Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Den Entschluss einen Auslandsaufenthalt durchführen zu wollen fasste ich, relativ spontan, im Januar 2023, kurz vor dem Ende der Bewerbungsfrist. Motiviert wurde ich hierbei durch den Wunsch meine französischen Sprachkenntnisse zu vertiefen, das Land und seine Politik besser verstehen zu lernen und mit neuen Perspektiven an die Universität Potsdam zurückzukehren. Angeregt wurde ich zu dieser Entscheidung zudem durch die durchweg positiven und bereichernden Auslandserfahrungen meiner Kommiliton*Innen im Rahmen des Erasmus+ Programmes. Die Universität Potsdam pflegt Partnerschaften mit einer Vielzahl von Hochschulen in Europa. Informationen zu möglichen Partnerländern- und Hochschulen wie auch dem Ablauf eines Erasmus Semesters, inklusive den zu benötigen Unterlagen, sind online, auf der Website der Universität Potsdam verfügbar. Auf der Website wird zudem auf die internationalen Koordinatorinnen der Universität verwiesen, die bei individuellen Nachfragen zur Verfügung stehen (International Office). Im Bereich der Politik- und Verwaltungswissenschaften stehen (Stand 2024) 10 Partneruniversitäten in Frankreich zur Auswahl. Meine Entscheidung fiel hierbei auf die Sciences Po Grenoble – UGA. Die Sciences Po Grenoble zählt zu den „Grandes Ecoles“ in Frankreich, welche als renommierte, interdisziplinär ausgerichtete Ausbildungsstätten in Frankreich gelten. Die Sciences Po Grenoble ist Teil der Université Grenoble Alpes (kurz UGA) und befindet sich einzigartig zwischen den drei Bergmassiven Vercors, Chartreuse und Belledonne. Nachdem ich alle nötigen Unterlagen vor Beginn des Auslandssemesters im Portal der Universität Potsdam eingereicht hatte, wurde ich ein halbes Jahr vor Beginn des Auslandssemesters durch die Universität Potsdam an der Partnerhochschule nominiert. Wenige Tage später, wurde ich von der Sciences Po Grenoble über die Annahme meiner Nominierung informiert und dazu aufgefordert Bewerbungsunterlagen online einzureichen. Diese beinhalteten unter anderem einen Leistungsnachweis (Transcript of Records), Sprachnachweise in Englisch und Französisch, Learning Agreement (Before the Mobility), Gesundheits- und Haftpflichtversicherungsnachweise und weitere persönliche Dokumente (Passbild, Kopie des Ausweises).
Wohn- und Lebenssituation
Im Anhang des Zulassungsschreibens befand sich ein Welcome Guide für Exchange Students, dem zentrale Termine und Fristen zum Studium an der Universität, aber auch wichtige Informationen zur Wohnungssuche entnommen werden konnten. Studierenden aus dem Ausland wird bei Einhaltung aller Fristen in der Regel eine Wohnung oder ein Zimmer garantiert. Im Online-Portal kann man 3 Präferenzen (Zimmer im Studentenwohnheim, Wohngemeinschaft, privates Zimmer) angeben. Da diese bei der Vergabe jedoch nicht immer berücksichtigt werden können, haben sich einige Studierende über den offenen Wohnungsmarkt orientiert und eine Wohnung gefunden. Während Preise für ein Zimmer im Studentenwohnheim bei ca. 200€ beginnen, kosten Zimmer auf dem offenen Wohnungsmarkt ca. 500-750€. Während meines Auslandsaufenthalts war ich im Studentenwohnheim in der „Résidence Berlioz“ in einem 12m² großen Zimmer untergebracht. Das Zimmer kostet im Monat 290€ warm. Die Résidence befindet sich direkt auf dem Campus und ist an zwei Tramlinien angebunden, die in die Innenstadt führen. Ein großer Vorteil ist der kurze Weg zur Universität, der die aktive Teilnahme an Bildungsangeboten und studentischen Aktivitäten am Abend erleichtert. Fußläufig ist zudem die idyllische Flusspromenade der Isère zu erreichen, die sich ideal als Route für Lauf- und Radsport, wie auch Spaziergänge eignet. Das Zimmer beinhaltet ein eigenes WC und Dusche, wie auch einen Schrank und ein Regal zur Unterbringung persönlicher Gegenstände. Die Zimmer und Badezimmer weisen teilweise erhebliche Hygienemängel auf, so auch die Küche, die dem gesamten Flur zur Verfügung steht. In der Küche wird häufig Müll hinterlassen, Kochplatten werden nur selten gereinigt. Es empfiehlt sich hierbei unterschiedliche Küchen im Gebäude auszuprobieren, da insbesondere die Küchen in den oberen Etagen meist bessere Bedingungen aufweisen. Trotz dessen würde ich einen temporären Aufenthalt im Studentenwohnheim durchaus empfehlen. In der Küche oder bei Veranstaltungen im Innenhof des Studentenwohnheims hat man die Möglichkeit mit Studierenden aus aller Welt in Kontakt zu kommen, sich auszutauschen und Freundschaften zu knüpfen. Den Umgang mit anderen Bewohner*Innen habe ich von Beginn an als sehr herzlich wahrgenommen und ich habe viele tolle Menschen kennenlernen dürfen.
