Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Es wird gemeinhin empfohlen, sich mindestens ein Jahr vor Beginn eines potenziellen Erasmus Auslandsaufenthaltes mit den Vorbereitungen zu beschäftigen. Deshalb fing ich schon sehr frühzeitig an, mich über das Erasmusprogramm und die möglichen Partneruniversitäten meiner Fakultät der Universität Potsdam zu informieren. Nach einer Sichtung der möglichen Partneruniversitäten des Institutes für Biochemie und Biologie fiel meine Wahl auf Montpellier. Ich wählte diese Universität aus verschiedenen Gründen. Zum Einen wollte ich eine romanische Sprache erlernen und zum anderen war die Universität im Shanghai Ranking im Bereich Ökologie sehr gut bewertet. Außerdem gefiel mir die Stadt selbst sehr gut (aufgrund dessen, was ich im Internet und in Erfahrungsberichten lesen konnte).
Als ich mir sicher war, dass ich meinen Auslandsaufenthalt in Montpellier verbringen wollte, kontaktierte ich die Erasmuskoordinatorin des Institutes für Biologie und Biochemie. Nach einem ersten Gespräch erklärte sie mir, welche Unterlagen ich genau zur Bewerbung benötigte. Ich sollte in der Bewerbung schon einmal grob angeben, welche Kurse ich wählen wollte (Link zum Kurskatalog der Uni Montpellier) und eine Übersicht meiner bisher erbrachten Leistungen beilegen. Ein Motivationsschreiben hat sie nicht verlangt, aber das wird von jedem Koordinator anders gehandhabt.
Allerdings musste ich einige Überzeugungsarbeit leisten, um mich für 2 Semester bewerben zu können. Sie hatte mir nämlich vorgeschlagen, mich vorerst nur für ein Semester zu bewerben und dann ggf. während ich mich in Frankreich befinden würde, zu verlängern. Da ich mir aber sicher war, dass es sinnvoller wäre, zwei Semester im Ausland zu verbringen, und ich mir den administrativen Stress einer Verlängerung während meines Frankreichaufenthaltes ersparen wollte und zudem sichergehen wollte, auch für das zweite Semester die finanzielle Förderung zu erhalten (was bei einer Verlängerung im Nachhinein nicht sichergestellt wäre), überzeugte ich sie, mich schon von vornherein für zwei Semester zu bewerben.
Nach einiger Zeit wurde ich für den Platz in Montpellier nominiert und der Kontakt zur Koordinatorin der Faculté des Sciences in Montpellier wurde hergestellt. Diese teilte mir mit, welche Dokumente benötigt werden. Sie legte dabei sehr viel Wert auf das „Learning Agreement“, einen Vertrag zwischen dem Studenten, der Heimat- und der Gastuniversität, in welchem festgelegt wird, welche Kurse an der Gastuniversität belegt werden und welche davon an der Heimatuniversität angerechnet werden können. Darum sollte man sich also sehr früh schon kümmern, da (zumindest in meinem Fall) vor der Abgabe des Learning Agreements nichts funktioniert hat und ich mich noch nicht einmal um einen Platz im Studentenwohnheim bewerben konnte. Auch die Gestaltung des Learning Agreements war nicht ganz einfach, da ich eigentlich Kurse sowohl aus dem ökologischen als auch aus dem molekularbiologischen Bereich wählen wollte. Dies sei aber nach Aussage der Verantwortlichen aufgrund der starren Strukturen des universitären Systems in Frankreich nicht möglich gewesen und so musste ich mich für eine Richtung entscheiden. Nachdem das Learning Agreement eingereicht war, mussten noch einige andere Unterlagen eingeschickt werden (unter anderem mein Abiturzeugnis und meine Geburtsurkunde). Dies wird einem aber alles genau mitgeteilt.
