Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Informationen zum Erasmus+-Programm habe ich sehr früh erhalten. Da die Bewerbungsphase für sowohl das Wintersemester 2021/22 als auch das Sommersemester 2022 bereits im Januar 2021 endete, musste ich mich ein Jahr vorher entscheiden, wo ich mein Auslandssemester absolvieren möchte. Bereits Anfang Februar hatte ich dann auch schon eine Rückmeldung und eine Zusage für die Åbo Akademi in Finnland (https://www.abo.fi/). Im April meldete sich dann die Gasthochschule bei mir mit genauen Anweisungen, wie und wo ich meine Bewerbungsunterlagen einreichen muss. Teil der Bewerbungsunterlagen war ein Study Plan/Learning Agreement, mein Transcript of Records, ein Nachweis über meine Sprachkenntnisse sowie eine Kopie des Passes. Viele der angebotenen Kurse konnte ich auch schon im Voraus im Vorlesungsverzeichnis einsehen (https://studiehandboken.abo.fi/sv/index?period=2022-2024). Auch meldete sich kurz vor Weihnachten 2021, also kurz bevor es dann für mich richtig los ging, meine Tutorin bei mir. Tutor*innen haben normalerweise Gruppen von 5-8 Gaststudierenden und helfen bei allen organisatorischen Fragen, die im Vorfeld oder während des Aufenthalts anfallen. Gerade in einer Zeit, in der es doch einige Unsicherheiten bzgl. der Einreise unter Pandemieauflagen gab, war dies eine große Hilfe. Aber auch später konnte ich mich immer wieder an meine Tutorin wenden und sie in allen akademischen und persönlichen Angelegenheiten um Hilfe bitten.
Studium an der Gastuniversität
Der Beginn des Studiums an der Gasthochschule fand online statt. Da das finnische Studienjahr etwas anders aufgeteilt ist als das deutsche, beginnt das Sommer- bzw. Frühlingssemester bereits im Januar und zwar mit dem sogenannten dritten Term. Was ich vorher nicht wusste ist, dass es recht viele Selfstudy-Kurse an der Åbo Akademi gibt. Ob erst durch die Covid- Pandemie bedingt oder auch schon davor, kann ich nicht sagen. Nach einer Einführungswoche, die online stattfand, waren wir mehr oder weniger in der Lage, die Kurse selbstständig zu wählen. Als Studentin der Åbo Akademi durfte ich ebenfalls Kurse der University of Turku wählen, was jedoch etwas spät kommuniziert wurde. Da sich das System gerade in einer Umstellungsphase befindet, war es zwar nicht die Schuld der Universität, doch hätte ich mir ehrlich gesagt gewünscht, dies schon vorher gewusst zu haben. Dementsprechend konnte ich erst im vierten Term weitere (notwendige) Kurse an der University of Turku (https://www.utu.fi/en) belegen, die in meinem Fall in meinen Study Plan sehr viel besser gepasst haben, als die Kurse meiner eigentlichen Gasthochschule. Auch war es möglich, an Kursen der Open University und an Kursen des HILMA-Netzwerkes (https://blogs.helsinki.fi/hilma-verkosto/in-english/) teilzunehmen, was eine schöne Ergänzung zu dem eigentlichen Kursangebot war. Hier lohnt es sich auf jeden Fall, Dozierende direkt anzusprechen und eigenständig weitere Nachforschungen durchzuführen. Generell ist die Kommunikation mit allen Mitarbeitenden und Dozierenden der Universität sehr angenehm und locker und alle versuchen ihr Bestes, so schnell und gut wie möglich zu helfen. Ich hatte oft mehr das Gefühl mit Tutor*innen zu sprechen, als mit eigentlichen Dozierenden. Die Anforderungen für die einzelnen Kurse variierten während des Semesters stark. Während es in manchen Kursen reichte, wöchentliche Aufträge zu erfüllen und am Ende eine Klausur zu schreiben, musste man in anderen das drei- oder vierfache an Leistung erbringen, Poster präsentieren, mehrere Klausuren und Hausarbeiten schreiben und zusätzlich noch Learning Diaries führen. Generell schien die Bewertung jedoch immer sehr fair. Gerade in Kursen, in denen Hausarbeiten geschrieben werden mussten, wurde oft eine Voreinschätzung der Arbeit mit möglichen Verbesserungsvorschlägen geliefert und damit auch die Möglichkeit, sich selbst zu verbessern. Ich hatte das Gefühl, dass es vielen Dozierenden nicht darum geht, schlechte Noten zu verteilen, sondern vielmehr eine persönliche Leistungssteigerung zu erzielen. Dieses System bedeutete jedoch auch in meinem Fall, in einem Semester neun Hausarbeiten zu schreiben – doch habe ich hier mehr über die einzelnen Themen gelernt und aus den Seminaren mitgenommen, als aus vielen anderen in Deutschland. Da auch viele einheimische Studierende die englischsprachigen Kurse belegten, konnte man auch dort immer wieder neue Leute treffen. Leider bestanden zumindest meine Kurse im dritten und vierten Term überwiegend aus Selfstudy-Kursen, sodass ich im Großen und Ganzen leider nur wenig direkten Kontakt mit anderen (einheimischen) Studierenden direkt über die Kurse hatte. Auch war die technische Ausstattung der Bibliotheken, Labore und Arbeitsräume sehr beeindruckend und es fehlte an nichts. Mit einem eigenen Schlüssel konnte man in einigen Bibliotheken in angenehmer Atmosphäre bis 1 Uhr nachts ungestört arbeiten.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Geschuldet durch die Unterkunft, in der in meinem Fall nur Internationals lebten, hatte ich weniger Kontakt zu einheimischen und mehr zu ausländischen Studierenden. Wohnheimpartys und regelmäßige Barbesuche haben sehr zum guten Klima beigetragen und man hat schnell Kontakte und Freundschaften geknüpft, die auch hoffentlich über den Austausch hinweg halten werden. Einheimische Studierende konnte man aber auch immer wieder bei diversen Veranstaltungen in der Stadt treffen und auch hier gute Freundschaften schließen. Auch gab es das Angebot, am sogenannten Friendship-Programm (https://www.abo.fi/en/friendship-programme/) teilzunehmen, bei dem Internationals und Locals nach Interessen einander „zugeteilt“ wurden. Mein „Buddy“ war eine sehr liebe gleichaltrige finnische Studentin, die mir viel der Stadt zeigen konnte und immer für einen Kaffee oder Tee zu haben war.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Zwar habe ich während meines Auslandaufenthaltes einen Sprachkurs belegt, doch ist Finnisch eine recht schwierige Sprache und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich diese nun erlernten Grundlagen in Zukunft noch viel brauchen werde. Mit Englisch war ich immer auf der sicheren Seite und habe mich (meist) ohne Probleme im Alltag zurechtgefunden. Unterrichtssprache war zudem in all meinen Kursen Englisch bzw. Schwedisch.
