Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Wie vermutlich die meisten Studierenden an der Uni Potsdam, habe ich mich für das fünfte Semester um das Erasmus+ Stipendium beworben. In Potsdam studiere ich Englisch und Politische Bildung, wollte aber im Ausland nur Englischkurse belegen. Daher stand für mich von Anfang an fest, dass ich nach Großbritannien gehen wollte. Die Wahl meiner Gastuni ist auch relativ schnell gefallen, denn die University of Reading hat mich nicht nur mit dem Studienangebot und der langen Erfahrung mit internationalen Studierenden, sondern auch mit der zentralen Lage (30 Minuten mit der Bahn von London entfernt) überzeugt.
Nachdem ich die Zusage aus Potsdam hatte, meldete sich circa einen Monat später auch das erste Mal Reading und ich konnte online meine Bewerbung ausfüllen. Das alles ging sehr unkompliziert, da man einen Application Guide zur Verfügung gestellt bekam, den man nur von oben bis unten abarbeiten musste. Ich hatte mir vorher auf der Internetseite der Uni dort schon einige Kurse rausgesucht, die für mich in Frage kommen könnten und habe die dann auf gut Glück erst mal angegeben. In Reading belegt man bei drei Monaten Aufenthalt insgesamt 30 ECTS, was bei mir drei Kursen entsprach. In der Bewerbung kann man jedoch bis zu drei weitere Kurse als Backup angeben. Nachdem alle Dokumente ausgefüllt und unterschrieben waren, konnte ich meine Bewerbung abschicken und habe zwei Monate später meine Zusage erhalten. Der letzte Schritt war die Anmeldung für eine Unterkunft. Man kann auch privat nach WGs suchen, aber für mich war der Weg über die Studentenwohnheime der Uni einfach der leichtere. In einem Online-Portal kann man dann drei Unterkünfte auswählen (ich habe die günstigsten genommen) und kann zusätzliche Angaben über seine Wohnpräferenzen machen. Zugegeben, billig ist das Ganze nicht, das Erasmus Stipendium hat gereicht, um knapp die Hälfte der Miete zu decken. Immerhin hat man das Glück, dann direkt am/auf dem Campus zu wohnen und spart sich so jegliche Fahrtkosten.
Studium an der Gastuniversität
Das Studium in Reading war für mich anspruchsvoll, aber auf jeden Fall machbar. Der größte Unterschied zu Deutschland liegt wohl darin, dass ich insgesamt nur drei Kurse belegt habe, von denen zwei jeweils zwei Stunden gingen und ich den dritten an zwei Tagen für zwei und eine Stunde hatte. Insgesamt wird in Reading noch sehr viel mehr auf Eigenarbeit gesetzt und man bekommt in den meisten Kursen Hausaufgaben, die man zur nächsten Stunde vorbereiten sollte. Besonders wenn man Literaturkurse belegt, sollte man beachten, dass die Studierenden die Informationen über die Bücher meist schon im Sommer bekommen und deshalb mehr Zeit zum Lesen haben. Innerhalb von drei Wochen ein 800 Seiten Buch zu lesen, kann dann neben den anderen Uniaufgaben doch etwas sportlich sein. Aber auch wenn man nicht alles schafft, kann man gut an den Kursen teilnehmen, da meist an ausgewählten Passagen gearbeitet wird, die vorher gemeinsam gelesen werden. Das Studienklima war sehr angenehm, es wurde immer viel im Plenum bzw. mit Gruppendiskussionen und vor allem auch sehr interaktiv und mit verschiedenen Medien gearbeitet. Insgesamt sind die Kurse sehr nah an den Studierenden ausgerichtet und man konnte (wenn man die Aufgaben gemacht hatte) viel aus dem Unterricht mitnehmen. Was mir gut gefallen hat, war außerdem, dass es in der Woche vor den Mid-term Abgaben eine „Lesewoche“ gab, in der keine Kurse stattfanden und man genug Zeit hatte, Stoff aufzuholen und Abgaben fertig zu machen. Reading hat eine sehr gut ausgestattete Bibliothek, die unter der Woche 24/7 geöffnet ist, mit großen Gruppenbereichen, aber auch quiet study Räumen, wenn man sich mehr konzentrieren muss. Zur Betreuung der internationalen Studierenden kann ich sagen, dass man wirklich super umsorgt wird vom Study Abroad Office. Das Team ist sehr freundlich und steht einem bei allen Fragen und Problemen zur Verfügung und auf Emails wurde mir immer schnell geantwortet. Bei ernsteren Sachen gibt es auch immer die Möglichkeit, ein Gespräch vor Ort zu haben.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Ich hatte das große Glück, in einer Hall untergebracht zu werden und auf einem Flur mit sieben internationalen Studierenden und zwei Einheimischen zu wohnen. Da wir alle sehr offen waren, haben wir viel gemeinsame Zeit in der Küche verbracht, gemeinsam gekocht und am Wochenende Ausflüge unternommen. Eigentlich bin ich mit der Erwartung in die drei Monate gegangen, dass die Kontakte, die man knüpft, eher „oberflächlich“ sein würden, aber für mich haben sich wirklich tolle Freundschaften entwickelt. Leider ist das aber auch nicht immer der Fall, vor allem wenn man in eine „quiet living“ Hall zugeordnet wird und sich die Mitbewohner nur auf ihre Zimmer zurückziehen. In den Kursen sind die meisten Leute auch sehr aufgeschlossen und wenn man will, kann man hier gut Einheimische kennenlernen.
