Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Vorweg: die Insel La Réunions ist einer der schönsten und vielfältigsten Orte der Welt! Zwischen Madagaskar und Mauritius gelegen, bietet dieser Ort alles: Berge, Regenwälder, Sand- und Lavastrände, Korallenriffe, Wasserfälle, Steppen, Zuckerrohrfelder, Vanilleplantagen, Städte. Das alles überwog die universitären Hürden. Die Bewerbung und erste Kontaktaufnahme mit der Université de La Réunion verlief relativ reibungslos. Leider waren keine Plätze im Internationalen Studierendenwohnheim CROUS mehr verfügbar. Die Université de La Réunion stellte mir jedoch viele weitere private Kontakte für die Wohnungssuche bereit, wo ich schlussendlich problemlos ein WG-Zimmer fand. Es empfiehlt sich, im direkten Umfeld der Universität zu suchen, da die Wege, bedingt durch die Berglage, viel länger sind als vermutet. Leider erhielt man keine weiteren Infos, wann genau das Semester beginnen würde. Ich kannte einige Studierende, die dort ihr Erasmus absolvierten und wusste daher, dass man sich für Mitte August einen Flug buchen sollte. Es empfiehlt sich, diesen weit im Voraus zu buchen. Je nach Fluggesellschaft zahlt man bei Air France bis zu 1.000 €, kann aber auch bei einigen anderen Airlines (Corsair, Frenchbee, Austral Air) Glück haben, einen Flug für 500 € inklusive Koffer zu bekommen. Nur von Paris aus gehen die Flüge nach La Réunion. Daher sollte man auch die Reisekosten bis Paris mit einrechnen. Bürokratisch schien erst einmal alles einfach: Mein Koordinator von der Gast-Universität segnete problemlos das Online Learning Agreement Before Mobility ab, worauf ich mich auch verließ.
Studium an der Gastuniversität
Zunächst muss ich anmerken, dass sich meine Erfahrungen nur auf die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät beziehen. An dieser Fakultät sind tendenziell die wenigsten Erasmus-Studierenden. Hauptsächlich studierten die anderen internationalen Studierenden Sprachen oder Naturwissenschaften. Als ich Mitte August nach La Réunion kam, fand ein zweiwöchiges Kennlern-Seminar statt. Die Termine dafür wurden jedoch erst vier Wochen zuvor veröffentlicht. Aus diesem Grund waren die meisten Erasmus-Studierenden noch nicht da, da die Flüge schon weit im Voraus gebucht worden sind. So auch bei mir. Ich war in der zweiten Woche erst da, erfuhr von den Anderen aber auch, dass ich nicht viel verpasst zu haben schien. Die größte Überraschung war, dass zufällig am nächsten Tag die Vorlesungen an meiner Fakultät (Droit et Economie) beginnen würden. Die ersten vier Wochen waren insgesamt betrachtet ein bürokratischer Wahnsinn. Der Koordinator eröffnete mir vor Ort, dass ich die meisten meiner Kurse gar nicht wählen könne. Da es an dieser Universität üblich ist, einen festgelegten Stundenplan zu haben und nicht frei wählen zu können, ist es einfach sehr schwierig, zeitlich passende Kurse zu finden. Viele meiner Wunschkurse konnte ich nicht belegen, da gefühlt alles zu denselben Zeiten stattfand oder es jede Woche neue Kurszeiten gab. Das war sehr ärgerlich und frustrierte mich. Hinzu kam, dass der Koordinator (der auch mein Learning Agreement Before Mobility ausfüllte) plötzlich meinte, ich dürfe nur aus zwei L-Jahren Kurse wählen (L1 = erstes Bachelorjahr, L2 = zweites Bachelorjahr; L3 = drittes Bachelorjahr). Im Endeffekt war ich in vielen (für mich) nicht interessanten Kursen und ziemlich unglücklich, was die Organisation an dieser Universität betraf. Man hatte kaum Ansprechpersonen, die einem wirklich helfen konnten. Da wir nur eine Hand voll Wirtschafts-Erasmus-Leute waren, saß man meist als einzige Austauschstudentin in den Kursen. Die Vorlesungen fanden manchmal ohne Folien statt oder wenn doch, dann waren die Folien voll mit Texten. Die Arbeit mit wissenschaftlichen Texten bestand aus einer reinen Übersetzungsaufgabe Englisch-Französisch. Auch kritisches Denken oder eigenständiges Mitschreiben finden meiner Meinung nach im Bachelor eher weniger statt. Oft diktiert die/der Dozierende. Eine Vorlesung wird daher teilweise wortwörtlich genommen: 90 Minuten wird etwas vorgelesen und alle tippen fleißig Buchstabe für Buchstabe mit. Ich habe gehört, dass es im wirtschaftswissenschaftlichen Masterstudiengang eine deutlich bessere Betreuung geben soll und auch mehr dazu angeregt wird, individuelle Leistungen zu erbringen. Wenn ich universitäre Probleme hatte, fragte ich in der Erasmus-WhatsApp-Gruppe nach. Irgendjemand wusste immer eine Lösung oder Anlaufstelle. Der gemeinsame Zusammenhalt unter den Austauschstudierenden war sehr gut. Die Erasmus-eigenen Kurse waren daher mein universitärer Lichtblick: