Praktikum am SI-PO Istituto Culturale Tedesco
Mein Auslandspraktikum bei der SI-PO habe ich vom 1. Oktober 2019 bis 31. März 2020 absolviert. Da ich während meines Bachelorstudiums bereits zwei Auslandssemester in Frankreich studiert habe, wollte ich nun nach Italien, um meine Italienischkenntnisse zu verbessern und Arbeitserfahrungen zu sammeln. Die Praktikumsstelle habe ich über den Career Service der Universität Potsdam gefunden und mich erfolgreich beworben: Zwei Wochen nach meiner Bewerbung mit Anschreiben und Lebenslauf meldete sich mein Praktikumsgeber per Email und bat um ein Telefonat. Wir besprachen direkt die anstehenden Aufgaben und einige organisatorische Dinge, wie beispielsweise ein WG-Zimmer, das mir mein Chef zusicherte.
Nachdem ich mich für diese Praktikumsstelle entschieden hatte, unterschrieb ich den Praktikumsvertrag, der stichpunktartig meine Aufgabenfelder sowie eine 35 bis 40 Stunden-Woche und die Erstattung von eventuellen Fahrtkosten vor Ort beinhaltete. Vergütet wurde das Praktikum leider nicht, weil die SI-PO selbst eine Non-Profit-Organisation ist.
Mit meinen beiden Chefs – einem deutschen Ehepaar – sprach ich meistens (leider) auf Deutsch, je nach Situation und Projektbeteiligten manchmal aber auch auf Italienisch. Rückmeldungen und Vorabinformationen habe ich immer sehr schnell bekommen, die mir vor allem bei der Beantragung der Erasmus+-Förderung half.
Finanzierung des Aufenthaltes
Da ich die Zusage meines Praktikumsgebers relativ kurzfristig bekam und die Bearbeitung der erforderlichen Dokumente ein wenig Zeit beanspruchte, begann mein Erasmus+-Förderzeitraum erst ab November. Mein Praktikumsgeber sicherte mir im Praktikumsvertrag leider keine Abdeckung der Unfallversicherung zu, sodass ich selbst eine Unfallversicherung abschließen musste, was einige Tage Zeit benötigte. Für die Erasmus+-Förderung musste ich unter anderem neben Motivationsschreiben, Empfehlungsschreiben eines Professors und aktueller Studienbescheinigung auch die Bestätigung der Hochschule und eine Versicherungserklärung einreichen. Dazu kam das Learning Agreement, das von allen drei Seiten – Universität Potsdam, Praktikumsgeber und Praktikant – unterschrieben werden muss und das Grant Agreement, dass die Bedingungen des Stipendiums regelt.
Während meines Praktikums habe ich mir durch Nachhilfe und kleinere Deutschkurse ein wenig Geld verdient, das zusammen mit der Erasmus+-Förderung größtenteils die Finanzierung meines Auslandsaufenthaltes abdeckte.
Aufenthalt im Gastland
Glücklicherweise blieb mir eine langwierige Zimmersuche erspart, weil mein Praktikumsgeber uns Praktikanten eine WG zur Verfügung stellte. Die Kaltmiete haben wir selbst bezahlt, mein Chef hat die Nebenkosten der Wohnung für uns übernommen. Die Lebenshaltungskosten in der Toskana sind in etwa vergleichbar mit denen in Potsdam. Lebensmittel und Essen sind teilweise sehr günstig, dafür sind die Mieten – je nach Stadtviertel natürlich – relativ hoch. Öffentliche Verkehrsmittel innerhalb Prato habe ich nicht genutzt, weil wir Praktikanten ein Auto zur Verfügung hatten und das Busnetz nicht besonders gut ausgebaut ist. Außerdem waren wir oft in Schulen in kleineren Städten unterwegs, die man ohne Auto nicht erreichen kann. Allerdings bin ich einige Male mit dem Regionalzug nach Florenz gefahren, was etwa zwanzig Minuten dauert und pro Fahrt 2,60€ kostet. Auch nach Bologna und Rom bin ich mit dem Zug gefahren, was einwandfrei funktioniert hat und relativ günstig war. Ich habe kein Konto bei einer italienischen Bank eröffnet, weil ich gut mein deutsches Konto nutzen konnte. Allerdings könnte man für längere Aufenthalte überlegen, ob das eventuell sinnvoller ist. Bei den Freizeitangeboten für Studierende in Prato macht sich die Nähe zu Florenz und der dortigen Universität bemerkbar: Zum Wohnen ist die Stadt perfekt, zum Leben hat Florenz deutlich mehr und vielfältigere Angebote.
