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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Insgesamt habe ich die administrative Vorbereitung des Auslandsaufenthalts als relativ entspannt empfunden. Da ich mich bereits im Vorjahr beworben und eine Zusage erhalten hatte, meinen Platz aber aufgrund der Pandemielage nicht in Anspruch genommen hatte, musste ich nicht erneut alle Dokumente einsenden, sondern das International Office verwendete zu einem Großteil meine bereits vorhandenen Unterlagen. Nachdem ich dann von der UP eine Zusage bekommen hatte, musste ich nochmal einige Dokumente nach Bordeaux senden, doch auch das war mit überschaubarem Aufwand verbunden. Nur dass die Dokumente auf Französisch waren, erschwerte das Ganze etwas. Da das Prüfungsbüro meines Masters in Internationalen Beziehungen nicht an der FU Berlin angesiedelt ist, musste ich das Learning Agreement auch mit dem entsprechenden Ansprechpartner in Berlin abklären. Doch auch das stellte kaum einen Mehraufwand dar. Die Kommunikation seitens der UP und der Sciences Po verlief ziemlich reibungslos und beide Büros standen immer für Nachfragen bereit. Eléna Dûbaa, die Ansprechpartnerin in Bordeaux, spricht gut Englisch. Somit muss man auch keine Scheu haben, sich dort zu melden, auch wenn das Französisch vielleicht noch nicht so ganz sitzt.


Studienfach: Internationale Beziehungen (M.A.)

Aufenthaltsdauer: 08/2021 - 12/2021

Gastuniversität: Sciences Po Bordeaux

Gastland: Frankreich

In Bordeaux würde ich empfehlen, mir die Kurse während den ersten beiden Wochen mal anzuschauen, um dann evtl. noch Änderungen in der Kurswahl vorzunehmen. Da lohnt es sich auch, zu Beginn etwas Zeit zu investieren, um dann die Kurse zu wählen, die einem am meisten zusagen. Erst nach ca. zwei Wochen muss man sich dann verbindlich für die Kurse anmelden.

Studium an der Gastuniversität

Ich hatte vorher schon einiges über den Lehrstil in Frankreich gehört und leider muss ich sagen, dass sich für mich viele pessimistische Berichte bestätigt haben. Insgesamt ist das System wesentlich verschulter, die Lehre sehr frontal und wenig interaktiv und Inhalte auch eher deskriptiv als analytisch-kritisch. Dennoch würde ich sagen, dass ich einiges mitnehmen konnte. Ich war im sogenannten French Track, musste also mindestens die Hälfte meiner Kurse auf Französisch wählen. Allein die tägliche Auseinandersetzung mit Französisch hat mir sehr geholfen und Spaß gemacht. Außerdem klangen in Kursen auch immer wieder französische Eigenheiten durch und man lernt meiner Meinung nach, auch wenn man nicht das AEP/CEP Programm macht, etwas über die französische Sichtweise auf die Dinge. Das Kursangebot hat mir insgesamt sehr zugesagt. Es wurden einige Kurse zu Afrika angeboten, die ich vor allem vor dem Hintergrund der französischen Kolonialgeschichte sehr interessant fand. In Kursen auf Französisch würde ich empfehlen, direkt am Anfang eine*n französische*n Studierende*n anzusprechen und nach Notizen zu fragen. Es wird erwartet, dass man fast alles wortwörtlich mitschreibt und die bereitgestellten Präsentationen und Skripte variieren sehr in ihrer Nützlichkeit. Daher ist es hilfreich, die Notizen von jemandem zu haben, die*der weiß, worauf es ankommt.

Kontakt zu einheimischen und internationalen Studierenden

Durch die Erasmus-Orientierungswoche war es sehr einfach, direkt am Anfang Kontakt zu internationalen Studierenden zu knüpfen und diesen dann auch unter dem Semester aufrechtzuerhalten. Außerdem hat die Erasmus-Organisation Erasmix allen internationalen Studierenden eine*n Buddy Partner*in zur Seite gestellt, was auch sehr hilfreich war. Dadurch hatte man bei Fragen immer eine*n direkte*n Ansprechpartner*in und außerdem im Idealfall auch direkt eine*n Tandempartner*in. Dadurch, dass man von Anfang an die Erasmus-Studierenden kannte, war es meistens in den Kursen auch so, dass man eher mit Erasmus Leuten zusammen war und weniger Kontakte zu einheimischen Studierenden geknüpft hat. Dafür eignen sich meiner Meinung nach die studentischen Vereine, sog. Associations, besser. Ich war mit ein paar Erasmus Freund*innen im Kletterclub und habe dadurch auch einige französische Studierende kennengelernt. Besonders toll war dabei ein mehrtägiger Ausflug ins Dordognetal. Bei so einem Trip lernt man sich natürlich besser kennen und baut eine engere Beziehung auf. Daher kann ich vor allem die Kletterassociation, aber auch andere Clubs, die Ausflüge anbieten, wie z.B. die Wanderassociation, sehr empfehlen.