Studium an der Gastuniversität
Im Vergleich zum deutschen Studiensystem ist das französische sehr viel verschulter und es gibt sehr viel mehr verpflichtende Präsenzveranstaltungen als in Deutschland. Zu Beginn des Semesters werden Gruppen gebildet mit ca. 30 Leuten und deine Übungen und Praktika hast du immer mit der selben Gruppe (oder Klasse), die Vorlesungen hingegen werden für alle Klassen zusammen gehalten. Es werden viele Gruppenarbeiten vergeben, die in der Freizeit mit Kommilitonen aus der jeweiligen Klasse vorbereitet werden. Von Montag bis Donnerstag hatten wir durchgehend Veranstaltungen von 8 Uhr bis 18:15 Uhr und am Freitag von 8 bis 12 Uhr. Es gab jeden Tag eine zweistündige Mittagspause, die von vielen Studenten dazu genutzt wurde, in der Bücherei zu lernen.
Dies war gerade im ersten Semester, als ich noch nicht ganz so sicher im Französischen war, sehr anstrengend.
Auch gab es eine Konkurrenz zwischen den Studenten, die ich aus Potsdam gar nicht kenne. Während es in Potsdam selbstverständlich ist, dass man sich untereinander hilft und Dokumente miteinander teilt, war dies in Montpellier (zumindest meiner Erfahrung nach) eher nicht der Fall.
In Gruppenarbeiten setzten sich die einzelnen Gruppenmitglieder auch mitunter gegenseitig unter Druck.
Bei all dem Druck und all der Konkurrenz hatte ich aber trotzdem das Gefühl, dass das Niveau der Veranstaltungen etwas niedriger war als in Potsdam.
Insgesamt war ich auch erstaunt, wie ineffizient teilweise gearbeitet wird. Die Studenten in Gruppenarbeiten verloren sich oft in langen Diskussionen über einzelne Formulierungen im Text eines Versuchsprotokolls, während noch nicht einmal die statistische Auswertung durchgeführt worden war. Auch in den Präsenzveranstaltungen wurden manche Themen sehr (oftmals zu) ausführlich behandelt. Übungen und Seminare dauerten grundsätzlich drei Stunden, während sie in Potsdam normalerweise auf eineinhalb Stunden ausgelegt sind. Dabei wurde aber meines Erachtens nicht mehr Stoff in den drei Stunden behandelt, als in Potsdam in eineinhalb Stunden behandelt worden wäre.
Das Studiensystem und -klima war also ganz anders, als ich es aus Potsdam kenne und daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Man hat als Student weniger Freiraum sein Studium selbst zu gestalten (der Stundenplan ist fest vorgegeben und es gibt nur wenige Wahlfächer) und es wird den Studenten wenig Selbstverantwortung zugestanden. Aber im Endeffekt war es eine wertvolle Erfahrung, ein Studiensystem kennen zu lernen, das sich so von unserem unterscheidet.
Dazu muss ich aber auch erwähnen, dass Studenten aus anderen Fachbereichen (vor allem aus dem geisteswissenschaftlichen und dem psychologischen Bereich) andere Erfahrungen gemacht haben. Bei Ihnen gab es nicht ganz so viele Präsenzveranstaltungen und auch die Gruppenarbeiten verliefen anders.
Auch bei mir verlief mein zweites Erasmussemester etwas anders. Es gab nicht mehr ganz so viele Präsenzveranstaltungen und der Stundenplan war nicht mehr so starr. Hierbei handelte es sich allerdings um das sechste und damit letzte Semester des Bachelors, was einen Einfluss auf den Stundenplan gehabt haben könnte.
Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden
Mit meinen französischen Kommilitonen außerhalb der Uni wirklich in Kontakt zu kommen, war nicht immer einfach. Wie schon unter Punkt zwei geschrieben, wurde in der Uni in meinem Studiengang recht viel Druck auf die Studenten ausgeübt, sodass diese außerhalb der Uni oftmals nicht viel Zeit für andere Aktivitäten hatten. Ich lernte aber einige Franzosen aus anderen Fachbereichen kennen, mit denen ich einiges unternommen habe.
