Praktikum bei Uniepilepsias
Von Mai bis Juni 2022 absolvierte ich im Rahmen meines Masterstudiums ein 6-wöchiges Praktikum bei Uniepilepsias, einer Einrichtung für die Behandlung von Epilepsien, in Bogotá, Kolumbien.
Vorbereitung
Ich habe bereits zuvor einige Jahre in Kolumbien gelebt und während meines Bachelorstudiums für zwei Semester in Bogotá studiert. Von der Einrichtung Uniepilepsias habe ich in einem meiner Seminare dort gehört, da ein Dozent davon sprach. Nachdem klar war, dass ich den zweiten Teil meines Pflichtpraktikums gerne in Bogotá im Bereich Neuropsychologie absolvieren würde, habe ich die Einrichtung über die Website kontaktiert und nach der Möglichkeit eines Praktikums gefragt. Meine Wahl fiel wieder auf Kolumbien, da ich so die Theorie, die ich während meines Auslandsstudiums dort gelernt habe, endlich mit der Praxis vor Ort verknüpfen konnte. Außerdem fühle ich mich sehr wohl in dem Land, da ich die Sprache fließend spreche und die Kultur bereits gut kennenlernen konnte. So konnte ich mich gut auf die Inhalte des Praktikums konzentrieren.
Der Bewerbungsprozess lief sehr unkompliziert ab. Nach einer kurzen formlosen E-Mail wurde ich lediglich gebeten, meinen Lebenslauf zuzusenden. Danach wurde ich nach speziellen Erfahrungen und Wünschen in Bezug auf die Einsatzbereiche gefragt. Verantwortliche Personen wurden vorgestellt und der Zeitraum vereinbart. Die Kommunikation lief per E-Mail auf Spanisch. Rückmeldungen dauerten in der Regel einige Tage. Vorab habe ich einen detaillierten Plan zugeschickt bekommen, in dem die verschiedenen Einsatzbereiche (6 insgesamt), Anforderungen und Zeiträume aufgelistet waren. Das war in jedem Fall sehr hilfreich, da ich mich so schon auf die Aufgaben einstellen konnte und ungefähr wusste, was auf mich zukommt. Es gab keinen offiziellen Vertrag vorab, lediglich die Übersicht über die Aufgaben und Zeiten. An meinem ersten Tag vor Ort musste ich notwendige Dokumente für klinische Settings, wie beispielsweise eine Schweigepflichterklärung, unterschreiben. Ein Visum musste ich nicht beantragen, bis 180 Tage kann man in Kolumbien als Tourist bleiben. Vergütet wurde das Praktikum nicht, was im klinischen Sektor leider normal ist.
Finanzierung
Zum einen habe ich die Finanzierung über das PROMOS-Stipendium der Universität Potsdam in Anspruch genommen. Bei der Bewerbung war das International Office sehr hilfreich und stand für Fragen immer sehr freundlich zur Verfügung. Zu den einzureichenden Unterlagen gehörten ein Motivationsschreiben, Lebenslauf, ein Sprachnachweis und Nachweise von der Praktikumsstelle über die Vereinbarung des Praktikums. Die Rückmeldung ließ einige Wochen auf sich warten und ich war leider schon mitten im Praktikum, als sie kam. Daher hatte ich den Aufenthalt vorerst selbst aus eigenen Ersparnissen finanziert. Außerdem habe ich großes Glück mit meinem Arbeitgeber hier in Deutschland, da ich auch während der Zeit in Kolumbien weiterhin mit reduzierter Stundenzahl remote arbeiten konnte. Das würde ich aufgrund der hohen Arbeitsbelastung aber nicht empfehlen.