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Ich hatte leider in der Schule nie Französisch, war aber durch Unikurse vor meinem Auslandsaufenthalt formal auf einem B2 Level, wobei der OLS Test meine Kenntnisse eher bei B1 verortete. Da ich im French Track war, musste ich mehr als die Hälfte meiner Kurse auf Französisch belegen. Das war einerseits sehr herausfordernd, aber hat mich gerade rückblickend auch durchaus weitergebracht. Insgesamt habe ich schon versucht, mich bewusst in Situationen zu begeben, in denen ich nur Französisch sprechen konnte, wie z.B. in meiner Wohnung (siehe unten) oder bei Freizeitaktivitäten. Ich habe mir direkt zu Beginn über Facebook einen französischen Tandempartner organisiert und das würde ich definitiv auch weiterempfehlen. Ich fand es persönlich bereichernd, nicht nur mit Sciences Po Leuten zu tun zu haben und auch mit einem Franzosen zu sprechen, der Deutschland durch einen Auslandsaufenthalt selbst besser kannte. Ich habe den Eindruck, dass vor allem mein Alltagsfranzösisch (welches sich von der geschriebenen Sprache klar unterscheidet) besser geworden ist und sich meine Lese- und Hörverständniskenntnisse stark verbessert haben. Vor allem mein passiver Wortschatz hat sich erweitert, für weitere Fortschritte im aktiven Wortschatz hätte ich selbst noch mehr Zeit investieren müssen. Im Großen und Ganzen war ich sehr zufrieden mit meinem Fortschritt und konnte nach dieser Zeit relativ gut an Konversationen teilnehmen, auch wenn dabei die Limitationen meiner eigenen Sprechfähigkeit teilweise doch sehr deutlich wurden.