Vor allem aber hatte ich Kontakte zu internationalen (Erasmus-)Studenten. Es gab von verschieden Organisationen spezielle Angebote (so wie Wanderungen, Kanufahren etc.) für internationale aber auch französische Studenten.
So hatte ich nach einiger Zeit eine sehr nette Gruppe aus internationalen Studenten und Franzosen, mit denen ich sehr viel unternommen habe. Die internationale Gruppe mit Leuten aus der ganzen Welt war für mich eine der besten Seiten an meinem Erasmusjahr. Übrigens würde ich deshalb auch empfehlen, sich nicht nur deutschsprachige Freunde zu suchen. Es war auffallend, dass vor allem die Deutschen und die Spanier (die unter den internationalen Studenten auch am zahlreichsten vertreten waren) tendenziell sehr viel Zeit mit Landsleuten verbrachten und das ist, denke ich, nicht der Sinn des Erasmusprogramms, indem es neben dem Studium an einer ausländischen Uni auch um kulturellen Austausch gehen sollte.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Eine meiner Hauptmotivationen, ein Jahr im Ausland zu studieren, war es, eine neue Sprache zu erlernen. Da ich in der Schule keinen Französischunterricht hatte, besaß ich, als ich mich für Montpellier entschied, noch keine Vorkenntnisse in dieser Sprache. So begann ich ca. ein Jahr vor Beginn meines Auslandsaufenthaltes damit, Französisch zu lernen. Die Tatsache, dass kein einziger Kurs auf Englisch angeboten wurde und dass ein Niveau von B1 im Französischen verlangt wurde, um in Montpellier angenommen zu werden, steigerte meine Motivation, möglichst schnell diese Sprache zu erlernen. Die Grundlagen der französischen Sprache lernte ich die ersten sechs Monate zu Hause und belegte dann im Semester vor Beginn des Erasmus den Unicert B2 Kurs an der Uni, sodass ich in Montpellier ein B2 Zertifikat vorlegen konnte.
Vor allem während der ersten paar Monate in Frankreich konnte ich mich dann sehr schnell verbessern. Zu Beginn fiel es mir noch schwer, längere Konversationen zu führen und den Univeranstaltungen zu folgen und ich dachte schon, dass sich das gar nicht mehr ändern würde aber das wurde dann mit der Zeit immer leichter. Es ist einfach wichtig, gut zuzuhören und viel Französisch zu sprechen, dann kann man sehr schnell Fortschritte machen. Nach ein paar Monaten habe ich mich im Französischen dann sicherer gefühlt und konnte lange und intensive Unterhaltungen führen und den Univeranstaltungen gut folgen.
Insgesamt kann ich also sagen, dass ich mich sprachlich im Französischen sehr stark verbessern konnte, auch wenn es am Anfang anstrengend war.
Außerdem belegte ich auch den Sprachkurs, der von der Faculté des Sciences angeboten wurde. Dafür musste ich mich an die Erasmuskoordinatorin wenden. Leider war der Kurs aber nicht ganz so effektiv wie ich es mir erhofft hatte, wir hatten nur zwei Stunden pro Woche Unterricht und der Fokus lag vor allem auf dem schriftlichen Ausdruck.
Wohn- und Lebenssituation
Ich hatte mich vor allem aus Kostengründen entschlossen, mich für einen Wohnheimsplatz zu bewerben. In den Wohnheimen in Montpellier kann man ein Zimmer mit 9 m² mit Nasszelle und Gemeinschaftsküche für 247 € pro Monat inklusive aller Nebenkosten mieten.
Außerdem kann man als Student in Frankreich einen Zuschuss zur Miete erhalten, der sich CAF nennt.