Man konnte hier einige interessante Module wählen. Empfehlen kann ich den Französisch- und den Réunion-Umwelt-Kurs, bei dem man auch eine Exkursion zu Lavafeldern und in den Botanischen Garten macht. Eine Bevorzugung der Erasmus-Studierenden an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät auf La Réunion findet nicht statt. Es wurde keine Extra-Prüfung für Internationale angeboten, auch auf Nachfrage nicht. Teilweise sind keine Wörterbücher oder sonstige Hilfsmittel in den Prüfungen zugelassen. Daher ist es sehr hilfreich, Französisch sowie die französischen Fachbegriffe auf einem guten Niveau zu beherrschen. In einigen Fächern kann es sein, dass man trotz guter Rang-Platzierung dennoch keine gute Note bekommt bzw. nicht besteht, da sehr streng bewertet wird.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Der Kontakt zu ausländischen Studierenden gestaltet sich sehr einfach. Fast jeden Tag trafen sich diverse Gruppe und ein gesammelter Austausch fand über die sozialen Netzwerke statt. Gegenseitig konnte man sich auch bei den unterschiedlichsten Problemen helfen. Die Insel liegt mehr als 9.000 km entfernt, daher hatten einige ein bisschen mit Heimweh zu kämpfen. Die Organisation ISRUN kümmert sich um sämtliche kulturelle Aktivitäten von gemeinsamen Ausflügen in die Bergwelt Réunions bis hin zu Partys auf dem Campus. Durch den Erasmus-Kurs „Tandem bilingue“ bekam ich Kontakt zu einheimischen Studierenden und auch in meinen belegten Wirtschaftskursen kannte man die ein oder andere Person am Ende des Austauschs gut.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Vor meinem Auslandsaufenthalt hatte ich bereits ein gutes Sprachgefühl fürs Französische. Daher habe ich viel wiederholt und auch neues wirtschaftliches Fachvokabular gelernt. Hervorzuheben ist auch, dass die Einheimischen untereinander Réunion-Kreol sprechen. Das lernte man nebenbei auch. Keine Sorge, alle sprechen zusätzlich Französisch, manchmal auch Englisch. Die Verständigung klappte daher meist auch. Mein Englisch hat sich durch den Kontakt mit den internationalen Studierenden jedoch weitaus mehr verbessert.
Wohn- und Lebenssituation
Meine Unterkunft, eine internationale WG, habe ich über den Verteiler der Universität schon im Juni gefunden. Ich kann den Kontakt zu meiner WG gern weitergeben. Einige andere suchten sich AirBnBs, was sich preislich meiner Meinung nach nicht lohnt. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind okay. Es gibt eine Seilbahn zur Uni und ansonsten Busse, die die gesamte Insel vernetzen. Allerdings fahren die Busse nur bis ca. 21 Uhr. Daher bildeten sich irgendwann viele Auto-Gemeinschaften. Ein Auto auszuleihen ist günstig und lohnt sich auf La Réunion auf jeden Fall. Man kann weiterentlegene Strände, Berge, Wasserfälle besuchen oder auch nach 21 Uhr noch nach Hause kommen. Die Universität bietet auch oft am Abend Veranstaltungen an. An den Wochenenden und manchmal auch nach Unterrichtsschluss machen viele Erasmus-Studis gemeinsame Ausflüge. Definitiv sollte man Wanderschuhe, kurze Kleidung und Taucherbrille/Schnorchel mitnehmen.
Studienfach: Betriebswirtschaftslehre (B.Sc.)
Aufenthaltsdauer: 08/2022 - 12/2022
Gastuniversität: Université de La Réunion
Gastland: Frankreich
Rückblick
Trotz der organisatorischen Hürden an der Universität habe ich einen guten Austausch auf La Réunion gehabt. Ich habe gelernt, bei den bürokratischen Umwegen und der unglücklichen Kursauswahl nicht direkt aufzugeben und dennoch das Semester zu beenden. Durch die vielen Ausflüge, die einem nach Unischluss zur Verfügung stehen, war es dennoch einmalig. Die Natur auf der Insel, die Menschen und die kulturelle Vielfalt ist einmalig. Ich habe Vulkanausbrüche live gesehen, war auf dem höchsten Berg im Indischen Ozean, war mit Schildkröten in Korallen schnorcheln, in Regenwaldflüssen baden. Generell ist es das gesamte Jahr über warm und schwül. Ihr solltet demnach Hitze aushalten können. Ab Dezember beginnt die Regenzeit. Leider finden zeitgleich die Klausuren statt. Ihr studiert am Campus Moufia in Saint-Denis. Meidet das Viertel Le Chaudron als Wohnort. Auch wenn es dort günstige Wohnmöglichkeiten gibt, ist es einer der problembelasteten Orte der Stadt. Leider ist Catcalling ein großes Problem in manchen Vierteln. Uns wurde geraten, nachts daher lieber mindestens zu zweit draußen zu sein. Als Frau habe ich die Erfahrung machen müssen, dass es „nicht ungewöhnlich“ ist, mehrfach am Tag sexuell belästigt zu werden – überwiegend jedoch, wenn man in Le Chaudron unterwegs war. Daher meidet dieses Viertel. Die restlichen Stadtteile sind eher unproblematisch.