Auslandssemester an der Ritsumeikan Universität, Kyoto
Das Auslandssemester in Japan hat mich auf verschiedenste Weisen bereichert. Nicht nur die persönliche Entwicklung und Erfahrungen, die wohl jeder längere Auslandsaufenthalt mit sich bringt, sondern speziell dieses Land war ein wirklich besonderes Erlebnis. Der japanische Lebensalltag ist durchdrungen von einer Art spiritueller Version des Dolce Vita, was auf die abwechslungsreiche und wunderschöne Natur zurückzuführen sein könnte. Diese findet Ausdruck in einer facettenreichen Kultur, die zahlreiche Kunstformen umfasst. Das ist nichts, was einen unberührt lässt. Überall im Land herrscht eine unglaublich angenehme und entspannte Atmosphäre, und der Organisationsgrad ist wesentlich höher als in jedem europäischen Land.
1. Vorbereitung des Auslandsemesters
Der Wunsch, einmal nach Japan zu reisen, reicht bis in meine Kindheit zurück. Mein Vater hatte nach einer längeren Geschäftsreise begeistert seine Erfahrungen mit der japanischen Kultur mit nach Hause gebracht, wodurch ich früh mit ihr in Kontakt kam. Mit einem Auslandssemester wollte ich nun endlich diesem lang gehegten Wunsch nachgehen. Da die Universität Potsdam noch keine Partnerschaft mit einer japanischen Universität pflegt, habe ich die Organisation des Auslandssemesters selbst in die Hand genommen.
Zunächst habe ich durch Internetrecherche und das Angebot anderer Universitäten nach japanischen Hochschulen gesucht, die in Frage kommen könnten. Leider musste ich schnell feststellen, dass aufgrund der Corona-Pandemie viele Universitäten keine Bewerbungen von Individualbewerbern für Auslandsaufenthalte zuließen. Am Ende war die Ritsumeikan Universität in Kyoto die Einzige, die Bewerbungen annahm. Mittlerweile sollte sich die Situation jedoch verbessert haben. Zufälligerweise hatte mir ein Freund diese Universität bereits empfohlen, da er an der Osaka-Zweigstelle ein Auslandssemester verbracht hatte und sehr zufrieden war. Das Bewerbungsverfahren gestaltete sich grundsätzlich einfach. Fast alle nötigen Daten konnte ich durch ein Onlineformular eingeben, und auch die zahlreichen notwendigen Nachweise hochladen. Die Universität kümmerte sich um das Visaverfahren. Hierfür mussten zusätzliche Formulare für die Auslandsbehörde ausgefüllt und weitere Nachweise hinzugefügt werden. Vor allem das notwendige Einkommen und die Nachweise hierfür von mir und meiner möglichen Bürgen waren die einzigen, wenn auch nicht sehr hohen Hürden, die hier erfüllt werden mussten. Dies sollte auch die Regel an allen japanischen Universitäten sein. Nach erfolgreicher Bewerbung und Zahlung der Studiengebühren wurde mir ein Certificate of Eligibility zugesandt, mit dem ich vor Ort mein Einreisevisum beantragen konnte. Die Kommunikation mit der Universität verlief reibungslos. Es wurden ausreichende Informationen bereitgestellt, und auf Fragen wurde immer sehr schnell geantwortet. Der E-Mail-Verkehr und auch die spätere Kommunikation vor Ort erfolgten auf Englisch.
2. Finanzierung des Auslandsemesters
Ich bewarb mich um ein PROMOS-Stipendium und erhielt erfreulicherweise die Zusage für einen Mobilitätszuschuss. Ansonsten erhielt ich Auslands-BAföG und nahm für den Zeitraum des Auslandsaufenthalts ein KfW-Darlehen auf. Ein Tipp: Ein KfW-Darlehen erhält man nur, wenn man nicht beurlaubt ist.
3. Aufenthalt im Gastland
Die Wohnungssuche gestaltete sich erstaunlich einfach. Die Universität stellte Studentenwohnheime und Singleapartments zur Verfügung. Da ich jedoch lieber eine private Wohnung beziehen wollte, fand ich mit Hilfe der Informationen der Universität recht schnell eine eigene Wohnung. Die Kommunikation mit dem Housekeeper verlief ebenso reibungslos wie mit der Universität und den japanischen Behörden. Es wurden wieder viele Informationen bereitgestellt, was wohl üblich ist in Japan.
