Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Die Universität Potsdam unterhält mehrere Partnerschaften in verschiedenen Ländern Lateinamerikas. Ich wollte die Möglichkeit nutzen und während meines Masterstudiums eines der Länder näher kennenlernen. Da ich Spanisch spreche und studiert habe, sollte es ein spanischsprachiges sein. Argentinien hat mich am meisten interessiert, da es eine vergleichsweise liberale Politik verfolgt und mit feministischen Themen Vorreiter auf dem Kontinent ist. Ich habe die Bewerbung geschrieben und wurde zum Gespräch eingeladen. Es fand über Zoom statt. Wir waren mehrere Bewerber‘innen und mehrere Prüfer‘innen im Gespräch und ich habe die Atmosphäre als angenehm und entspannt wahrgenommen. Es wurde Deutsch und Spanisch gesprochen. Wenige Tage später habe ich per Email die Nachricht bekommen, dass ich für mein Wunschland angenommen wurde. Ich habe dann Kontakt mit der UBA aufgenommen, der Universidad de Buenos Aires. Das International Office dort hat mich von diesem Zeitpunkt an bis zum Ende des Aufenthalts sehr gut begleitet. Die Emails wurden schnell beantwortet und Mercedes und Mariano, die für ausländische Studierende zuständig sind, waren immer zugewandt, interessiert und hilfsbereit. Nur in der Sommerpause waren sie nicht da, und das war für mich die Zeit, in der ich viel organisieren musste. Es wäre gut, wichtige Themen vor der argentinischen Sommerpause zu klären, falls ihr im deutschen Sommersemester im Ausland sein wollt. Die UBA wollte nicht mehr Unterlagen, als ich schon für die Bewerbung in Potsdam gebraucht habe.
Studium an der Gastuniversität
Als ausländische Studierende konnte ich alle Kurse, die an meiner Fakultät angeboten wurden, belegen. Meine Fakultät war die Facultad de Filosofía y Letras. Es gab materias und seminarios. Die materias sind oft grundlegend und eher praktisch. Sie fanden nur in Präsenz statt. Die seminarios waren in diesem Semester online. Jeder Kurs geht immer 4h. Ich habe zwei seminarios gewählt, weil sie eher den Master-Kursen entsprochen haben und weil ich manche Dozierende der seminarios durch ihre Arbeiten zur gendergerechten Sprache schon kannte und gerne von ihnen lernen wollte. Von der Lehre war ich etwas enttäuscht. Die Dozierenden haben keine der Möglichkeiten, die die online-Lehre bietet, genutzt. Es wurden keine interaktiven Medien genutzt, es gab keine Break-out Sessions, keine Gruppenarbeiten, keine Links zu anderen Lernplattformen. Es wurde nur 4h gesprochen und auch kaum Fragen gestellt. Dazu gab es in einem Seminar eine PowerPoint, die aber oft nicht in Stichpunkten gehalten war, sondern mit ganzen Texten, die die Dozierenden dann mehr oder weniger vorgelesen haben. Außerdem kamen mir einige der Theorien, die zumindest in einem der seminarios vorgestellt wurde, veraltet vor, ohne dass auf neuere Sichtweisen hingewiesen wurde. Das ist zumindet mein Eindruck von den zwei seminarios die ich belegt habe, das ist nicht repräsentativ für die Lehre allgemein an der UBA, denke ich. Die materias beendet man mit einer Prüfung und die seminarios mit einer Hausarbeit, und in beiden Formaten hat man verschiedene Abgaben oder Präsentationen während des Semesters. Bei der Organisation des Studiums haben mir, neben Mercedes und Mariano, vor allem WhatsApp-Gruppen geholfen. Die wurden dort viel intensiver genutzt als hier, auch weil die Informationsverteilung von der UBA und den Lehrenden manchmal nicht so klar war. Es gab Listen mit den WhatsApp-Links zu den verschiedenen Kursen und die Studierenden waren sehr solidarisch miteinander in diesen Gruppen. Es wurden alle Fragen besprochen, man hat sich gegenseitig bei Abgaben geholfen und Inhalte wiederholt, die nicht klar waren. Dieser Zusammenhalt kam mir besonders vor und war sehr hilfreich. Ich hatte also zu den einheimischen Studierenden vor allem über WhatsApp Kontakt. Mit