Aufenthalt im Gastland
Durch mein vorheriges Auslandsstudium hatte ich bereits viele Freunde in der Stadt und konnte in einer bekannten WG unterkommen. Für alle, die etwas in Bogotá suchen empfehle ich die Facebook Seite Bogotá Short Term Rentals, dort findet man schnell und unkompliziert ein Zimmer / eine Wohnung. Die Wohnungssituation in Bogotá ist überhaupt kein Vergleich zu Potsdam oder Berlin, es gibt sehr viele gute und günstige Angebote. Für eine 2-er WG habe ich 850.000 COP gezahlt (ca. 200 Euro). Eine kleine 1-Zimmer Wohnung bekommt man auch schon günstig ab ca. 1.500.000 COP (ca. 400 Euro) in beliebten Stadtteilen wie Chapinero. Lebensmittel sind in den letzten Jahren auch in Kolumbien immer teurer geworden. In Bogotá kommt es auch sehr auf den Stadtteil an, wieviel man für Lebensmittel zahlt. Auf Märkten (Paloquemao oder 7 de Agosto) findet man günstiges Obst und Gemüse sowie Grundnahrungsmittel, bei Discountern wie D1 oder Justo y Bueno kann man alles andere recht günstig kaufen. Importierte Lebensmittel sind teurer. Die Hauptmahlzeit in Kolumbien ist das Mittagessen und es gibt an jeder Ecke sehr günstige Corrientazos, das sind Mittagsmenüs bestehend aus einer Fleisch/Fisch-Option (kann man auch weglassen), Reis, Kartoffeln, Bohnen, Salat, Vorsuppe und einem Getränk (je nach Stadtbezirk 10.000 – 20.000 COP = 3-5 Euro). Ich ernähre mich vegetarisch, in Bogotá geht das in der Regel sehr gut aber je weiter man sich von Städten entfernt, desto schwieriger wird es. Ich habe viel selbst gekocht und für einen normalen Wocheneinkauf sollte man da schon so 150-200.000 COP (ca. 40 Euro) rechnen.
Um zu meiner Praktikumsstelle zu kommen habe ich das öffentliche Bussystem genutzt (Transmilenio). Bogotá hat leider keine Metro aber es fahren Busse auf einer eigenen Spur, so ist man trotz konstantem Stau relativ schnell am Ziel. Eine Fahrt kostet ca. 2500 COP (ca. 65 Cent), man muss eine Karte kaufen und die dann aufladen. Zu späterer Stunde empfehle ich aber aufgrund der Sicherheit ein Taxi oder Uber zu nehmen, die sind dort auch sehr günstig (2-5€ pro Fahrt). Gute und seriöse Apps dafür sind beispielsweise Cabify (Taxi), Didi oder Uber. Als Handyanbieter habe ich VirginMobile gewählt und flexible Prepaid-Tarife genutzt (pro Woche für 2 GB 5000 COP = 1,30 Euro)
Ich habe in Deutschland ein Konto bei der comdirect und kann mit der Kreditkarte in Kolumbien überall umsonst bezahlen. Mit der Debitkarte kann man außerdem an Automaten der DAVIVIENDA 3x pro Monat kostenfrei Bargeld abheben. Meine Auslandsversicherung hatte ich über Dr. Walter abgeschlossen, für ca. 1,30 Euro pro Tag.
Freizeit
Für die Freizeitgestaltung hatte ich mich monatsweise im Fitnessstudio BODYTECH angemeldet, die gibt es verteilt in der ganzen Stadt (ca. 40€). Bogotá ist auf den ersten Blick keine Schönheit von Stadt aber genau das macht sie so besonders. Es gibt unzählige Freizeitangebote, sehr gute Restaurants und tolle Bars und Clubs, die sich jedoch oft erst auf den zweiten Blick finden lassen.
Sonntags gibt es die Ciclovía, da sind Hauptstraßen der Stadt für Autos gesperrt und man kann auf ihnen kilometerweit Fahrrad fahren oder laufen gehen. Es gibt oft Kunstveranstaltungen wie BogotART oder Open San Felipe mit offenen Galerien. Kino ist sehr günstig in Kolumbien und kostet unter der Woche nur 2-3 Euro. Englische Filme werden auch oft im Original mit Untertiteln gezeigt. Ich war auch einige Male im Theater und habe tolle Tanzinszenierungen gesehen, beispielsweise im Teatro Mayor Santo Domingo und Teatro Jorge Elicier Gaitán. Die Kosten fürs Ausgehen am Wochenende variieren sehr stark, es gibt viele zwanglose Salsa-Bars, die wenig oder gar keinen Eintritt nehmen (Bier ca. 1-2 Euro), tolle Jazzbars mit Livemusik und auch zahlreiche Electro-Clubs (Eintritt ca. 8 Euro) mit Getränken zu deutschen Preisen. Sonntags findet im Zentrum immer ein riesiger Flohmarkt statt und im Norden der Stadt (Usaquén) gibt es einen wunderschönen Kunsthandwerkermarkt mit ausschließlich lokal hergestellten Produkten, wo man gut Mitbringsel kaufen kann. Die Umgebung rund um die Stadt lädt außerdem dazu ein, Ausflüge zu machen, ich war mit Freunden auf dem Cerro Aguanoso (Wanderung), im Páramo Chingaza, bei der Embalse de Neusa (ein See) oder im Pueblo Fantasma (einer verlassenen Betonfabrik). Insgesamt würde ich für einen Aufenthalt in Bogotá pro Monat mit 700 Euro rechnen, wenn man viel sehen und unternehmen will.
