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Kooperationspraktikum im Bertolt-Brecht-Haus in Montevideo

Auch die pädagogischen Erfahrungen aus der Arbeit mit den Jugendlichen möchte ich nicht missen. Meine Sprachkenntnisse konnte ich auf ein höheres Niveau heben und auch das Entdecken der uruguayischen Kultur und Lebensweise haben mich sehr bereichert. Es überwiegen eindeutig die positiven Aspekte und ich kann ein Praktikum an der Casa Brecht und generell einen Aufenthalt in Uruguay bedenkenlos weiterempfehlen.


Studienfach: Politik, Verwaltung und Organisation (Bachelor)

Aufenthaltsdauer: 10/2022 - 04/2023

Praktikumsgeber: Casa Bertolt Brecht

Gastland:Uruguay

Vorbereitung

Aufmerksam auf das ausgeschriebene Praktikum am „Instituto Cultural Casa Bertolt Brecht“, so der vollständige Name der gastgebenden Organisation, wurde ich auf den Internetseiten des International Office der Universität Potsdam. Es handelte sich nämlich um ein Kooperationspraktikum. Die Verbindung zwischen der Universität und der Casa Brecht existierte also bereits, weshalb die Kontaktaufnahme zügig und unkompliziert vonstatten ging. Später erfuhr ich, dass vor mir bereits andere Studierende der Universität Potsdam ihr Praktikum in der Stiftung absolvierten. Es waren zwei unterschiedliche Praktika der Casa Brecht ausgeschrieben, eins zum Thema Jugendstrafrecht, das andere mit dem Schwerpunkt Wasser- bzw. Wasserzugangsrechte. Ich bewarb mich auf das Praktikum zum Thema Jugendstrafrecht. Daraufhin wurde ich zum virtuellen Bewerbungsgespräch eingeladen, an dem zwei Mitglieder des Vorstands und die Leiterin der sozialen und politischen Projekte der Stiftung teilnahmen. Das Gespräch diente dem persönlichen Kennenlernen und dem Austausch der jeweiligen Vorstellungen bezüglich des Praktikums. Neben dem ehrlichen Interesse für die Projektthemen der Stiftung, ging es in meinen Gesprächspartnern auch darum, mein Sprachniveau einzuschätzen. Spanisch ist Umgangs- und Arbeitssprache und sollte mindestens auf B2- C1 Niveau gesprochen und verstanden werden.  In einem weiteren Gespräch einige Wochen später wurde dann verbindlich vereinbart, dass ich zum Oktober in Montevideo anfangen sollte. In einem Praktikumsvertrag wurde die wöchentliche Arbeitszeit vereinbart und die Aufgabenfelder umrissen. Das war im April, also ein gutes halbes Jahr vorher.

 

Finanzierung

Einzig die Finanzierung meines Aufenthalts war zu diesem Zeitpunkt noch ungeklärt, die Casa Brecht hatte mir schon im Vorhinein mitgeteilt, dass ihnen die Mittel zu jedweder Form der Vergütung fehlten. Ich bewarb mich also auf ein PROMOS- Stipendium und im gleichen Zug auch auf das Gerda-Heinrich Stipendium der Universität Potsdam. Dafür erklärte ich meine finanzielle Situation und teilte dem Stipendiengeber mit, dass es mir nicht möglich sei, eigene Mittel für die Realisierung des Praktikums aufzubringen. Während ich für die Förderung durch das PROMOS-Stipendium eine Absage erhielt, erhielt ich kurze Zeit später eine positive Rückmeldung bezüglich des Gerda- Heinrich Stipendiums. Mir wurde eine Förderung über eine Dauer von vier Monaten zugesagt, außerdem erhielt ich einen großzügigen Reisekostenzuschuss. Der Bedingung, im Gegenzug an Veranstaltungen des „International Office“ der Universität teilzunehmen und meine Erfahrungen zu teilen, stimmte ich gerne zu. Die Bewerbungsprozesse für die Stipendien habe ich insgesamt als relativ unkompliziert wahrgenommen. Ich empfehle, über die Finanzierung schon früh nachzudenken, da theoretisch auch andere Finanzierungsquellen wie das Auslands- BAföG infrage kommen, die ebenfalls großen zeitlichen Vorlauf benötigen. Für Uruguay kommt hinzu, dass die Lebenshaltungskosten für ein südamerikanisches Land ungewöhnlich hoch sind und etwa auf dem Niveau beliebter deutscher Großstädte liegen.