Arbeit bei der Bente Kahan Stiftung
Direkt am ersten Tag meines Praktikums hatten wir eine mehrstündige Teamsitzung: Eine weitere deutsche Praktikantin und ich bekamen eine ausführliche Einführung durch unsere beiden Chefs. Wir besprachen die aktuellen und zukünftigen Aufgaben und Projekte sowie einen groben Zeitplan für die kommenden Wochen. Der Kern meines Teams bestand während meines gesamten Praktikums aus diesen vier Personen und je nach Projekt kamen weitere Verantwortliche und außenstehende Lehrpersonen dazu.
Meine Hauptaufgaben waren verschiedene Projekte mit und in den Schulen, mit weiteren Institutionen und Partnern und einige administrative Tätigkeiten im Büro. Für das Projekt Deutschradio habe ich mit einzelnen Klassen oder Schülergruppen Radiosendungen geplant, vorbereitet und am Ende montiert. Dazu habe ich den SchülerInnen bei der Erstellung einer Playlist, des Storyboards und der anschließenden Aufnahme auf Deutsch oder Italienisch geholfen. Die SchülerInnen haben in den Sendungen ihre deutschsprachigen Lieblingssongs vorgestellt oder thematische Beiträge wie zum Reisen oder zu Italiens Geografie und Kultur entworfen. Die einzelnen Audiofiles habe ich dann auf Qualität und Quantität überprüft, mit der Software Audacity bzw. Cubase geschnitten und zu einer einstündigen Sendung montiert, die nach unserem Sendeprogramm über ein Webradio gesendet wurde.
Für etwa acht- bis elfjährige SchülerInnen habe ich regelmäßig mehrmals pro Woche einige Deutschstunden unterrichtet, in denen sie auf spielerische Weise erste Kontakte mit der deutschen Sprache und Kultur knüpfen konnten. Das Material für diese Schnupperkurse wurde mir von der SI-PO bereitgestellt, je nach Klasse habe ich den Inhalt allerdings ein wenig angepasst. Dieses Projekt hatte zum Ziel, die SchülerInnen für die deutsche Sprache zu sensibilisieren und bei der Wahl einer zweiten Fremdsprache (Deutsch, Französisch, Spanisch) an der weiterführenden Schule zu helfen.
Später bekam ich dann die Gelegenheit, den Unterricht für 13 Deutschstunden komplett eigenständig zu gestalten. Anlass dafür war eine Projektwoche zum Thema Umwelt und Mensch in einer Schule, in der ich drei Klassen mit etwa sechzehn- bis neunzehnjährigen SchülerInnen unterrichten sollte. Ich suchte mir passendes Material, bereitete es didaktisch mit z.B. Vokabellisten auf und fragte die SchülerInnen nach einem Feedback. Teilweise stand mir bei diesem Projekt bei Vorbereitung und Durchführung die Deutschlehrerin der Schule zur Seite.
Eine andere Schulklasse hat die Aufführung des Musicals Die Schöne und das Biest in Wangen im Allgäu, der Partnerstadt von Prato, vorbereitet. Hier habe ich das Drehbuch aus dem Italienischen ins Deutsche so übersetzt, dass ein deutsches Publikum dem italienischsprachigen Bühnengeschehen folgen kann. Einige Szenen habe ich untertitelt, andere Stellen habe ich für einen zusätzlichen Erzähler auf der Bühne entsprechend zusammengefasst.
