Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Für die University of Turku habe ich mich fachfremd und kurz vor Ende der Bewerbungsfrist (Ende April) beworben. Dafür habe ich den Fachbereich der Romanistik, der über diesen Erasmus-Platz verfügte, und das International Office der University of Turku per E-Mail kontaktiert. Nachdem mir beide mitgeteilt hatten, dass ich mich bei der Faculty of Education bewerben darf, habe ich alle Unterlagen eingereicht und zwei Tage später bereits meinen Acceptance Letter und all meine Zugangsdaten gehabt. Ich kann nur sagen, dass sowohl das International Office in Turku als auch in Potsdam unterstützend waren und mir binnen Stunden bei allen wichtigen Unterlagen geholfen haben. Somit hatte ich einen unkomplizierten Vorbereitungsweg, welchen ich grundsätzlich auch schon von meinem vorangegangenen Erasmus-Semester kannte.
Studium an der Gastuniversität
Die finnische Universität ist sehr gut organisiert. Alle wichtigen Informationen werden per E-Mail gesendet, auf der Website erklärt und in den einführenden Veranstaltungen wiederholt. Es gab ein breites, abwechslungsreiches Seminar-Angebot an der Faculty of Education. Die Anforderungen sind grundsätzlich eher hoch. Da es keine Vorlesungen sind, sondern vor allem Seminare, sind Vorbereitung und Mitarbeit gefordert. Die finale Leistungsbewertung war meist ein finales Essay. Zudem gibt es während des Semesters Studienleistungen wie Präsentationen, kurze Essays, Journals, Gruppenarbeiten etc. Das Semester ist dabei in zwei Perioden unterteilt, welche thematisch, zeitlich oder durch Zwischenprüfungen gesplittet sind. Eins ist sicher: das finnische Bildungssystem, welches für seine Qualität bekannt geworden ist, bildet die Referenz. Die Öffnungszeiten der Bibliotheken in Finnland sind leider kürzer, dafür gibt es in jeder Fakultät eine eigene Fach-Bibliothek. Die technische Ausstattung ist in jedem Raum makellos beeindruckend. Mitarbeitende und Dozierende sind sehr freundlich in Finnland und es gilt ein Verhältnis auf Augenhöhe, z.B. duzt man sich, was das Klima angenehm machte. Zudem habe ich viele internationale Dozierende und Studierende im Uni-Kontext kennengelernt, was den Austausch noch diverser machte. Generell möchte ich festhalten, dass das Studium in Finnland wirklich bereichernd war. Ich habe mehr über die verschiedenen Dimensionen der Pädagogik und ihre Umsetzung gelernt als in drei Jahren Bachelor of Education. Vor allem empfehlenswert ist die Möglichkeit für praktische Erfahrungen. Somit konnte ich erstmals ein dreimonatiges Praktikum an einer International School mit finnischem Bildungssystem machen.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Finnische Menschen gelten als schüchtern. Aber wenn man sie anspricht, sind sie stets nett, hilfsbereit und vor allem sprachkompetent, was auch für die älteren Generationen gilt. In den englisch-sprachigen universitären Kursen waren zu 95% internationale Studierende. Einheimische Studierende habe ich kennengelernt, da ich einer Fachschaft, die viele Veranstaltungen organisiert, beigetreten bin. Das Erasmus Netzwerk ESN organisiert viele Events und Trips, sodass man garantiert viele Menschen kennenlernt. Alle Infos werden auf Social Media gepostet. Mir ist aufgefallen, dass die Rate an deutschen Studierenden in Finnland ziemlich hoch ist.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Vor dem Aufenthalt habe ich auch im Ausland gewohnt und war daher flüssig im mündlichen englischen Sprachgebrauch. Doch in Finnland konnte ich mein akademisches Englisch verbessern. Bei den schriftlichen Abgaben wurde ich von Mal zu Mal sicherer und insbesondere der Wortschatz vergrößerte sich, was auch an den Lesematerialien lag. In der International School wurde ich zudem vor neue Sprachherausforderungen gestellt, da ich zum ersten Mal auf Englisch unterrichtet habe bei Schüler:innen mit einem hohen Sprachniveau. Die Absprachen mit den Lehrpersonen, das Erstellen der Unterrichtsmaterialien, die Kommunikation mit den Lernenden, die Auswertungsmeetings mit meinen Mitstudierenden basierten stets auf Englisch. Aufgrund dieser Kontexte habe ich mein Englisch immens verbessert. Einen finnischen Sprachkurs habe ich nicht belegt.