Praktikum
Uniepilepsias ist eine Einrichtung für die Untersuchung und umfassende Behandlung von Epilepsien. Durch das Praktikum wollte ich meine praktische Erfahrung vertiefen, die Rolle der (Neuro-) Psychologie in der Behandlung von Epilepsie und generell die Prozesse in Kolumbien kennenlernen. Meine Aufgaben bestanden in der geleiteten Beobachtung von Patient:innen, ihrem Verhalten und ihrem emotionalen Befinden zum Zeitpunkt der Aufnahme und während der Hospitalisation (Informelle Diagnostik). Außerdem hospitierte ich in neuropsychologischen Testungen und führte einige Instrumente in spanischer Sprache selbst durch, machte Anamneseerhebungen mit Patient:innen und die Erfassung der Krankheitsgeschichte mit Angehörigen. Die Patient:innen waren sehr divers und umschlossen Kinder sowie Erwachsene verschiedener sozialer Hintergründe. Mit Kindern führte ich auch weiterhin kleine Spiele durch. Im Anschluss an jede Sitzung schrieb ich einen Befund mit meinen Beobachtungen. Außerdem wurde ich damit beauftragt, einen Workshop zum Thema „Emotionsregulation und Stressbewältigung“ mit postchirurgischen Patient:innen zu gestalten und durchzuführen. Mein Workshop umschloss 3 Sitzungen à 2 Stunden. Hier konnte ich neben der Vermittlung von Inhalten zu den Themen auch viele Erfahrungen von Patient:innen hören und auf sehr bereichernde Art und Weise sehen, wie ein chirurgischer Eingriff das Leben der Betroffenen deutlich verbesserte. Die Dankbarkeit, die sie der Einrichtung entgegenbrachten, war sehr besonders und hat mich langfristig sehr motiviert.
Neben diesen praktischen Tätigkeiten machte ich weiterhin umfassende Literaturrecherchen zu internationalen Richtlinien der Neuropsychologie bei Epilepsie sowie Neuropsychologie bei psychogenen epileptischen Anfällen. Die Ergebnisse habe ich in einem Artikel verschriftlicht und außerdem am Ende meines Praktikums vor dem gesamten Personal in einer Präsentation vorgestellt. Zu guter Letzt nahm ich auch an Sitzungen des gesamten medizinischen und psychologischen Personals zur detaillierten Revision der Patient:innen und Entscheidungsfindung, ob er/sie für eine OP in Frage kommen, teil. Hier wurden Untersuchungsergebnisse (Daten aus der Neuropsychologie, Psychiatrie, EEGs sowie Videoaufnahmen von einem Anfall während der Hospitalisation) angesehen und umfangreich diskutiert, hier konnte ich viel theoretisches Wissen mitnehmen.
