Einleitung
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Ein Jahr vor meinem Antritt in China hatte ich die Entscheidung getroffen mich für das Auslandssemester zu bewerben. Im Sommer 2018 fand das gesamte Bewerbungsverfahren statt, was aus einer schriftlichen Bewerbung (Motivationsschreiben etc.) und einem kurzen Gruppeninterview bestand. Aus mir unerfindlichen Gründen gab es nur relativ wenige Bewerber und die meisten habe ich auch in China wiedergetroffen. Gegen Ende des Sommers kam dann die Zusage und man konnte sich noch ein weiteres halbes Jahr auf den Aufenthalt vorbereiten. Ende Februar bin ich dann nach Beijing geflogen und habe von Ende Februar bis Ende Juni an der UIBE studiert. Danach bot es sich an noch einige Wochen durch China zu reisen, sodass ich dann erst Mitte Juli wieder in Deutschland ankam.
Vorbereitung
Ich habe mich ziemlich intensiv auf mein Auslandssemester vorbereitet und würde es beim nächsten Mal noch intensiver tun. Im Vorhinein habe ich die beiden verfügbaren Chinesisch Sprachkurse an der Uni Potsdam belegt und in den Ferien noch einen Intensivkurs am Konfuzius Institut besucht. Etwas naiv bin ich fest davon ausgegangen, dass in der Hauptstadt Chinas Englisch völlig genügen würde und Chinesisch vielleicht ganz gut ist um etwas Sympathie bei den Einheimischen zu erlangen. Das hat sich als komplette Falschannahme herausgestellt. Die große Mehrheit aller Chinesen spricht gar kein Englisch und Kommunikation ist ohne Chinesisch nicht möglich. Ich bin zuvor schon in einigen Ländern gewesen wo das erlebte durchschnittliche Englisch Sprachniveau auch sehr niedrig war, aber China überbietet das bei Weitem. Darüber hinaus gibt es kaum Anglizismen und aufgrund der Schriftzeichenstruktur (Zeichen habe bestimmte inhaltliche Bedeutungen) werden Namen für den wichtigen Chinesischen Markt geändert. Es gab auch viele Austauschstudenten die keine Chinesisch Kenntnisse hatten, man kommt damit zu Recht, insbesondere an der UIBE, weil viele Austauschstudenten mit denen man Zeit verbringt Chinesisch sprechen. Jedoch ist man auch in einigen Bereichen eingeschränkt, sodass wenigstens Grundkenntnisse sehr von Vorteil sind. Darüber hinaus kann man an der UIBE sehr intensiv Chinesisch lernen und seine Kenntnisse schnell verbessern.
Einer der wichtigsten Vorbereitungsschritte, den ich selber leider unzureichend durchgeführt habe, ist ein VPN auf allen technischen Geräten einzurichten. In China ist Google, Facebook, Twitter, Whatsapp, Instagram, Google Maps, Google Mail, Youtube, nahezu alle Arten von Foren, jede kritische globale Zeitung, geblockt. Selbst deutsche Zeitungen wie die Süddeutsche Zeitung sind gesperrt. Ich hatte den UNI Vpn auf meinem Laptop, der hat auch ganz gut funktioniert. Auf dem Handy hatte ich keinen VPN und war damit enorm eingeschränkt. Zum Beispiel funktioniert dann Google Maps nicht mehr, das heißt ich konnte mich in China dann nur noch mit der Chinesischen Map (Gaode ditu-高德地图) orientieren, die es leider nur auf Chinesisch gibt und die auch nur sehr mangelhaft lateinische Schrift verarbeitet. Apple User können die Apple Map auch ohne VPN benutzen. Der Potsdam VPN ist empfehlenswert, für das Handy gibt es verschiedene kostengünstige und kostenlose Anbieter.