Mobilität und Freizeit
Die Tram verkehrt tagsüber im fünf bis zehn Minutentakt, abends alle zehn bis zwanzig Minuten. Ab ca. 2 Uhr fährt die Tram leider nicht mehr. Da viele Veranstaltungen bereits etwas früher beginnen, hat sich dies für mich als weniger großes Problem herausgestellt. Die gute Anbindung mit der Tram hat mein Sicherheitsgefühl in der Dunkelheit als weibliche Person sehr positiv beeinflusst. Als Student*In ist man mit einem Monatsticket für ca. 17€ mit der gesamten Stadt vernetzt. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit beim Fahrradverleih „Métrovélo“ sehr günstig ein Fahrrad im sehr guten Zustand auszuleihen. Die Studentenorganisation „InteGre“ bietet regelmäßig Veranstaltungen, beispielweise Barabende, Wanderungen und Ausflüge an. Diese dienen als ideale Möglichkeit erste Kontakte in Grenoble zu knüpfen und die Stadt und ihre Umgebung näher kennenzulernen. Mit einer Mitgliedschaft hat man die Möglichkeit teilweise sehr günstig an einem Wanderwochenende, inklusive Verpflegung und Unterkunft teilzunehmen. Auf diesen Ausflügen habe ich viele meiner engen Freunde kennengelernt. Aufgrund seiner Lage ist Grenoble ideal für Outdoor-Sport wie Radfahren, Laufen, Wandern oder Rudern geeignet. In der Stadt gibt es einige gemeinschaftliche Initiativen, z.B. kostenlose Lauftreffs oder Wandergruppen, bei denen es sich unabhängig vom Leistungsniveau definitiv lohnt, vorbeizuschauen (z.B. Courir à Grenoble). Diese Gruppen erlauben zudem den Kontakt zu Einheimischen, die ich als sehr offen, interessiert und herzlich wahrgenommen habe. Die Nähe zu den Bergen erlaubt es am Wochenende unterschiedlichste Wanderrouten in der Umgebung auszuprobieren, die häufig mit Bussen des Öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind. In der Stadt selbst liegt die „Bastille“, welche sich ebenfalls als Wander- und Trailrunning Route eignet. Im Winter laden eine Vielzahl umliegender Skigebiete zum Ski- und Snowboardfahren ein. Hier lohnt sich definitiv die sehr günstige Mitgliedschaft bei „UGlisse“, durch die man erhebliche Preisvergünstigungen bei der Ausleihe von Ausrüstung und auf den Skipass erhält. Zwei Mal in der Woche (Donnerstag und Samstag/Sonntag) verkehren zudem Skibusse von dem Unternehmen U-Glisse in unterschiedliche Skigebiete. Für Hin- und Rückweg zahlt man 15€. Einige Studierende finden sich auch in Fahrgemeinschaften zusammen. Zudem kann man kostengünstig an Ski- und Snowboardkursen teilnehmen. Ich habe selbst nicht daran teilgenommen, Freund*Innen haben aber von ihren schnellen Erfolgen und eine tolle Stimmung in der Gruppe berichtet. In der Innenstadt von Grenoble gibt es viele Restaurants, Cafés und Bars, die dazu einladen den Tag in der Stadt zu verbringen. Zudem gibt es einige Museen in Grenoble, die für Studierende häufig kostenlos zugänglich sind, so beispielweise das Musée de Grenoble, eines der renommiertesten Museen Frankreichs für zeitgenössische und moderne Kunst. Die Clubszene ist in der Stadt weniger stark ausgeprägt. Die Studentenorganisation der Sciences Po (ISI Sciences Po) richtet jedoch regelmäßig Partys in den Gebäuden der Universität oder in Bars aus. Die Veranstaltungen werden von einem großen Teil der französischen und internationalen Studierenden besucht.