Wohn- und Lebenssituation
Wie bereits erwähnt, hatte ich mich gleich im Anschluss an meine Bewerbung auch für eine Unterkunft in der Uni angemeldet und wurde dann in einem Zimmer im Studentenwohnheim mit Gemeinschaftsbad und- küche untergebracht. Bei knapp 2600€ muss man schon erst mal schlucken, weshalb ich zusätzlich zum Stipendium empfehlen kann, sich für Auslandsbafög zu bewerben. Die Sätze sind weniger streng als in Deutschland und wenn man sich einmal durch den ganzen Papierkram gearbeitet hat, lohnt es sich wirklich. Theoretisch muss man den Campus zum Überleben überhaupt nicht verlassen, denn es gibt einen eigenen kleinen (und etwas zu teuren) Supermarkt direkt vor Ort. Außerdem konnte man jeden Donnerstag frisches Obst und Gemüse vom Markt kaufen. Billigere Supermärkte befinden sich ungefähr eine halbe Stunde zu Fuß vom Campus entfernt, auch wenn die Wege nicht immer super angenehm zum Laufen sind. Oft haben wir es so gemacht, dass wir zum Einkaufen gelaufen und dann mit dem Bus zurück gefahren sind. Insgesamt haben wir die öffentlichen Verkehrsmittel eher selten genutzt, was zum einen am Preis lag, zum anderen daran, dass die Busse wirklich super unzuverlässig gefahren sind. Zu ungünstigen Tageszeiten waren sie manchmal so voll, dass sie keine Fahrgäste mehr mitgenommen haben. Für die Bahnfahrten würde ich jedem die Railcard 16-25 ans Herz legen, bei der man einmal 30 Pfund bezahlt und dann bei jedem Ticketkauf nur 2/3 des Preises bezahlen muss. Leider muss ich sagen, dass auch die Züge oft Probleme gemacht haben, weil andauernd gestreikt wurde. Ich glaube, allein in den 3,5 Monaten, die ich da war, habe ich fünf Streiks mitgemacht. Meistens fahren aber trotzdem noch vereinzelt Züge und man kommt irgendwie von A nach B. Die Uni in Reading bietet wirklich ein großes Freizeitangebot mit zahlreichen Societies an. Von Cheerleading bis Tauchen ist da echt alles dabei, allerdings muss man gucken, ob sich die Anmeldung für die kurze Zeit wirklich lohnt. Ich habe eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio abgeschlossen, dort gibt es nämlich einen Deal für internationale Studierende, bei dem man für drei Monate nur knapp 60 Pfund bezahlt. Mit der Mitgliedschaft kann man nicht nur die Sportgeräte nutzen, sondern hat auch freien Zugang zu allen Gruppenkursen, die wirklich Spaß gemacht haben. Weiterhin werden von den Unileuten Gemeinschaftsabende organisiert, zu denen man sich kostenlos anmelden kann. Dort werden dann Brettspiele gespielt, Pizza gegessen und manchmal gebastelt. Auch die Partyleute kommen nicht zu kurz, denn zweimal pro Woche wird von der Student Union eine Party auf dem Unigelände organisiert, für die die Tickets nur fünf Pfund kosten. Durch die günstige Lage von Reading kann man die Wochenenden super zum Reisen nutzen und sich beispielsweise London, aber auch Oxford oder Southampton angucken.
Studienfach: Lehramt Englisch und Politische Bildung
Aufenthaltsdauer: 09/2022 - 12/2022
Gastuniversität: University of Reading
Gastland: Großbritannien
Rückblick
Abschließend kann ich sagen, dass ich wirklich jedem ein Erasmus+ Semester empfehlen kann und mir das Leben an der University of Reading sehr gut gefallen hat. Ich habe so viele Menschen kennengelernt, neue Orte besucht und viele Erfahrungen gesammelt. Durch das Zusammenleben mit anderen Internationals habe ich außerdem einen Einblick in viele verschiedene Kulturen bekommen, neues Essen probiert und viele lange Gespräche geführt. Ich war bereits vor meinem Auslandssemester durch das Englischstudium relativ selbstbewusst beim Sprechen, aber trotzdem habe ich gemerkt, dass ich viel weniger über Wörter nachdenken muss und mein Wortschatz größer geworden ist. Ich würde die Entscheidung, nach Reading zu gehen, auf jeden Fall wieder treffen.