Der mit Abstand wichtigste Vorbereitungsschritt ist es die Emails der UIBE zu lesen und den oft ziemlich drohenden Schritten Folge zu leisten, insbesondere die Email mit der „accommodation“ Ankündigung ist entscheidend. Zwei deutsche Kommilitonen haben diese nicht gelesen bzw. nicht empfangen und hatten dann wirklich einen katastrophalen Start. Die Größe Beijings (23 Millionen Einwohner) sprengt jede Vorstellung, wenn man kein Zimmer im selben Distrikt wie die Uni hat sind Fahrzeiten von weit über einer Stunde zur Universität Normalität. Der Wohnungsmarkt ist auch ziemlich überlastet und Wohnen in Beijing ist relativ zum Einkommen sehr teuer. Ein Zimmer kostet mindestens genauso viel wie in Deutschland. Im SS 2019 konnten Austauschstudenten entweder im International Plazza oder in einem 10 Minuten von der Universität entfernten Hotel untergebracht werden. Das Hotel hat 2480 Yuan (330 Euro) gekostet und das Zimmer im International Plaza war etwa gleich teuer. Man teilt sich immer ein Zimmer mit einem anderen Austauschstudenten. Das Zimmer im Hotel ist etwas kleiner und hat keinen guten Tisch zum Lernen, dafür hat man Zimmerservice und die Regeln im Hotel sind etwas entspannter als im International Plaza. Dort wohnt man direkt auf dem Campus und hat ein komfortableres Zimmer, jedoch werden die Regel im International Plaza teils sehr willkürlich ausgelegt. Im Hotel spricht keiner Englisch und im International (!) Plaza nur eine Person, die nur manchmal anwesend ist, jedoch ist eigentlich immer klar was man für ein Anliegen hat oder andere Studenten können einem bei der Übersetzung helfen. Die einzige gute Möglichkeit ohne spezielle Sprach- und Beijingkentnisse ein eigenes Zimmer zu finden, ist es der Auslandsstudenten WeChat (chinesische Kommunikations- und Zahlungsapp) Gruppe der vergangenen Semester beizutreten. Dort werden gegen Ende des Semesters oft frei gewordene Zimmer angeboten.
Ankunft und erste Woche
Mithilfe einer Freundin lief der Check-in in der UIBE relativ problemlos, jedoch braucht man direkt ungefähr 3500 Yuan (ungefähr 460 €) in Bargeld. Der Umgang mit Geld in Beijing und an der UIBE ist harsch, wenn man nicht direkt bezahlt bekommt man auch nichts. Auf den persönlichen Umstand wird dabei keine Rücksicht genommen.
Nachdem ich meine erste Monatsmiete und eine Kaution bezahlt hatte, konnte ich mein Zimmer im Hotel (Goto Modern Hotel Hepingli) beziehen. Das Zimmer war klein, aber sehr sauber und mit allem ausgestattet was man benötigt. Eine gut funktionierende Dusche und eine Toilette waren in einem kleinem abgetrennten Raum im Hotelzimmer integriert. Abends lernte ich dann auch meinen britischen Mitbewohner kennen, mit dem ich mich das ganze Semester hindurch gut verstanden habe. Ein Zimmer teilen war für mich ein Novum und im Vorhinein auch eine meiner größten Sorgen. Man gibt einen Großteil seiner Privatsphäre auf und hat kaum Rückzugorte. In Beijing war das einer der größten Herausforderungen für mich. Insbesondere, weil es in China sowieso schon einen Überwachungsstaat gibt der alles Vorstellbare in Europa komplett sprengt. Jeder Zentimeter, abgesehen von deiner eigenen Wohnung ist in Beijing Video überwacht und das ist keine Übertreibung. Hinzu kommen tausende von Sicherheitskräfte, jede U-Bahnstation gleicht einer Flughafen Kontrolle, das ist George Orwell in Realität. Das für mich erschreckende daran war, dass man sich daran sehr schnell gewöhnt und die Überwachung fast vergisst. Nur manchmal in der Nacht, wenn die roten Katzenaugen der Kameras aus der Dunkelheit scheinen, wurde mir wieder klar, dass jeder meiner Bewegungen in Beijing aufgezeichnet wird.