Eine gute Alternative zu den vielen Fast-Fashion Läden in der Innenstadt sind einige Second-Hand Kleidungs- und Gebrauchswaren Geschäfte (beispielsweise Club 66, Emmaüs, RecycleRie). Hier finden sich neben einzigartigen Kleidungsstücken für kleines Geld auch sehr günstige, technische Geräte für die Wohnung, wie beispielsweise Wasserkocher oder Toaster. Die Lebenserhaltungskosten sind in Frankreich generell etwas höher als in Deutschland, was sich insbesondere beim Einkaufen oder in Restaurants bemerkbar macht. Die Preise in den Supermärkten variieren stark, weshalb es sich für niedrigere Preise lohnt einen Lidl, Casino oder Auchan aufzusuchen. Die Ketten Carrefour und Utile, welche sich tendenziell eher in der Innenstadt befinden, sind meist etwas teurer. In der Stadt befinden sich zudem einige Biosupermärkte. Sparen kann man definitiv durch das Essen in der Kantine der UGA. Hier gibt es ein Hauptgericht, Salat und einen Nachtisch ab 3,50€.
Studium an der Gastuniversität
An der Sciences Po Grenoble hat man die Möglichkeit zwischen 3 Tracks zu wählen. Die Kurse finden je nach Track ausschließlich auf Englisch (mit Ausnahme des Sprachkurses), auf Englisch und Französisch oder ausschließlich auf Französisch statt. Der Track 1 ist hierbei eine großartige Möglichkeit für Studierende mit geringen Sprachkenntnissen in Frankreich zu studieren und sich vor Ort der Sprache anzunähern. Das Kursangebot stellt eine Mischung aus Vorlesungen und Seminaren dar. Es ist verpflichtend, einen Sprachkurs bis zum Niveau C1 in Französisch zu absolvieren. Zusätzlich wird ein Tutoring-Programm angeboten, bei dem sich in der Regel zwei internationale und zwei französische Studierende einmal in der Woche treffen und sich auf Französisch unterhalten, gemeinsam Hausarbeiten erledigen oder eine Aktivität durchführen. Die Ausgestaltung dieser Zusammentreffen hängt stark von Gruppenkonstellation und zeitlicher Kapazität ab, bietet generell aber eine super Gelegenheit sich auf französische Gespräche einzulassen und Kontakt zu französischen Studierenden herzustellen. Die Organisation der Kurse war zu Beginn leider etwas verwirrend, sodass vielen Studierenden unklar war, welche Kurse zu welchen Zeiten stattfinden würden. Bei individuellen Nachfragen waren die beiden internationalen Koordinatorinnen jedoch sehr engagiert und zuverlässig erreichbar, um Studierende bestmöglich zu unterstützen. Von den Vorlesungen war ich leider sehr enttäuscht. Die dozierenden Personen redeten teilweise zwei Stunden am Stück ohne Raum für Fragen oder Anmerkungen zuzulassen. Die Ausgestaltung des Formats wie auch die verwendeten Präsentationsfolien mit sehr viel Text scheinen veraltet. Ein Problem stellt hierbei auch die Sprachbarriere dar. Die dozierenden Personen wirken sehr kompetent, sie sprechen auch fließend Englisch, jedoch ist dieses teilweise wenig verständlich, Fragen von Studierenden wurden zudem häufig missverstanden oder blieben unbeantwortet. Sehr zufrieden war ich hingegen mit den angebotenen Seminaren, so beispielsweise dem Kurs „Contemporary Issues in the Arab and Muslim World“. Die, im Seminar stattfindenden Diskussionen im internationalen Teilnehmer*Innenfeld habe ich als sehr bereichernd wahrgenommen. Empfehlen kann ich zudem die „Themend Seminars in English and Foreign Languages“ (LV). In diesen themenspezifischen Sprachkursen studiert man gemeinsam mit den französischen Studierenden aus dem sechsten Fachsemester, bei Vorträgen und weiteren Gruppenarbeiten wurden internationale und französische Studierende miteinander gemischt. Die Kurse erfordern viel eigenständiges Vor- und Nacharbeiten, sind aber sehr kreativ ausgestaltet und erlauben viel aktive Mitarbeit. Ich hatte das Gefühl mein fachspezifisches Vokabular in Englisch im Rahmen des Kurses stark verbessern zu können. Zum Lernen stehen auf dem Campus unterschiedliche, modern eingerichtete Bibliotheken und Gruppenräume mit Computern und Druckern zur Verfügung. Als Student*In der Sciences Po sind alle Bibliotheken auf dem