 

Aufenthalt im Gastland

Nachdem ich zwecks praktischer Hinweise zur Anreise und zum täglichen Leben noch einige Vorgespräche mit Stiftungsmitgliedern geführt hatte, machte ich mit schließlich Anfang Oktober auf den Weg nach Uruguay.  Die ersten zwei Monate meines Aufenthalts mietete ich das Gästezimmer eines deutschen Vorstandsmitglieds der Casa Brecht. Mit viel Hingabe erklärte er mir in diesen zwei Monaten allerlei Wissenswertes über das Land und seine Bewohner. Trotz der außerordentlich zugewandten Art meines Gastgebers suchte ich weiterhin ein Zimmer, das meinen ursprünglichen Vorstellungen entsprechen sollte. Es war mein Wunsch, mit Uruguayern zusammen zu leben und in der kurzen Zeit die Lebensarten der Menschen und ihre Sprache so unmittelbar wie möglich zu erleben. Die Suche verlief allerdings nicht wie erhofft, und es stellte sich heraus, dass das Zusammenleben von jüngeren Menschen in privaten Wohngemeinschaften unüblich ist. Die meisten Studenten wohnen weiterhin zuhause oder, sofern sie nicht aus Montevideo, sondern dem „Interior“ (dem Landesinnern) kommen, in Studentenwohnheimen. Da in solchen Wohnheimen Mehrbettzimmer die Regel sind, kam diese Option für mich nicht ernsthaft infrage. Kurz vor Weihnachten ergab sich dann die Möglichkeit, ein möbliertes Zimmer in einer Wohngemeinschaft zu beziehen, in der drei jüngere Leute verschiedener Herkunft dauerhaft zusammenlebten und zwei weitere Zimmer laufend auf kürzere Zeit vermietet wurden. Da miteinander auf Spanisch kommuniziert wurde und ich Lust hatte, Leute in meinem Alter kennenzulernen, zog ich ein. Außerdem lag die Wohnung in einem zentrumsnahen Studentenviertel und auch nicht weit von meiner Arbeitsstelle entfernt.  Das Zimmer kostete umgerechnet ungefähr 300€ im Monat und lag damit im unteren Durchschnitt. Das Wohnen ist bezahlbar, die Lebenshaltungskosten in die Höhe treiben vor allem die Preise für Lebensmittel und jede Art von Hygiene- und Haushaltsprodukte

Zum Essen und Trinken auszugehen ist ungefähr so teuer wie in Deutschland. Das öffentliche Verkehrsnetz ist relativ unkompliziert, günstig und gut ausgebaut. Es ist ratsam, Bargeld bei sich zu haben. Das Abheben funktioniert an den allermeisten Automaten problemlos, zu empfehlen sind alle Automaten der staatlichen und mit Abstand größten Bank, der „Banco de la República“. Anders als in Deutschland geben die Geldautomaten beim Beenden der Transaktion zunächst das Geld aus und erst danach die Karte. Unglücklicherweise habe ich mich an diese Umstellung nicht gewöhnen können und aus Zerstreutheit gleich zweimal meine Bankkarte im Automaten vergessen. Allen Bitten zum Trotz war es in beiden Fällen nicht möglich, die Karte wieder zu bekommen, da ausländische Karten aus Sicherheitserwägungen scheinbar sofort zerstört werden. Eine Ersatzkarte mitzunehmen, ist also sinnvoll.

Die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung sind in Montevideo auf den ersten Blick überschaubar. Viele Einheimische arbeiten von morgens bis abends und haben oft mindestens zwei Jobs, um die hohen Lebenskosten zu bewältigen. Die verbleibende Zeit wird in der Regel dem familiären Zusammensein gewidmet. Während der Sommermonate ist das kulturelle Angebot auf wenige Kinos, Theater und Straßenumzüge beschränkt, allerdings finden in Bars oder Restaurants häufig kleinere Veranstaltungen wie Lesungen, öffentliche Diskussionen oder Konzerte statt. 

Insgesamt ist die Atmosphäre ist auch in der Hauptstadt fast provinziell. Die Traditionen und Gewohnheiten der Einwohner ähneln sich sehr, fast allen ist eine sehr angenehme Gemütlichkeit eigen und alle Angelegenheiten, ob privater oder beruflicher Natur, werden ohne Überstürzung angegangen. Die Stadt ist auf einer im Verhältnis zur Einwohnerschaft großen Fläche angelegt und die Menschen legen großen Wert auf gute und enge Beziehungen zur Nachbarschaft. Die Stadtviertel haben sehr unterschiedliche und eigene Charaktere und wirken wie zu einem Ganzen verbundene Gemeinden. Obwohl es in der Peripherie sehr ärmliche Siedlungen gibt und die Armut in Uruguay seit dem Wahlsieg eines neo- liberalen Bündnisses deutlich zugenommen hat, ist die soziale Spaltung der Gesellschaft deutlich weniger gravierend als in vielen anderen Ländern Südamerikas.