Betreuung und Zeitmanagement
Ich wurde hauptsächlich von der leitenden Neuropsychologin und dem leitenden Neurologen betreut. Wir hatten eine Whatsapp-Gruppe und sie standen rund um die Uhr für Fragen zur Verfügung. Außerdem waren alle anderen Beschäftigten der Einrichtung sehr nett und ich habe mich gut aufgehoben gefühlt. Die Aufgaben waren sehr divers und das Verhältnis aus Theorie und Praxis war insgesamt sehr ausgeglichen. Ich habe ca. 50% der Zeit vor Ort und in der Klinik und 50% in Selbstorganisation von zuhause gearbeitet. Das kam mir sehr entgegen, weil ich dadurch eine gewisse Flexibilität in der Stundenverteilung hatte. Zeit ist in Bogotá jedoch auch ein immerwährendes Problem, da Patient:innen aufgrund des Verkehrschaos oft zu spät kommen oder Termine spontan absagen. Deshalb ist auch da ein gewisses Maß an Flexibilität gefragt. Dadurch, dass ich neben der Patient:innenbetreuung jedoch noch weitere Aufgaben hatte, welche ich selbstständig bearbeitete, hatte ich immer etwas zu tun und es gab nie einen unangenehmen Leerlauf, was einerseits sehr angenehm war, andererseits empfand ich die allgemeine Arbeitsbelastung auch als extrem hoch. Ich habe sehr viel mehr als die ausgemachten Stunden gearbeitet und hätte mir mehr Zeit zur persönlichen Reflexion gewünscht. Da das Praktikum jedoch nur über einen Zeitraum von 6 Wochen ging, konnte ich es gut durchhalten und habe viel gelernt. Die Arbeitszeiten in Kolumbien sind generell länger (von 6:30/7 – 17 Uhr) und die Beziehung zu Patient:innen ist weniger distanziert (man wird mit „doctor/a“ und dann mit Vornamen angesprochen), was ich im Hinblick auf das Wohlbefinden von Patient:innen in der Einrichtung als sehr positiv empfand.
Persönlicher Mehrgewinn
Ich konnte meine Erfahrungen in der Anwendung neuropsychologischer Testverfahren in spanischer Sprache vertiefen, weitere Sicherheit in der Interaktion mit Patient:innen gewinnen und mehr über das Krankheitsbild Epilepsie lernen. Im Allgemeinen hat mir das Praktikum viele Gemeinsamkeiten aber auch Schwierigkeiten in Bezug auf kulturelle Unterschiede aufgezeigt. Dadurch habe ich in jedem Fall eine gewisse Sensibilität für Möglichkeiten der Psychologie, abhängig von kulturellen Gegebenheiten, mitgenommen und gelernt, wie wichtig es ist, auch in der Situation selbst reagieren und improvisieren zu können. Im gesamten Praktikum hatte ich mit meinen betreuenden Personen eine sehr gute Kommunikation und wir haben sehr viele Sachverhalte kritisch hinterfragt und diskutiert.
Ich hatte schon vor meinem Aufenthalt geplant, nach meinem Abschluss einen Weg in der Neuropsychologie einzuschlagen und dieses Praktikum hat mich in jedem Fall darin bestärkt. Neben den fachlichen Lernerfahrungen konnte ich ein neues Arbeitsumfeld kennenlernen, inspirierende Bekanntschaften machen und meine Sprachkenntnisse erweitern. Diese haben sich besonders im fachlich praktischen Bereich stark verbessert und ich habe mehr Sicherheit bekommen, mit Kolleg:innen und Patient:innen im Fachjargon zu interagieren sowie die Ergebnisse meiner Arbeit vor dem Kollegium vorzustellen.
Resümee, abschließende Tipps und hilfreiche Links
Alles in allem kann ich ein Fachpraktikum bei Uniepilepsias empfehlen. Jedoch sollte man sich im Voraus über die hohe Arbeitsbelastung im Klaren und für spontane Änderungen in der zeitlichen Planung offen sein. Bogotá ist eine tolle Stadt und Kolumbien ein tolles Land für ein Auslandspraktikum, da sehr viele Realitäten aufeinandertreffen. Besonders im medizinischen Bereich ist das sehr spannend.
- Wohnungssuche: Facebook Bogotá Short Term Rentals
- Krankenversicherung Ausland: Dr. Walter
- Apps Taxi: Cabify, Didi, Uber, TaxisLibre
- Navigationsapp für ÖPNV (Google Maps ist hier nicht so hilfreich): MOOVIT
- Handyanbieter: VirginMobile (günstig), Claro (besserer Empfang ausserhalb Bogotás)
- Bank für gute Konditionen im Ausland: Comdirect
Studienfach: Psychologie (M.Sc.)
Aufenthaltsdauer: 05/2022 - 06/2022
Praktikumsgeber: Uniepilepsias
Gastland:Kolumbien
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