Mein Lieblingsprojekt war ein von der EU finanziertes PON-Projekt, bei dem wir mit dreißig SchülerInnen einer Mittelschule aus dem Märchen der Bremer Stadtmusikantenein Radiohörspiel auf Deutsch entworfen haben. Innerhalb von drei Monaten haben wir mit den teilweise sehr chaotischen und lauten (pubertierenden) SchülerInnen ein Drehbuch geschrieben, Rollen verteilt, Aussprache geübt, Hintergrundgeräusche gesucht und schließlich die Aufnahmen gemacht. Mir hat das Projekt deshalb so gut gefallen, weil einmal der Zeitplan oft neu angepasst werden musste, die Schülergruppe sehr heterogen und äußerst herausfordernd war und wir im Team durch u.a. vergessene Texte und nicht funktionierende Technik regelmäßig improvisieren mussten. In dieser Zeit sind mir die SchülerInnen paradoxerweise ans Herz gewachsen, obwohl ich nach jeder dreistündigen Sitzung völlig ausgepowert war.
Während meines gesamten Praktikums habe ich immer wieder die aktuellen Projekte der SI-PO in vielen Schulen präsentiert und war dafür u.a. auch in Ravenna oder Bologna. Meistens habe ich Deutschradio vorgestellt, Fragen dazu beantwortet und bei den ersten Schritten geholfen. Aber auch andere Projekte habe ich präsentiert und begleitet, darunter Basteln auf Deutsch im Museum für zeitgenössische Kunst und einen Zungenbrecher-Wettbewerb. Je nach Altersgruppe und Sprachniveau habe ich hauptsächlich auf Italienisch gesprochen, bei fortgeschrittenen Deutschklassen manchmal aber auch auf Deutsch.
Außerhalb der Schulprojekte habe ich zwei SchülerInnen Nachhilfe in Deutsch gegeben und bei einer B1-Prüfung des Goethe-Instituts bei der Aufsicht und Durchführung geholfen. Für diesen Anlass und einer Präsentation der aktuellen Projekte der SI-PO sind wir im Team über ein verlängertes Wochenende nach Crotone in Süditalien gefahren. Es war sehr spannend, eine andere Region Italiens – wenn auch nur kurz – kennenzulernen.
Für den DAF-Tag (Deutsch als Fremdsprache) in Rom, der vom Goethe-Institut, den Hueber- und Loescher-Verlagen organisiert wurde, habe ich eine Powerpoint-Präsentation über die Projekte der SI-PO für den Vortragenden vorbereitet. Auch hier durfte ich für zwei Tage mit nach Rom reisen, am Kongress teilnehmen, während der Präsentation assistieren und mir danach Italiens Hauptstadt ansehen.
Am 8. November 2019 haben wir einen großen Lehrerkongress zum Thema 30 Jahre Mauerfall im Museum für zeitgenössische Kunst veranstaltet mit verschiedenen Workshops, Präsentationen und Diskussionsrunden. Hier habe ich mich hauptsächlich um die Kommunikation mit Interessierten, die Anmeldung der TeilnehmerInnen und deren Einteilung in Workshops gekümmert.
Auch im Büro habe ich bei den anfallenden administrativen Tätigkeiten mitgeholfen: Ich habe den Emailaccount verwaltet und Anfragen per Email und Telefon auf Italienisch bearbeitet. Ich habe Daten wie beispielsweise Teilnehmerlisten verwaltet und in Datenbanken eingepflegt. Außerdem sind mir während meines Praktikums einige Ideen und Vorschläge für den Webauftritt der SI-PO gekommen, die ich in Teambesprechungen präsentiert habe.
Ich selbst war teils zufrieden, teils unzufrieden mit – je nach Projekt unseren oder meinen – Ergebnissen: Oft habe ich einen zeitlichen und inhaltlichen Plan erstellt, den ich durch fehlende Kommunikation, nicht funktionierende Technik vor Ort, spontane Änderungen oder unkooperative Projektbeteiligte zumindest teilweise ändern oder sogar ganz über den Haufen werfen musste. Mal waren zehn SchülerInnen für ein Projekt angekündigt, dann aber nur zwei da, mal war die benötigte Technik zum Aufnehmen eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn unauffindbar oder es mussten einen Tag vor Projektstart plötzlich noch jede Menge bürokratische Unterlagen ausgefüllt und unterschrieben werden. Bei einigen Aufgaben haben wir zwei Praktikantinnen oft kurz vor knapp „das Feuer löschen müssen“, das andere ausgelöst hatten.