Wohn- und Lebenssituation

Die Entwicklung meiner Wohnsituation glich ein wenig einer Achterbahnfahrt. Nachdem ich auf Grundlage vorheriger Erfahrungsberichte das Angebot für einen Platz im Studierendenwohnheim abgelehnt hatte, habe ich vor meiner Abreise intensiv, aber überwiegend erfolglos nach einem WG-Zimmer gesucht. Dabei habe ich vor allem „Leboncoin“ (wie Ebay Kleinanzeigen, man kann gezielt nach WGs suchen unter „Immobilier“, „Colocation“) und diverse Facebook Gruppen verwendet. Letztendlich wurde mir nach einer Onlinebesichtigung ein Zimmer angeboten, das schon online nicht so toll aussah, ich aber mangels Alternativen annahm. Vor Ort stellte sich die Wohnung trotz eines sehr netten älteren Mitbewohners als verrauchte Messiebude heraus, in der ich nicht länger bleiben wollte und somit meine ersten zwei Wochen vor Unibeginn weiterhin mit WG-Suche beschäftigt war. Vor Ort wurde mir dann noch die Seite „La Carte des Colocs“ empfohlen, die dem deutschen WG gesucht wohl am nächsten kommt. Insgesamt hat sich die Suche als ziemlich schwierig herausgestellt. Gerade wenn man nur für ein Semester bleibt und wenig Französisch spricht, ist man nicht unbedingt der attraktivste Mitbewohner auf dem sowieso schon relativ dünnen WG-Markt. Erst im Nachhinein habe ich von der Seite Visale erfahren, über die man unkompliziert eine Bürgschaft bekommen kann. Die Preise für WG-Zimmer bewegen sich auf einem ähnlichen Niveau wie in Berlin, es gibt durchaus Zimmer für um die 450 Euro, die Norm ist mittlerweile aber eher höher und man kann auch mal 650 Euro bezahlen. Letztendlich habe ich nach zwei Wochen der Suche über ein Angebot, das von der Sciences Po geteilt wurde, ein Zimmer bei einer französischen Familie gefunden. Die Zeit dort war sehr nett, das Zimmer bzw. die Wohnung sehr schön eingerichtet, zentral, bezahlbar und zudem hatte ich noch tägliche französische Sprachpraxis. Auf der anderen Seite war ich in meiner Autonomie durch das Zusammenleben mit der Familie doch etwas eingeschränkt und konnte beispielsweise keine Leute einladen. Daher habe ich mich nach zwei Monaten nochmals für einen Umzug entschieden und über Carte des Colocs relativ spontan eine Zwischenmiete mit einem französischen Paar gefunden. Prinzipiell würde ich empfehlen, sich möglichst früh auf die Suche zu machen und Leute wenn möglich direkt anzurufen. Die Zimmer im Wohnheim sind günstig, aber sehr klein und liegen in Pessac, also nicht direkt in der Stadt. Trams fahren unter der Woche nur bis kurz nach Mitternacht, was die Flexibilität des Ausgehens dann doch etwas einschränkt. Auf der anderen Seite braucht man mit dem Fahrrad nur ca. 20 Minuten bis ins Zentrum und ist damit auch sehr unabhängig. Ein-Gang Fahrräder kann man bei der Stadt kostenlos (gegen ein Pfand) ausleihen, ansonsten bietet sich auch hier Leboncoin an, wobei auch die Tickets für die öffentlichen Verkehrsmittel sehr erschwinglich sind. Man hat auch als Erasmus Studierende*r Anspruch auf Wohngeld von der französischen Regierung (sog. CAF), der Prozess das zu beantragen ist allerdings etwas zäh. Zudem braucht man ein französisches Bankkonto, was auch nicht besonders kompliziert zu eröffnen ist, aber dann doch einige Zeit in Anspruch nimmt. Trotzdem lohnt sich der Antrag durchaus, je nach Wohnsituation können einem bis zu 150 Euro im Monat zustehen. Lebensmittel sind merklich teurer als in Deutschland und auch in der Gastronomie spürt man die höheren Preise. Für ein Bier kann man gut und gerne mal 7 Euro bezahlen, wobei es natürlich auch günstigere Bars gibt. In Sachen Freizeitgestaltung lässt Bordeaux nichts zu wünschen übrig. Die angesprochenen Associations sind niedrigschwellige Angebote über die Uni, aber darüber hinaus gibt es wie in jeder größeren Stadt unheimlich viele Möglichkeiten, sich einzubringen. Ich habe z.B. mein Hobby Ultimate Frisbee in einem Verein dort weitergeführt, was auch eine gute Möglichkeit war, in einem komplett französischen Umfeld zu sein. Die Stadt ist durch ihr vielseitiges kulturelles Angebot und die Nähe zum Atlantik sehr lebenswert. Mit dem Auto ist man in einer knappen Stunde am Meer, mit dem Bus dauert es zwei Stunden. Zudem ist man schnell im Baskenland, in den Pyrenäen und mit dem TGV auch in zwei Stunden in Paris. Bordeaux ist also auch ein hervorragender Ausgangspunkt für Wochenendtrips. Direkt von Beginn an hat mich in Bordeaux die Lebensart sehr begeistert. Gerade im Spätsommer und Herbst hat sich das Leben noch primär draußen abgespielt, Bars und Restaurants sind oft sehr voll und man spürt, dass Menschen das Leben genießen. Diese Atmosphäre habe ich sehr genossen.

Studienfach: Internationale Beziehungen (M.A.)

Aufenthaltsdauer: 08/2021 - 12/2021

Gastuniversität: Sciences Po Bordeaux

Gastland: Frankreich


Rückblick

Im Großen und Ganzen blicke ich auf ein großartiges Semester zurück und möchte diese Erfahrung nicht missen. Ich habe das Semester als sehr kurz empfunden, wer also richtig ankommen will, dem würde ich einen Aufenthalt über zwei Semester empfehlen. Sicherlich ist es dann auch nochmal leichter, französische Kontakte aufzubauen und weitere sprachliche Fortschritte zu machen. Dafür würde ich jedem wärmstens empfehlen, sich eine*n Tandempartner*in zu suchen, in eine französischen WG zu ziehen und/oder sich einer Association anzuschließen. Wem es primär darum geht, Französisch zu lernen und in einer spannenden Stadt in Frankreich zu leben, dem kann ich Bordeaux sehr ans Herz legen. Wer sich von einem „grande école“ eine außerordentliche Lehre verspricht, der wird wahrscheinlich eher enttäuscht werden. Ich hatte eine tolle Zeit in Bordeaux und freue mich schon auf den nächsten Besuch!

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