 

Zufriedenheit mit dem Auslandspraktikum

Das Praktikum an der Casa Bertolt Brecht hat mir insgesamt gut gefallen. Zum Verständnis der Arbeitsweise und Philosophie der Organisation ging es anfänglich darum, die Ursprünge der Casa Brecht in Uruguay kennenzulernen und den gewissermaßen historisch gewachsenen Organisationszweck zu verstehen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1964 ist die Casa Brecht ein Zufluchtsort für politisch oder  gesellschaftlich Verfolgte. Sie steht in der Tradition des durch deutschstämmige Exilanten geprägten Begriffs des „Anderen Deutschlands“, der schon seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine Abgrenzung zu in Deutschland wirkenden faschistischen und reaktionären Kräften bedeutete und an deren Stelle demokratische und humanistische Ideale vorsah. Neben der Lehre der deutschen Sprache und kulturellen Veranstaltungen widmet sich die Organisation dem Schutz der Menschenrechte in Uruguay. Da insbesondere die Rechte von Jugendlichen schwächerer sozialer Schichten regelmäßig verletzt werden, zielen die Projekte momentan vor allem auf die Verbesserung dieser Situation. Ziel ist es, die Gesellschaft einerseits über Missstände aufzuklären und andererseits Jugendlichen mittels konkreter pädagogischer Arbeit zu helfen, ihre Rechte in Konfliktsituationen wahrzunehmen. 

Es war mir überlassen, in welchem Bereich ich den Schwerpunkt meiner Mitarbeit setzen wollte. Ich entschied mich dafür, zum Kennenlernen sowohl an der Projektarbeit mitzuwirken - so wie es ohnehin vorgesehen war - als auch an den kulturellen Veranstaltungen der Casa Brecht und einer an Sprachgruppe teilzunehmen, in der Deutsch als Fremdsprache geübt wird. Mit fortlaufender Dauer des Praktikums nahm mein Tätigkeitsprofil immer deutlichere Konturen an. Ich nahm zwar weiterhin an diversen Veranstaltungen in der Casa Brecht teil, der Schwerpunkt meiner Arbeit lag jedoch eindeutig in der Unterstützung der sozial-gesellschaftspolitischen Projektarbeit der Organisation. Für diesen Bereich waren neben mir fünf Kolleginnen angestellt. Mit ihnen arbeitete ich in eng zusammen, einmal die Woche traf sich das Team, um die Fortschritte und Probleme im Fortgang der Projekte miteinander zu besprechen. Einmal im Monat tagte zusätzlich der Vorstand, um konkrete und perspektivische Entscheidungen zu treffen und die Verteilung der knapp bemessenen finanziellen Mittel abzustimmen. Da meine Teilnahme ausdrücklich erwünscht war, nahm ich auch an diesen Sitzungen teil. Neben den Sprachlehrern sind die Beschäftigten für die Projektarbeit die einzigen hauptamtlich Angestellten des Instituts. Auf die Ausgestaltung der Projekte entfällt ein Großteil des Budgets.

Meine Tätigkeiten gliederten sich in zwei Bereiche. Den Großteil meiner Arbeitszeit war ich mit Textarbeiten beschäftigt, die darauf abzielten, Publikationen der Organisation zu analysieren, umzuformen und einem größeren Publikum verständlich zu machen. Vor allem die Publikationsreihe „Marcha Atrás“, in der es um die qualitativen Rückschritte der Menschenrechtssituation in Uruguay geht, sollte dahingehend bearbeitet werden. Außerdem erarbeitete ich Quizze, die mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad von einer basalen Einführung über die Geschichte des Landes bis hin zu komplexeren Themen des  aktuellen gesellschaftlichen Alltags reichten. Die Aufgabe bereitete mir zunächst viel Freude, einzig der Umstand, dass ich den Großteil dieser Tätigkeit alleine und im Homeoffice verrichtete, machte mir ein wenig zu schaffen. Da sich diese Arbeitsweise allerdings schon vorher im Team etabliert hatte, und auch das Brecht-Haus an den Vormittagen geschlossen war, versuchte ich mich bestmöglich mit der Situation zu arrangieren. Einige Male besuchte ich zum Arbeiten die öffentlich zugängliche Staatsbibliothek, die nur wenige Meter von meiner Unterkunft entfernt lag.