Persönlicher Mehrgewinn
Während meines sechsmonatigen Praktikums habe ich verschiedene Kompetenzen erworben oder vertieft. Fachspezifische theoretische und praktische Kenntnisse habe ich bei der Unterrichtsvorbereitung und Didaktisierung von Material erlernt. Durch die Erstellung, Aufnahme und Montage der Sendungen sowie des Storyboards habe ich mir spezielles Fachwissen angeeignet, das durch die Arbeit mit Audacity und Cubase ergänzt wurde. Bei der Erstellung von Präsentationen, Übersetzungen und gelegentlichem Dolmetschen habe ich die in meinem Studium erlernten wissenschaftlichen Methoden angewandt. Wenn ich Ergebnisse und Feedback bekommen habe, habe ich dies bei späteren Projekten wie beispielsweise der Unterrichtsvorbereitung berücksichtigt. Mir war es wichtig, meine Arbeit durch Anforderung von Feedback oder Gesprächen selbst zu reflektieren.
Im organisatorischen Bereich haben sich bei der Erstellung von Zeitplänen und Übersichten für anstehende Projekte und Aufgaben auf jeden Fall mein Projektmanagement und meine Flexibilität bewährt. Außerdem habe ich mich in ein neues Arbeitsteam und eine WG integriert sowie meine interkulturelle Kompetenz erweitert, indem ich das Leben und den Arbeitsalltag in Italien kennengelernt habe. Ich stellte fest, dass ein Großteil der Kommunikation im Arbeitsleben über Whatsapp oder über persönliche Gespräche „zwischen Tür und Angel“ stattfanden. Daran und auch an die teilweise unstrukturierte und spontane Arbeitsweise mancher ItalienerInnen musste ich mich erst gewöhnen. In meiner Freizeit habe ich bemerkt, dass die ItalienerInnen sehr offen und herzlich mit mir umgegangen sind – gerne hätte ich mehr Zeit gehabt, um noch besser die Toskana und deren EinwohnerInnen kennenzulernen.
Meine größte Motivation für dieses Auslandspraktikum war jedoch, meine Italienischkenntnisse zu verbessern: Mein bisheriges Sprachniveau B2 aus dem Bachelorstudium konnte ich dank dieser Arbeitserfahrung und des OLS-Sprachkurses zu einem C1 Niveau ausbauen.
Da das Praktikum ein fester Bestandteil meines Studiengangs ist, konnte es durch einen fachlichen Abschlussbericht mit Note und entsprechenden Leistungspunkten angerechnet werden.
Rückblick
Für mich persönlich war das Auslandspraktikum eine sehr wichtige Erfahrung, ich kann es wirklich jedem ans Herz legen! Die größte Erkenntnis habe ich über das Arbeitsleben bekommen, vor allem über die Kommunikation mit den Vorgesetzten und im Team. Aus sprachlich-kultureller Sicht hatte ich erwartet, viel mehr Italienisch zu sprechen und mehr Zeit mit italienischen FreundInnen zu verbringen. Mit meinen beiden Vorgesetzten habe ich fast immer auf Deutsch gesprochen und Freizeit hatte ich wenig, weil die Arbeit sehr viel Kraft, Durchhaltevermögen und Stressresistenz in Anspruch genommen hat. Gerade während eines Auslandspraktikums ist es wichtig, sowohl zeitlich als auch inhaltlich konkrete Vereinbarungen mit dem Praktikumsgeber zu treffen und notfalls darauf zu bestehen, sodass man persönlich noch genügend Zeit hat, Land und Leute richtig kennenzulernen.
Studienfach: Linguistik: Kommunikation-Variation-Mehrsprachigkeit
Aufenthaltsdauer: 10/19 - 03/20
Praktikumsgeber: SI-PO Istituto Culturale Tedesco
Gastland: Italien