweder an universitätseigenen Kursen teilnehmen, die bereits vor Semesterbeginn im August starten und für einen Monat andauern (was bisweilen sehr teuer ist), oder man organisiert selbständig einen Kurs etwa an den Berliner Universitäten in den Semesterferien. Für mich war der Aufenthalt hilfreich, um die eigenen Englischkenntnisse zu verbessern und die englische Wissenschaftssprache in Hausarbeiten usw. zu üben.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe im Wohnheim der Universität gewohnt, welches in Ostjerusalem in der Nähe vom Campus Mount Scopus liegt und rund 650 EUR pro Monat kostet. Die Anmeldung hierfür fand im Rahmen des Bewerbungsprozesses statt. Die Altstadt mit dem Damaskustor ist von dort zu Fuß in ca. 40 Minuten zu erreichen. Alternativ können über Foren auf Facebook etc. auch über das Semester hinweg Zimmer in der Altstadt gemietet werden. Diese haben einen ganz eigenen Charme, sind dafür aber entsprechend einfach und kosten nur rund 500 EUR pro Monat, wobei viele Überraschungen auf einen warten können – so bspw. ein Blick vom Dach auf den Felsendom. Generell sind Mieten verhältnismäßig teuer für Studierende im Vergleich zu Deutschland.
Auch die Lebenshaltungskosten sind sehr hoch, worauf man sich im Voraus einstellen sollte! Supermärkte sind dabei nicht ausgeschlossen, weshalb man auf die Shouks in der Innen- und Altstadt ausweichen sollte und es sich anbietet, früh nach den verschiedenen Preisen auf den jeweiligen Shouks Ausschau zu halten. Dies bietet auch nochmal die Möglichkeit, in das örtliche Leben und in das geschäftige Treiben einzutauchen.
Verhältnismäßig günstig ist allerdings der Nahverkehr, mit dem man dank des ausgebauten Bus- und Bahnnetzes Israel einfach kennenlernen und bereisen kann. Gut ist dabei das Konzept einer Fahrkarte im Kreditkartenformat, welche variabel aufgeladen werden kann und auch studentische Rabatte von ca. 33% beinhaltet. Diese Karte (und das zugehörige Guthaben) ist landesweit einsetzbar und ermöglicht flexibles Reisen auch zwischen verschiedenen Orten. Zusätzlich zu verschiedenen Streckenpreisen gibt es auch Tageskarten für einzelne Regionen (etwa Nordisrael), mit denen man jeglichen öffentlichen Nahverkehr für 40 Schekel (ca. 10 EUR) für den Tag nutzen kann. Potenzielle Reise- und Ausflugsziele reichen vom Toten Meer und den anliegenden Nationalparks über weitere Städte wie Haifa, Akko und Tel Aviv bis zum See Genezareth und den Golanhöhen. Aufenthalte in den angrenzenden Ländern Ägypten und Jordanien im Anschluss an das Semester bieten sich ebenfalls an.
Studienfach: Politik und Wirtschaft
Aufenthaltsdauer: 10/2018 - 02/2019
Gastuniversität:Hebrew University of Jerusalem
Gastland: Israel
Rückblick
Retrospektiv betrachtet war das Auslandssemester in Jerusalem eine einprägsame Erfahrung – auch wegen der einzigartigen Rolle, die Jerusalem im Nahostkonflikt spielt. Man erlebt die Komplexität der Konfliktstruktur hautnah und das Leben ist deutlich religiöser bestimmt als bspw. in Deutschland. Neben dem omnipräsenten Palästinensisch-Israelischen Konflikt ist auch die innerisraelische Spaltung in säkulare und Ultra-Orthodoxe Juden nicht zu übersehen und gleichsam faszinierend. Alle gesellschaftlichen Fraktionen haben dabei ihre eigenen Mikrokosmen erschaffen, die sich auch räumlich manifestieren und trotzdem häufig nur wenige hundert Meter voneinander entfernt liegen. Ich war insofern häufig damit beschäftigt, die eigenen Positionen auf den Konflikt zu hinterfragen und das eigene Wertesystem stets in einem neuen Licht zu sehen. Gleichzeitig ist es wichtig sich vor Augen zu führen, dass die Universität in einer Konfliktregion liegt und insofern mit einer gewissen Grundanspannung zu rechnen ist, die in offenen Konfrontationen gipfeln kann. So gab es seitens der Universität regelmäßige Updates zur Sicherheitslage insbesondere in Reaktion auf schwerere Raketenangriffe aus dem Gazastreifen während des Semesters. Wenn man damit umzugehen bereit ist, bietet das Auslandssemester an der HUJI die einzigartige Möglichkeit, in das Leben in einer Stadt einzutauchen, die aufgrund ihrer Symbolkraft wohl umstrittener ist als irgendein anderer Ort.