Der andere Teil der Arbeit war die tatsächliche Beteiligung an den Projekten in Montevideo und anderen Teilen des Landes. Dabei handelte es sich um Workshops, die das Team mit von Armut und Stigmatisierung betroffenen Jugendlichen durchführten. Das Ziel der Workshops liegt hauptsächlich darin, die Jugendlichen im Umgang mit der exekutiven Gewalt des Staates zu schulen und über ihre Rechte aufzuklären. In anderen Workshops ging es um die Abstimmung mit anderen NGOs, die sich ebenfalls dem Schutz der Menschenrechte verschrieben haben. In Buenos Aires nahmen wir an einem mehrtägigen Workshop der Rosa-Luxemburg Stiftung zum Thema „Schutz der Menschenrechte in den Territorien“ teil. Dabei kamen Kollektive, Vereine und Bündnisse aus Uruguay und Argentinien zusammen, und in gemeinschaftlicher Arbeit wurden Strategien ausgearbeitet, um die Arbeit in den jeweiligen Kommunen und Vierteln effektiver zu gestalten.

Während der gesamten Zeit meiner Tätigkeit hatte ich das Gefühl, allen Mitgliedern meines Teams freundschaftlich-kollegial verbunden zu sein und hatte daher auch keine Probleme, Fragen zu stellen oder über Unklarheiten zu sprechen. Ich wurde zu jeder Zeit sehr freundlich und wohlwollend behandelt.

Zukünftigen Praktikanten der Casa Brecht empfehle ich, bereits im Vorfeld des Praktikums konkrete, auf einen zeitlichen Rahmen zugeschnittene Projekte mit den Kolleginnen vor Ort zu besprechen. Da das Team über feste Abläufe verfügt, eigene Aufgaben in der knappen Zeit priorisiert, und die Ergebnisse meiner Arbeit eher als ein Bonus, und weniger als Teil der ohnehin notwendigen Tagesgeschäfts ansah, entwickelten sich meine Arbeiten nur relativ langsam weiter und an einigen Stellen gelang es schließlich nicht, Projekte zufriedenstellend abzuschließen. Da ich die mir aufgetragenen Arbeiten zügig erledigte und diese auch inhaltlich sehr gelobt wurden, sehe ich mich dafür allerdings nicht in der Verantwortung. Trotzdem glaube ich, dass ich mehr hätte erreichen können, hätte ich etwa ein von Anfang bis Ende umrissenes Projekt mit zeitlichen Eckdaten vorgelegt. So hätte man die Kollegen sicherlich dazu bewegen können, schneller Rückmeldungen zu geben und die nächsten Schritte zu besprechen.

Da die Casa Brecht sämtliche Projekte und Tätigkeiten in Jahreszyklen von Januar bis Dezember plant, wäre es außerdem sicherlich von Vorteil, das Praktikum zum Start des Sommersemesters zu beginnen, um die Projekte aus einem frühen Stadium bis zur Realisierung begleiten zu können.

 

Resümee und persönlicher Mehrgewinn

Insgesamt bin ich jedoch zufrieden, Einblicke in das Wirken einer kleineren politischen NGO erhalten zu haben, und denke, das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Organisationen, der Zivilgesellschaft und öffentlichen Stellen nun besser zu verstehen. Auch war es interessant, die interne Handhabung des operativen Geschäfts durch die Versammlungen des Vorstands und die zu treffenden Abwägungen aus der Nähe zu beobachten und daran teilzunehmen. Auch die pädagogischen Erfahrungen aus der Arbeit mit den Jugendlichen möchte ich nicht missen. Meine Sprachkenntnisse konnte ich auf ein höheres Niveau heben und auch das Entdecken der uruguayischen Kultur und Lebensweise haben mich sehr bereichert. Es überwiegen eindeutig die positiven Aspekte und ich kann ein Praktikum an der Casa Brecht und generell einen Aufenthalt in Uruguay bedenkenlos weiterempfehlen.

Studienfach: Politik, Verwaltung und Organisation (Bachelor)

Aufenthaltsdauer: 10/2022 - 04/2023

Praktikumsgeber: Casa Bertolt Brecht

Gastland:Uruguay


Aktuell haben wir Kooperationspraktika in England, Polen, Spanien, Frankreich, der Türkei, Israel, Indien, Argentinien, Brasilien und Uruguay akquiriert. Von studienbezogenen Praktika bis hin zu fachübergreifenden Angeboten bieten wir Studierenden einen bunt gedeckten Tisch mit Praktika auf dem Silbertablett.

 

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