Das Leben in Kyoto war erstaunlich günstig, solange man sich vom Stadtzentrum fernhielt. Nachdem ich die günstigsten Supermärkte gefunden hatte, konnte ich sehr preiswert hochwertige Lebensmittel kaufen. Notfalls konnte man in den überall beliebten Konbinis (Convenience Stores) jederzeit eine günstige Mahlzeit kaufen und sich aufwärmen lassen. Mittags boten fast alle Restaurants günstige Lunch Menus an, und da man keine Getränke bestellen musste und meistens gratis Wasser oder grünen Tee erhielt, kam man häufig mit einer üppigen Mahlzeit bei 5-7 Euro weg. Und es gilt die Regel: In Japan konnte man nur gut oder sehr gut essen. Auch jeder Shoppingfreund wird hier glücklich. Die einzigen etwas teureren Städte waren Tokyo und Osaka. Jedoch befanden sich auch diese höchstens auf München oder Hamburg Niveau.
Das öffentliche Verkehrssystem in Japan ist bekanntermaßen ausgezeichnet. Wer anfangs gelernt hat, sich in den riesigen Stationen zu orientieren, und die unglaubliche Anzahl an verschiedenen Zugarten zu verstehen, findet sich sicher gut zurecht. Google Maps weist einem bis zu dem verstecktesten Schrein den Weg, und wer sich eine aufladbare Karte für den Nahverkehr holt, kann die nervigen Automaten umgehen. Der Shinkansen ist schnell und komfortabel, aber vergleichsweise teuer. Das Bummeln mit Lokalzügen ist aufwendig, aber günstig und bietet wunderschöne Panoramen und Begegnungen mit dem japanischen Alltag. Wer es besonders günstig haben will, kann sehr preiswert mit komfortablen Bussen durchs Land reisen. Weit in den Süden und Norden fliegt man am besten mit einem Billigflieger. Bloß keine lange Fährfahrt verpassen! Japan ist ein Bargeldland. Bei jedem Konbini kann man Geld abheben und sollte es auch immer griffbereit haben. Wie man merkt, sind Konbinis für alle Vorhaben ein sicherer Hafen. Das Reisen durch das Land war äußerst komfortabel und sicher, und die Unterkünfte waren ebenfalls erstaunlich preiswert. Überall fanden sich großartige kulturelle Angebote, und jederzeit fanden irgendwo Feste im Land statt. Viele Städte waren von sich aus bereits Kunstwerke, und da die Japaner selbst ein sehr ausgiebiges Freizeitleben genießen, fand sich für jeden Preis immer ein Angebot an Freizeitmöglichkeiten. Meistens waren alle Informationen und Ausschilderungen vor Ort in Englisch zu finden, jedoch sprachen nicht viele Japaner Englisch. Mehr als oberflächlicher, aber doch immer freundlicher und interessierter Kontakt mit Einheimischen war daher selten. Ich kam aber immer schnell mit anderen Ausländern in Kontakt und erlebte auch allein auf meinen Reisen viele schöne Momente.
4. Zufriedenheit mit dem Auslandsemesters
Von der Uni bzw. sogar vom japanischen Migrationsrecht ist es vorgegeben, mindestens 7 Mal pro Woche einen Kurs zu besuchen. Diese Anforderung wurde mit dem Japanisch-Kurs mit 3 Blöcken pro Woche schnell erfüllt. Daher habe ich neben Kursen, die mir anerkannt wurden, auch zusätzliche, nicht notwendige Kurse aus dem kulturellen Angebot gewählt – eine sehr gute Entscheidung. Denn Kalligrafie und Teezeremonie waren ein wunderbarer Einblick in die japanische Kultur.
Die Betreuung während des Aufenthalts war sehr umfangreich. Ich habe sogar an den in Japan üblichen jährlichen medizinischen Untersuchungen teilgenommen. Die Ausstattung an der Universität war modern, alles gut organisiert, und der Unterricht war inhaltlich sowie didaktisch auf hohem Niveau. Das Volumen an wöchentlichen Aufgaben sollte man nicht unterschätzen. Alle Schüler und das Lehrpersonal waren überaus freundlich und höflich, und es herrschte allgemein eine angenehme und ruhige Atmosphäre. Leider war auch hier das Problem, dass es sehr schwer war, mit japanischen Studenten in Kontakt zu kommen, da diese selten Englisch sprachen und der Unterricht fast ausschließlich mit internationalen Studenten stattfand. Auch muss man sich darauf einstellen, dass der bürokratische Organisationsaufwand, vor allem am Anfang, zuweilen etwas anstrengend sein kann.