Die 9 m² kamen mir gerade am Anfang zwar wirklich winzig vor, nach einiger Zeit aber hatte ich mich an diese Größe gewöhnt. Außerdem will man ja sowieso nicht die ganze Zeit in seinem Zimmer hocken und durch die geringe Miete spart man viel Geld, sodass man pro Monat mehr für Aktivitäten übrig hat.
Allerdings war es für mich nicht ganz einfach, an einen Wohnheimsplatz zu kommen. Man muss sich nämlich über den Erasmuskoordinator/in in Montpellier darum bewerben. Schlussendlich hatte ich ein paar Tage vor meiner Abfahrt dann endlich die Zusage für das ein Zimmer im Studentenwohnheim „Cité Universitaire de la Colombière“ bekommen. Dieses Studentenwohnheim war ganz ok und vor allem lag es nur 10 Minuten Fußweg von der Uni entfernt und außerdem gab es eine Tramstation direkt daneben, sodass man auch leicht und schnell in die Innenstadt kam. Wenn man die Wahl hat, würde ich aber auf jeden Fall das Wohnheim „Boutonnet“ empfehlen, da dieses sehr gut zwischen Innenstadt und Uni gelegen ist, über eine eigene Mensa, die auch abends geöffnet ist, verfügt, einen schönen großen Garten und einen Fitnessraum hat.
Das öffentliche Verkehrssystem mit vier Tramlinien und Bussen ist im Verhältnis zur Größe der Stadt ganz gut ausgebaut und auch für Studenten nicht besonders teuer. Man kann sich eine Zehnfahrtenkarte für 10€, ein Monatsticket für 30€ oder ein Jahresticket für 200€ kaufen. Ich entschied mich für letzteres.
Außerdem ist es auch sehr günstig, in die Umgebung von Montpellier zu kommen, um viele schöne kleine Dörfer zu besuchen, Wanderungen zu unternehmen, Kanu zu fahren etc. Auch hierfür kann man sich eine Zehnfahrtenkarte für den Bereich Hérault für 10€ kaufen.
Städte wie Marseille, Carcassonne, Avignon, Barcelona sind auch sehr gut mit Fernbussen und Zügen zu erreichen.
Studienfach: Biowissenschaften
Aufenthaltsdauer: 09/2018-06/2019
Gastuniversität: Université de Montpellier II
Gastland: Frankreich
Rückblick und sonstige Tipps
Ich bereue es auf jeden Fall nicht, Montpellier als Ziel für meinen Erasmusaufenthalt gewählt zu haben; ich hatte ein sehr gutes Jahr, habe viele Dinge unternommen und erlebt, die ich zu Hause nicht getan hätte und habe Bekannt- und Freundschaften mit Leuten geschlossen, die ich zu Hause nicht getroffen hätte.
Aber man muss sich im Klaren darüber sein, dass das französische Studiensystem sich von dem deutschen stark unterscheidet und (zumindest in meinem Fall) viel Druck auf die Studenten ausgeübt wird. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Es ist aber auf jeden Fall bereichernd, ein anderes Studiensystem kennenzulernen.
Außerdem ist Montpellier mit seiner studentischen Atmosphäre (über 80.000 Studenten) sehr schön, es liegt in einer landschaftlich sehr reizvollen Umgebung, die zum Wandern, Kanufahren etc. einlädt und auch das Meer ist nicht weit. Es gibt sehr viele internationale Studierende und man hat hier die Möglichkeit, sehr gut französisch zu lernen.
Ich würde auf jeden Fall empfehlen, zwei Semester zu bleiben. Ein Semester braucht man alleine schon, um sich richtig einzugewöhnen und bis sich aus Bekanntschaften Freundschaften entwickeln, braucht es auch seine Zeit. So dauert es schon ein paar Monate bis man sich einen richtigen Freundeskreis aufgebaut hat und sich richtig eingelebt hat. Außerdem kann man sich in einem Jahr auch sprachlich erheblich mehr verbessern als in nur einem Semester.