Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Eines meiner Hauptziele des Erasmus-Semesters war es, mein Englisch zu verbessern. Ich fühle mich allerdings nicht sonderlich wohl, in einem Land zu leben, in dem ich die Nationalsprache nicht spreche. Deshalb war Irland meine erste Wahl. Das Mathe- und Physikinstitut hat allerdings keine Partnerschaft mit einer irischen Universität, weshalb ich mich stattdessen über das Umweltwissenschaften- und Geografieinstitut beworben hatte. Ich war sehr glücklich, als mir gesagt wurde, dass ich angenommen wurde und nicht viel später kam vom UCC eine E-Mail mit allen wichtigen Informationen. Gut zu wissen ist dabei, dass man am UCC als „visisting student“ wild wählen kann, was auch immer man möchte und nicht auf sein Studium festgelegt ist. Ab einem relativ späten Zeitpunkt konnte man sich dann seinen Stundenplan zusammenstellen und ich musste einige E-Mails schreiben, um in Erfahrung zu bringen, wann manche Kurse stattfinden. Das Gute ist, dass man noch sehr viel ändern kann, wenn die Uni bereits begonnen hat. Alles läuft über gut programmierte Websites, sodass keine Probleme auftraten.
Studium an der Gastuniversität
Das Studium an sich unterschied sich zu meinem sonstigen Physikstudium an vielen Stellen. Einerseits gab es quasi nur 5-LP-Kurse, sodass man 6 verschieden Kurse belegen muss mit komplett verschiedenen Themenbereichen. Weiterhin bestehen Assignments deutlich häufiger nicht aus Rechenaufgaben, sondern aus dem Schreiben von Essays oder Reports. Dabei kann man sich darauf einstellen, dass man eine Zeit lang nichts für die Uni machen muss, aber dafür sehr kurzfristig angekündigt 3 Essays innerhalb von 2 Wochen schreiben muss. Die Assignments sind dafür aber häufig sehr kreativ und abwechslungsreich. Ich fand, dass die Bewertung generell eher sehr einfach und nett war, da in Irland 70% der höchstmöglichen „Note“ entsprechen. Die Klausuren in meinen Kursen “Cells, Biomolecules, Genetics and Evolution“, „Energy Innovation“ und „Ocean Energy“ waren sehr einfach und man kann durch die erwähnten Assignments bereits viele Prozent sammeln. Am Ende sind auch nur insgesamt 40% zum Bestehen des Kurses erforderlich. Das Klima in den Kursen ist deutlich familiärer, da alle mit dem Vornamen angesprochen werden wollen und das Siezen offensichtlicher Weise komplett wegfällt. Allerdings sind die Professoren oft stark von bürokratischen Systemen abhängig, weshalb zum Beispiel Klausurtermine nicht geändert werden können. (Tipp aus eigener Erfahrung: Sie packen auch gerne Klausuren auf den letzten Tag der Prüfungsphase, auch wenn das sehr kurz vor Weihnachten ist) Alles ist sehr organisiert, da alle Informationen sich auf Canvas (besseres Moodle) befinden und auch als E-Mail an die entsprechende Uni-Mailadresse geschickt werden. Es gibt sehr viele Clubs und Societies, die verschiedene Events oder Trainings anbieten, aber man muss sich dafür immer fleißig auf Instagram informieren, um keine kostenlose Pizza zu verpassen. Außerdem sind die Fitnessstudios und das Schwimmbad in der Mardyke-Arena sehr gut ausgestattet und es lohnt sich, dieses kostenlose Angebot zu nutzen. Es gab auch ein Peer-Support-Programm, das man hätte nutzen können, allerdings habe ich davon kaum Gebrauch gemacht.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Cork ist besonders gut, um schnell Internationals kennenzulernen, weil es eine von der Uni unabhängige „Organisation“ gibt, die eine Menge Party Events und sich sehr lohnende Wochenendtrips anbietet. Schaut da definitiv mal bei Instagram bei „corkinternationalstudents“ vorbei und tretet den Whatsapp-Gruppen bei. Die meisten Freundesgruppen haben sich entweder durch ihre Accomondation oder eines dieser Events kennengelernt. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass ich insgesamt vermutlich nur 5% der Zeit mit irischen Studierenden zu tuen hatte, denn die Kurse sind oft entweder ausschließlich mit Internationals oder überwiegend mit ihnen befüllt. Ist ja aber eigentlich auch kein Problem… Englisch reden muss man ja so oder so und der Cork-Akzent ist leider doch auch sehr gewöhnungsbedürftig.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich würde behaupten, dass ich mich vor dem Erasmussemester bereits auf Englisch gut unterhalten konnte, allerdings habe ich in Irland vor allem sehr viel Selbstvertrauen gewonnen, nicht zu viel über mögliche Fehler nachzudenken, sondern einfach zu reden, weil es am Ende ja niemanden interessiert, wenn du dich versprichst. Viele Veränderungen merkt man ja auch selbst gar nicht, also lasse ich das dann später andere bewerten.