den anderen ausländischen Studierenden war ich am Anfang etwas in Kontakt, wir sind zum Beispiel zusammen zur Demonstration am 08.03. gegangen. Wir haben dann aber alle nach und nach Kontakte mit Argentinier‘innen geknüpft und haben uns später nur noch zu den Versammlungen des International Office getroffen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Meine Spanischkenntnisse haben sich eindeutig verbessert. Am Ende ist es mir sehr leicht gefallen, in allen Situationen Spanisch zu sprechen. Ich hatte am Anfang schon C1, aber ich war nicht so vertraut mit verschiedenen Registern und der argentinischen Varietät. Ich konnte merken, wie ich jede Woche etwas flüssiger und mit größerem Wortschatz spreche, und das hat mir viel Freude bereitet.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe durch verschiedene Freizeitaktivitäten Argentinier‘innen kennengelernt und so auch eine Wohnung in Flores, einem Stadtteil von Buenos Aires, gefunden. Es war Winter und leider ziemlich kalt, aber es war ein schönes Zimmer im Hinterhof einer Wohngemeinschaft. Die Miete war sehr günstig, 17000 Pesos, und die Mitbewohner‘innen sehr lieb. Ich bin nur die ersten zwei Wochen bei Freund‘innen untergekommen und konnte dann bereits einziehen. Buenos Aires hat U-Bahn-Linien, die aber einige Orte nicht abdecken und je nach Linie nicht sehr zuverlässig und ziemlich laut sind. Es gibt auch viele Busse. Sie fahren nicht nach Zeitplan, aber wenn man eine Weile an der richtigen Bushaltestelle steht, kommt irgendwann einer vorbei. Man muss mit dem Arm winken und schnell einsteigen, wenn er hält. Manchmal ändern sie auch die Route, deswegen ist es gut, auf Google Maps zu schauen, ob man noch richtig fährt. Allerdings sollte man gut auf sein Handy aufpassen, ich habe erlebt, wie es jemanden in der Tür vom Bus geklaut wurde. Auch die Einheimischen sagen immer wieder, man soll sein Handy besser nicht auf der Straße rausholen. Ich habe mir angewöhnt, mich umzuschauen, bevor ich mein Handy raushole, und mir ist nie etwas passiert. Ich habe Buenos Aires auch allgemein als sehr sicher erlebt und mich nie unwohl gefühlt. Da die wirtschaftliche Situation in Argentinien etwas unübersichtlich ist und es verschiedene Wechselkurse gibt, mit denen man meistens Verlust macht, war es am einfachsten, mir selbst Geld mit WesternUnion zu überweisen. So hatte ich den besten Wechselkurs, und in Buenos Aires hat auch das Abholen immer problemlos geklappt. Nur in Rosario kam es vor, dass mehrere Standorte nicht genug Geld hatten, um es auszuzahlen. Ich hatte die HanseMerkur Reiseversicherung, aber habe sie nie gebraucht. Das Essen war in Argentinien relativ günstig, man konnte z. B. Empanadas für 100 Pesos kaufen. Was mich überrascht hat, war, dass Kleidung meiner Ansicht nach sehr teuer ist. Aber allgemein habe ich relativ wenig Geld ausgegeben, da meine Miete so günstig war und das Essen meistens auch. Die Museen sind kostenlos in Argentinien, und auch das Orchester spielt umsonst. Ich war in verschieden Museen und regelmäßig im Orchester. In Buenos Aires passiert viel in den Parks, es gibt Sportgruppen und Tanzveranstaltungen. Die reserva am Río de la Plata ist ein schöner Ort zum Spazierengehen oder Picknicken.
Studienfach: Linguistik
Aufenthaltsdauer: 03/2022 - 08/2022
Gastuniversität: Universidad de Buenos Aires
Gastland:Argentinien
Rückblick
Insgesamt hat mir das Auslanddsemester sehr gut gefallen und es hat mich deutlich weiter gebracht. Ich hatte kein Studierendenvisum, weil ich das vor Ort erledigen wollte, aber die nötigen Unterlagen (u. a. von der Polizei) nicht rechtzeitig erhalten habe. Ich bin dann nach knapp drei Monaten für einen Tag nach Uruguay und das war auch kein Problem. Ich habe Argentinien und die Menschen, die ich kennengelernt habe, als freundlich und offen erlebt. Der Abschied ist mir sehr schwer gefallen.