5. Persönlicher Mehrgewinn
Das Auslandssemester in Japan hat mich auf verschiedenste Weisen bereichert. Nicht nur die persönliche Entwicklung und Erfahrungen, die wohl jeder längere Auslandsaufenthalt mit sich bringt, sondern speziell dieses Land war ein wirklich besonderes Erlebnis. Der japanische Lebensalltag ist durchdrungen von einer Art spiritueller Version des Dolce Vita, was auf die abwechslungsreiche und wunderschöne Natur zurückzuführen sein könnte. Diese findet Ausdruck in einer facettenreichen Kultur, die zahlreiche Kunstformen umfasst. Das ist nichts, was einen unberührt lässt. Überall im Land herrscht eine unglaublich angenehme und entspannte Atmosphäre, und der Organisationsgrad ist wesentlich höher als in jedem europäischen Land. Die Sauberkeit sucht seinesgleichen, und in jedem noch so kleinen Bahnhof findet man jemanden, der einem ein falsches Ticket umtauscht. Jeder wird schnell herausfinden, dass dies alles durch viele ungeschriebene Gesetze ermöglicht wird. Dies kann anfangs etwas anstrengend sein, doch ich denke, jeder, der versucht, sich daran zu gewöhnen, wird sehr schnell merken, dass einem dafür sehr viel Wertschätzung entgegengebracht wird. Und niemand möchte es verpasst haben, einmal in einem Verbeugungs-Loop festgesteckt gewesen zu sein. Doch niemand muss Angst haben, unangenehm aufzufallen; das würde die japanische Höflichkeit gar nicht zulassen. Ich kann auch nur ausdrücklich empfehlen, einen Japanisch-Kurs zu belegen und am Ball zu bleiben. Selbst der kleinste Versuch, Japanisch zu sprechen, bricht jedes Eis und bringt einem zumindest etwas der erstaunlich lustigen und selbstironischen Art der Japaner näher, die ansonsten häufig hinter dem freundlichen und zurückhaltenden Miteinander verborgen bleibt. Außerdem bringt einen zumindest das grobe Verständnis von Schriftzeichen doch sehr weit und mindert die kulturelle Entfremdung wesentlich schneller. Jedoch muss niemand Angst davor haben, nur mit Englisch durch das Land zu reisen. Mit einem Lächeln und einem Übersetzungsprogramm und notfalls mit Händen und Füßen konnte ich mich immer und überall verständigen.
6. Resümee, abschließende Tipps und hilfreiche Links
Die sechs Monate in Japan waren eine unglaublich besondere und schöne Erfahrung. Kyoto selbst war bereits eine sehr schöne Stadt und ist mit seinen tausenden Tempeln als kulturelles Zentrum Japans vielleicht der beste Ort, um ein Auslandssemester zu verbringen. Doch ich denke, überall im Land wird man glücklich werden, und die vielen Eindrücke, die ich auf meinen Reisen von anderen Studenten und Expats gesammelt habe, lassen mich hier sicher sein. Wer länger in Japan bleiben will als die Vorlesungszeit, muss sich darauf einstellen, dass manche Universitäten behaupten, das Visa würde mit Ende dieser Zeit auslaufen. Das ist nicht der Fall. Dies bestätigt einem auch die Ausländerbehörde. Ich denke, die Universitäten machen das, weil sie nicht für die vorlesungsfreie Zeit bürgen wollen. Wer länger als die sechs Monate des Studentenvisas bleiben will, muss nur rechtzeitig einen Antrag auf den Wechsel zu einem Touristenvisa (temporäres Visa) stellen. Außerdem sollte man vor der Reise am besten schon ein paar Japan Blogs gelesen haben, um sich auf die örtliche Kultur einzustellen. Desto weniger wird man brauchen um sich angekommen zu fühlen. Alles in allem kann ich Japan für ein Auslandssemester aus tiefster Seele empfehlen.
Studienfach: Soziologie
Aufenthaltsdauer: 04/2023 - 10/2023
Praktikumsgeber: Ritsumeikan Universität
Gastland: Japan