Wohn- und Lebenssituation
Die Unterkunft war das größte Problem zur Planung des Aufenthalts. Es ist wirklich schwer, eine Wohnung zu finden. Außerhalb von Studentenwohnheimen wurde man ständig vor Scams gewarnt, aber ich habe auch positive Erfahrungen von Freunden gehört. Auf jeden Fall muss man da sehr aufpassen. Ich habe in Melbourne Point gewohnt, einem Studentenwohnheim etwa 10 Minuten mit dem Bus von der Uni entfernt, das wirklich teuer war. Ich habe über 1000 Euro jeden Monat bezahlen müssen für ein privates Zimmer mit privatem Bad in einer 8-Personen-WG. Es war ein modernes Wohnheim und die Mitarbeiter waren die liebsten und hilfsbereitesten Menschen dieser Welt, jedoch hätte ich auch auf vielen Komfort verzichten können, um weniger bezahlen und mehr in der Stadtmitte wohnen zu können. Man kann sich leider nicht auf die Uni-Wohnungsvermittlung verlassen und kann damit rechnen, darüber keine bessere Wohnung zu bekommen, als wenn man selbst sucht und ein paar E-Mails schreibt. Manche Studenten mussten einen ganzen Monat im Hostel schlafen, weil sie nicht rechtzeitig nach Wohnungen gesucht haben, also je früher, desto besser. Das Problem, außerhalb der Stadt zu wohnen, ist, dass die Busse wirklich so unzuverlässig sind, dass man kaum planen kann. Man sollte immer 2 Minuten da sein, bevor der Bus offiziell kommt und ich würde eine Mischung aus der Real-Time Ireland-App und Google Maps benutzen. Trotzdem: Ihr werdet eine Menge Nerven an diese Busse verlieren, weil man, wenn es schlecht läuft, auch mal 40 Minuten im Regen steht, weil die letzten vier Busse, die hätten kommen sollen, das nicht getan haben. Außerdem sind wir verwöhnt von unseren Mensa-Preisen. Man muss mit über 5 Euro für jedes Essen rechnen und die vegetarischen Gerichte im „Main Restaurant“ schmecken meistens nicht. Das Beste ist sich Essen mitzunehmen und in einer Mikrowelle vor Ort aufzuwärmen. Das Essen vom Student Center ist gut, aber leider wird man von den 5€-Gerichten oft nicht satt. Essen gehen ist in Irland generell eher teuer, aber lohnt sich. Besonders empfehlenswert sind dabei Izz Cafe, Tom Barrys Pizza, Frühstück im 5Point, Umi Falafel, Apache Pizza und der Marina Market. Zusammengefasst habe ich monatlich 2–3-mal so viel ausgegeben, als ich in Potsdam getan hätte. Abendliche Aktivitäten umfassen hauptsächlich einen Gang in einen Pub (Alle Pubs und Clubs schließen um 2 Uhr, weil das rechtlich so vorgeschrieben ist) oder was man selbst mit seinen Freunden plant. Tagsüber gibt es unendlich viele Orte, zu denen man einen Tagesausflug planen kann. Hier meine Highlights: Rock of Cashel, Killarney Nationalpark und Muckross House/Abbey (kommt man billig und komfortabel mit der Bahn hin), Ballycotton Cliffwalk, Ballysaggartmore Towers, Kilcrea Castle und Friary und Myrtleville Beach. Es gibt auch viel anderes, da Irland scheinbar mehr Ruinen und Castles hat als Einwohner.
Studienfach: Physik
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 12/2022
Gastuniversität: University College Cork
Gastland: Irland
Rückblick
Die Zeit hatte definitiv ihre Höhen und Tiefen. Ich bin leider viel krank gewesen, hatte am Anfang abends kaum Energie, da es so viele neue Eindrücke gibt und den ganzen Tag Englisch zu sprechen einen auslaugen kann und habe mich bis zum Schluss gerne über die hohen Preise für alles - aber gerade Alkohol - aufgeregt. Und jetzt das große „Aber“. Es war eine sehr tolle Erfahrung, mal Fernab von allem, was ich kenne, zu leben. Ich habe so viele tolle Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt. Ich habe Irland mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten und der Natur in mein Herz geschlossen. Ich werde auf die Zeit zurückblicken und kann in den innerhalb von 4 Monaten geformten Massen an Erinnerungen schwelgen. Lange Rede, kurzer Sinn: Manchmal ist das Gras eben doch grüner woanders, deshalb ist Cork definitiv eine große Empfehlung, wenn man so privilegiert ist, dass man sich das leisten kann.