Nach meiner ersten Nacht in Beijing, traf ich mich am nächsten Tag mit meiner Buddy Partnerin. Das Buddy Programm ist ein Angebot der UIBE und teilt jedem Austauschstudenten einen Chinesischen Buddy zu. Es ist unbedingt empfehlenswert an diesem Programm teilzunehmen. Einerseits aus pragmatischen Gründen. Die Buddys sind dazu angehalten den Neuankömmlingen bei der Erstellung eines Bankkontos und der Verknüpfung dessen mit WeChat zu helfen. In China wird kaum noch mit Bargeld bezahlt, anstatt Bargeld zahlt man mit WeChat Pay, einer extra Funktion der Kommunikationsapp WeChat. Die funktioniert leider nur mit einem Chinesischen Bankkonto, sodass ich immer mein Geld von meinem Deutschen Konto abheben musste und dann auf mein Chinesisches einzahlen musste (Direkt Überweisung ist kostenpflichtig). Wenn man WeChat aber einmal hat, sind die Möglichkeiten in China nahezu grenzenlos. Man kann überall damit bezahlen, man kann Züge, Flüge, Hotels buchen, man kann Essen bestellen, Fahrräder ausleihen und im Internet bezahlen. Des Weiteren kann man komfortabel seine Rechnungen teilen und Sprachbarrieren durch digitales bestellen im Restaurant überwinden. Definitiv einer der faszinierendsten technischen Fortschritte in China. Andererseits bietet das Buddy Programm einen direkten sozialen Kontakt zu Chinesen. Mit meiner Buddy Partnerin kam ich sehr gut zu Recht und wir sind im Laufe des Semesters zu zahlreichen interessanten und schönen Orten in China gereist. Durch sie habe ich genauso viel, wenn nicht sogar noch mehr über China gelernt, als in meine Vorlesungen.
In der ersten Woche ging es direkt los mit einer Auditionswoche an der SIE und die Chinesischkurse fingen auch schon an. Man kann an der UIBE an verschiedenen Schulen studieren. Ich war nur an der SIE und am language department. Die anderen Fakultäten, wo überwiegend Business und Finance Kurse stattfanden, fangen noch früher an. In der Auditionswoche kann man sich alle Kurse an der SIE angucken. Die Kursqualität unterscheidet sich signifikant, daher lohnt es sich auf jeden Fall alle Kurse mal anzugucken. Außerdem lernt man dann noch weitere Studenten kennen. Für den Chinesisch-Intensivkurs (20h/Woche) muss man ein kurzes Interview absolvieren und wird dann in einen Kurs eingeteilt. In diesem Interview wird man auf chinesisch einige Frage gefragt und muss Schriftzeichen vorlesen. Nach dem Interview wurde man in ein Sprachlevel eingeteilt. Sehr gut an den Kursen ist, dass sie auch schon auf niedrigeren Sprachniveaus komplett auf chinesisch gehalten werden, teilweise die Lehrer sogar gar kein englisch konnten.
Die anderen Austauschstudenten lernt man durch die gemeinsame Unterkunft sehr schnell kennen. Besonders interessant war an der UIBE, dass man über den westlichen Horizont hinaus Leute kennenlernt. Ich habe sehr viel Zeit mit Koreanern und Japanern verbracht und auch einige neue Freunde aus diesem Kreis gefunden. Die UIBE ist im wahrsten Sinne des Wortes international, dort findet man wirklich aus nahezu jeder Nation eine Person. Von Nordkorea bis zur USA sind alle vertreten.
Das Studium
Das Studium an der SIE war im Durchschnitt leichter als an der Universität Potsdam und blieb in manchen Bereichen hinter meinen Erwartungen zurück. Die UIBE ist in China einer der Top Universitäten, die jeder kennt. Leider sind Kurse zwischen Ausländischen und Chinesischen Studenten getrennt, was für mich absolut rätselhaft ist. Ich vermute, dass das politische und kulturelle Gründe hat und gleichzeitig die Sorge vor einer abnehmenden Leistung im chinesischen Programm vorherrscht. Zumindest ist das Niveau in den angebotenen Englischsprachigen Kursen nicht so hoch. Als Kursleistungen musste ich in beiden Seminaren ein Referat halten und ein kurzes Research Paper schreiben. Die Anforderungen an das Research Paper entsprachen aber mehr einem kurzen Essay als einer echten Hausarbeit. Die Kurse variieren sehr stark in der Qualität, die von der Lehrenden Person abhängig war. Meine Lehren und Empfehlungen aus den Kursen an der UIBE sind, man sollte unbedingt die Auditionswoche ausnutzen und Kurse nach den Dozenten und weniger nach den Themen auswählen. Insbesondere weil es vorkommen kann, dass die Dozenten nur sehr schlechtes Englisch sprechen.