Wohn- und Lebenssituation
Über die Internetseite der Åbo Akademie hatte ich von der Möglichkeit erfahren, mich bereits im Oktober auf einen Wohnheimplatz (https://tys.fi/en) zu bewerben. Bereits früh wurde kommuniziert, dass es wichtig sei, dies auch rechtzeitig zu tun, da die Plätze recht begrenzt sind. Im November bekam ich dann auch die Zusage für eine Dreier-WG etwas außerhalb des Stadtzentrums. Mit dem Bus brauchte ich etwa 20-25 Minuten zur Uni und 25-30 Minuten ins Stadtzentrum. Die Miete war mit 315 Euro sehr günstig, gerade für finnische Verhältnisse. Jedoch variierte die Größe der Zimmer innerhalb des Wohnheims recht stark, auch wenn die Miete gleich blieb. Die WGs waren schön eingerichtet und die einzelnen Zimmer bereits mit Schrank, Schreibtisch, Regal und Bett möbliert. In einigen WGs hatten die Vormieter*innen auch Sachen wie Mikrowelle, Wasserkocher, etwas Besteck und Geschirr gelassen. Zusätzlich konnte man sich ein Survival-Packet mit Decke, Kissen und dem Nötigsten an Geschirr bei der Student Union für 20 Euro (+ 50 Euro Pfand) holen (https://www.tyy.fi/en/students/starting-package-storage). Wichtig war dabei nur, dass man einmalig eine Student Union Membership (https://www.tyy.fi/en/student-union) bezahlte, die einem dann auch erlaubte, die Mensen der Uni zu benutzen, was eine günstige Alternative zum selber Kochen darstellt (gerade im Winter, in dem die Obst- und Gemüsepreise teilweise ins Unermessliche stiegen). Als Studi mit finnischem Studierenden-Ausweis (ebenfalls nur nutzbar, wenn man die Student Union Fee bezahlt hat) darf man zudem alle Mensen des Landes für den selben Preis benutzen, was uns gerade beim Reisen sehr zugute kam. Auch die öffentlichen Verkehrsmittel sind im Vergleich recht günstig und man kann sie als Studi für im Monat um die 35 Euro unbegrenzt nutzen (https://www.foli.fi/fi). Eine Krankenversicherung hatte ich bereits in Deutschland über einen privaten Anbieter abgeschlossen und musste glücklicherweise diese in Finnland auch nicht in Anspruch nehmen. Von anderen Internationals habe ich jedoch gehört, dass es sinnvoll ist, bei Beschwerden lieber die Notaufnahme aufzusuchen, als private Mediziner*innen zu konsultieren. Auch war es uns als Studierende der Uni erlaubt, einen Pass für das gesamte Unisportprogramm und die Uni-Gyms zu erwerben. Das Kursangebot war trotz Pandemie sehr umfangreich und zumindest im vierten Term auch wieder voll am Campus möglich. Generell ist es außerdem auch immer eine gute Idee, sich an ESN (https://esnfinland.eu/) zu hängen und dort die organisierten Veranstaltungen mitzumachen – denn so kommt man nicht nur in Kontakt mit vielen anderen Internationals, sondern auch Locals. Auch gibt es wahnsinnig viele AGs, die sogenannten Klubi, die von anderen Studierenden organisiert werden. Von Sport über Wein und Kino ist für jeden was dabei.
Studienfach: Patholinguistik
Aufenthaltsdauer: 01/2022 - 06/2022
Gastuniversität: Åbo Akademi University
Gastland: Finnland
Rückblick
Ich würde mein Erasmus-Semester 100-prozentig wieder machen (gerne dieses Mal jedoch ohne Pandemie und voll am Campus) und es auch allen, die noch am überlegen sind, wärmstens ans Herz legen. Das Einzige, was ich gerne vorher gewusst hätte, wäre, dass man bei der Kurswahl nicht nur auf die Åbo Akademi beschränkt ist, sondern auch z.B. an der University of Turku Veranstaltungen belegen kann. Auch würde ich empfehlen, wenn möglich, von vorneherein viel Kontakt zu anderen Studierenden zu suchen und so viel mitzunehmen wie möglich, auch wenn es dann doch mal etwas mehr kostet. Denn das halbe Jahr ist schneller rum als man denkt und die Erfahrungen, die ihr hier macht, nimmt euch so schnell niemand mehr!