Wohn- und Lebenssituation
Ab dem ersten Mai kann man sich für die Studierendenwohnheime von TYS bewerben. Unbedingt so schnell wie möglich bewerben! Ich habe ein Zimmer in einer 2er-WG in Iltakajo, das Wohnheim nur für exchange students etwas außerhalb der Stadt, bekommen. Das Angebot kam erst im Juli, daher musste ich lange geduldig bleiben. Die TYS-Zimmer sind die einzigen günstigen Unterkünfte in Turku (ca. 340 Euro pro Monat). Von Freunden erfuhr ich, dass sie Zimmer privat für 800-1200 Euro pro Monat mieten mussten. Öffentlich verkehrt ein gutes Bussystem. Beim Föli-Office kann man sich eine Dauer-Karte für den Zeitraum kaufen, was für vier Monate ungefähr 140 Euro waren. Die Lebenshaltungskosten sind etwas höher in Finnland. Es gibt jedoch verschiedene Supermärkte, z.B. im Prisma gibt es alles für faire Preise. Gut und preisgünstig waren die vielen Mensen, die von morgens bis abends sowie teilweise an Wochenenden geöffnet haben. Turku ist definitiv eine moderne Studierendenstadt mit ein paar Highlights. Zudem hat man viel Natur um sich herum. Grüne Nationalparks, unzählige Schären-Inseln, Seen, der Fluss Aura und die Ostsee sind in der Umgebung. Nicht zu vergessen: Finnen lieben ihre Sauna. Auch im Wohnheim gab es Saunen. Ab den kalten Monaten kann ich definitiv Eisbaden als glückshormonelles Erlebnis empfehlen. Auch Wochenendtrips in gemütliche Holzhütten sind nicht nur klischeehafte, sondern wirklich schöne Erfahrungen und entsprechen dem normalen Lebensstil eines Finnen.
Studienfach: Education (M.Ed.)
Aufenthaltsdauer: 08/2022 - 12/2022
Gastuniversität: University of Turku (Turu Yliopisto)
Gastland: Finnland
Rückblick
Rückblickend kann ich festhalten, dass ich ein erfahrungsreiches Semester in Turku verbringen durfte. Die Stadt fühlte sich schnell gewöhnlich an, da sie der deutschen Kultur nicht allzu fern ist. Die umliegende Natur und die gute Anbindung zu anderen Teilen Finnlands (mit Zug/Bus) oder zu Nachbarländern (mit der Fähre) garantieren auch, dass man viel reisen kann. In Bezug zur universitären Ebene waren meine persönlichen Highlights die Kurse „Multicultural Education“ und „School Experience at International School Turku“. Das Studium war intensiv, lehrreich und empfehlenswert. Genauso wie die Erfahrung, temporär in Finnland zu leben. Garantiert trifft man auch viele internationale und einheimische Studierende, die die Zeit im Ausland noch wertvoller machen.
Sonstige Tipps:
bei TYS-Wohnheimen direkt am 1. Mai bewerben (zumindest für das Wintersemester)
finnische Patches als Erinnerung sammeln - Overalls mit selbst-aufgenähten Patches sind eine Studierendentradition
Munki probieren
Campus Sport ist sehr lohnenswert mit vielen verschiedenen Sportkursen und Fitnessstudios
Vegane/vegetarische Buffets in einigen Mensen