Mein zweiter Fokuspunkt an der UIBE war der Chinesisch-Intensivkurs. Jeden Morgen ging es um 8 Uhr los und bis 11:20 Uhr fand der Unterricht statt. Jede Klasse hatte drei unterschiedliche Lehrer und Fächer. Es gab mündliches Chinesisch (口语), Hörverstehen (听力)und Allgemein (综合). Nachmittags musste man mindestens 1 Stunde Hausaufgaben und Schriftzeichenlernen einplanen. Mit dem Sprachkurs war ich sehr zufrieden, mein Chinesisch hat sich schnell verbessert und es hat mir meistens auch viel Spaß gemacht an der Sprachfakultät zu studieren. In einer Klasse sind etwa 15 Leute und man lernt dort Menschen aus der ganzen Welt kennen, insbesondere aus Korea und Japan.
Wenn man die Option mit dem Intensivsprachkurs und zusätzlich noch zwei weitere Ökonomie Seminare belegt, ist man gut beschäftigt und muss auch viel für die Universität tun. Trotzdem bleibt definitiv noch genug Zeit, um China auf eigene Faust zu erkunden.
Ferien und Freizeit
Im Sommersemester gab es mehrmals freie Tage und verlängerte Wochenenden, sodass man schon während des Semesters verreisen konnte. Ich war zum Beispiel einmal in Xi An, einer der historischen Hauptstädte Chinas und in Qinghuangdao am Meer. Wenn man nicht den 20h Chinesischkurs belegt, hat man nochmal mehr Zeit zum Reisen, auch während des Semesters. Jedoch ist China unfassbar groß und nahezu jeder Ort ist viele Stunden mit dem Zug oder dem Flugzeug entfernt. Allerdings ist die Infrastruktur sehr gut, sodass man die meisten Touristenorte gut erreichen kann. Es gibt verschiedene Reiseanbieter, die auf ausländische Studenten spezialisiert sind. Über dessen WeChat Seiten kann man verschiedene Reisen günstig und einfach buchen. Empfehlenswert ist zum Beispiel die Firma „Laowai“. Darüber hinaus gibt es immer etwas Neues und Spannendes in Beijing zu entdecken. Ende Juni sind auch die letzten Kurse beendet und die Sommerferien fangen an. Viele Austauschstudenten hatten aber auch schon Anfang Juni keine Kurse mehr, die Chinesisch-Intensivkurse dauern am längsten. Nach Ende des Semesters bin ich drei Wochen durch China gereist und konnte auch Teile des Südens erkunden. Je nach Provinz sind Landschaft und Leute sehr verschieden und mir ist nochmal sehr bewusst geworden, wie vielfältig China ist. Neben den überwältigenden Großstädten, gibt es auch wunderbare Natur, wie zum Beispiel in Yangshou, zu erkunden. Die 4 Monate Sprachkurse haben sich auf der Reise nochmal sehr bewährt und das war für mich ein sehr zufriedenstellender Abschluss meines China Abenteuers.
Studienfach: Bachelor Politik und Wirtschaft
Aufenthaltsdauer: 02/2019 - 06/2019
Gastuniversität: University of International Business and Economics (UIBE)
Gastland:China
Fazit
Mein Auslandsstudium an der UIBE hat alle meine Erwartungen erfüllt und meinen Horizont um ein Vielfaches erweitert. Ich kam mit der Motivation, politische und ökonomische Prozesse in China besser zu verstehen und die chinesische Kultur und Sprache kennenzulernen. In all diesen Bereich habe ich viel gelernt und mein Interesse ist noch weiter angewachsen. Es war faszinierend, den technologischen Fortschritt und den gemäßigten Wohlstand, der in beispielsloser Weise in nur vier Jahrzehnten erreicht wurde, zu sehen. Auf der anderen Seite gleicht China einer Dystopie in der totale Überwachung, überbevölkerte Städte und die Zerstörung der Umwelt allgegenwärtig sind. Dieses Paradox aus Anziehung und Abstoßung, aus Faszination und Schrecken beschreibt mein Gefühl gegenüber China am besten. Ich suche jetzt schon wieder nach einer neuen Möglichkeit zurückzukehren und bin trotzdem heilfroh wieder auf der freiheitlichen Insel Europas angekommen zu sein.