Gelände zugänglich, lediglich die Bibliothek der Sciences Po ist für Studierende der Fakultät reserviert. In dieser ist es häufig jedoch sehr laut, weshalb es sich durchaus lohnt andere Standorte auszuprobieren. Wie bei der Organisation der Kurse gab es leider auch Probleme bei der Kommunikation der Leistungsanforderungen. Häufig machten Lehrkräfte widersprüchliche Aussagen über Termine für Klausuren und Abgaben. Die Leistungsbewertung ist aus meiner Perspektive hingegen sehr transparent und nachvollziehbar. In einem Feedbackbogen wurde ich über die Zusammensetzung meiner Note informiert. Zusätzlich zum politik- und sozialwissenschaftlichen Kursangebot gibt es die Möglichkeit benotete und unbenotete Sportkurse zu wählen. Das Angebot ist hierbei sehr vielfältig und reicht von Teamsportarten wie Basketball über Schwimmen, Boxen oder Outdoor-Klettern bis Skifahren und Tanzen. Die Leistungsanforderungen in den Kursen sind meist sehr hoch, zudem herrscht Anwesenheitspflicht. Diese Faktoren sollten insbesondere bei der Wahl eines benoteten Kurses beachtet werden.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Während meines Aufenthaltes in Grenoble konnte ich durch den Kontakt zu Studierenden aus aller Welt insbesondere meine Sprachkenntnisse in Englisch verbessern. Dies wurde auch durch die Vielzahl von Vorträgen im Rahmen der universitären Veranstaltungen gefördert. Ich konnte mein Vokabular erweitern und habe das Gefühl in der Sprache um ein Vielfaches selbstbewusster auftreten zu können. Generell konnte ich zudem mein Verständnis für die französische Sprache verbessern. Da ein Großteil der Studierenden fließend Englisch spricht, war es häufig leichter sich auf Englisch, selbst mit französischen Studierenden, auszutauschen. Wer intensiver an seinem Französisch arbeiten möchte, sollte außeruniversitäre Sport -und Freizeitvereine aufsuchen, dort sprechen meist nur wenige Teilnehmende Englisch sprechen. Alternativ kann man auch darüber nachdenken, in eine Wohngemeinschaft mit französischen Studierenden zu ziehen. Der Sprachkurs der Universität hat mir dabei geholfen, grammatikalische Grundlagen aufzufrischen und Hemmungen Gespräche auf Französisch zu führen abzubauen. Die Lehrerin war sehr geduldig und hat uns mit vielen kreativen, kollektiven Übungen an die Sprache herangeführt. Mein Vokabular konnte ich jedoch nur wenig erweitern.
Studienfach: Politik, Verwaltung, Organisation / Political Science
Aufenthaltsdauer: 09/2023 - 01/2024
Gastuniversität: Sciences Po Grenoble
Gastland: Frankreich
Rückblick
Die Zeit an der Sciences Po Grenoble bleibt mir sehr positiv in Erinnerung. Im Studentenwohnheim und an der Universität hatte ich die Möglichkeit Menschen aus Frankreich und der ganzen Welt kennenzulernen und mich mit unterschiedlichsten Lebensrealitäten auseinanderzusetzen. Die Sciences Po Grenoble bemüht sich durch Veranstaltungen sehr darum ausländische Studierende einzubinden. Ich habe mich sehr schnell integriert gefühlt und habe viele großartige Menschen kennengelernt. Obwohl ich von der akademischen Lehre in Potsdam mehr mitnehmen konnte, war es sehr bereichernd ein anderes Universitätssystem kennenzulernen. Besonders gut haben mir hierbei die Teilnahmemöglichkeiten in den Seminaren gefallen. Die Vielzahl an zu haltenden Vorträgen hat mich herausgefordert und meine Präsentationsfähigkeiten geschult. Die Stadt ist aus meiner Perspektive vor allem für sport- und naturbegeisterte Personen geeignet. Grenoble ist eine sehr aktive Stadt, die zu eigener Tätigkeit motiviert. Selbst Freund*Innen von mir, die sich im Vorhinein als unsportlich beschrieben hätten, konnten ihre Liebe zum Wandern oder Laufen hier entdecken. Im Vergleich zum Leben und Aufwachsen in der Großstadt hat mir die gemeinschaftliche Organisation, die sich durch jegliche Lebensbereiche in Grenoble zieht, sehr gut gefallen. Im Rahmen meines Auslandssemesters konnte ich viele neue Aktivitäten, wie Snowboarden, Trailrunning und Boxen ausprobieren und aus meiner Comfort-Zone heraustreten.