Wir bleiben heute den ganzen Tag in der Vieja Posada – einem ehemaligen Schulhaus aus dem 19. Jahrhundert und unserem Hotel in Cafayate. Wie die Hühner auf der Stange sitzen wir bereits am frühen Morgen mit unseren Laptops im Garten und unter den mächtigen Arkaden des Innenhofs und teilen die benötigten Satellitendaten für den heutigen Arbeitstag. Es sieht ein wenig wie bei einem Hackathon aus: überall Computer, Kabel und nicht genügend Sitzplätze.
Wir verwandeln den aus Adobeziegeln gebauten Speise- und Frühstücksraum in einen komfortablen Seminarraum, wo nun Bodo Bookhagen eine kurze Einführung zur Fernerkundung und der Arbeit mit Satellitendaten gibt. Hierbei vergleicht er unter anderem die Genauigkeit der Informationsaufnahme der Messinstrumente mit der des menschlichen Auges. Ein Beispiel ist die räumliche Auflösung: So kann das menschliche Auge im Durchschnitt auf einer Distanz von etwa 20 Metern Unterschiede von ein bis drei Zentimetern ausmachen. Satelliten umkreisen die Erde in ungefähr 700 Kilometern Höhe und erreichen räumliche Auflösungen von bis zu zehn Metern im multispektralen Bereich. Ihre Daten sind heute frei verfügbar und bieten ungeahnte Möglichkeiten für die fernerkundliche Bearbeitung großräumiger, unzugänglicher Regionen. Wir sind sehr froh darüber, denn noch vor einigen Jahrzehnten hätten wir für die Geländebegehung dieser Region zunächst einmal einen Reit- und Flüstererkurs mit Maultieren absolvieren müssen. Apropos Maultiere: Cafayate und das benachbarte Lerma-Tal waren in der frühen spanischen Kolonialzeit Zentren der Maultierzucht. Jedes Jahr wurden von hier aus bis zu 60.000 Tiere in die Hochanden von Bolivien getrieben, wo man sie im Bergbau einsetzte. Aber zurück in die Gegenwart und zur Fernerkundung!
Mit der Software QGIS sind wir in der Lage, Satellitendaten zu laden und die volle Bandbreite nach unserem Belieben zu nutzen. Der NDVI, der Normalized Difference Vegetation Index, ist eine einfache, jedoch robuste Methode, um die Unterschiede der Landschaft vom karg bewachsenen, ariden Puna-Plateau – der zweitgrößten Hochebene der Welt mit einer durchschnittlichen Höhe von 4.000 Metern – bis zur subtropischen Bewaldung des relativ flachen Andenvorlands kartografisch darzustellen. Weiterhin ist es möglich, Wolken, schneebedeckte Berggipfel und Salzwüsten, die in der Echtfarbendarstellung weiß erscheinen, durch angepasste Bandkombinationen aus anderen spektralen Bereichen zu unterscheiden. Bei unserer heutigen Übung geht es jedoch darum, mithilfe der Satelliteninformationen verschiedene Gesteinseinheiten zu erkennen, zu definieren und mithilfe ihrer charakteristischen spektralen (farblichen) Eigenschaften zu klassifizieren und zu kartieren. Dafür nutzen wir die Methode einer sogenannten überwachten Klassifizierung („supervised classification“), die wir aufgrund unseres geologischen Feldverständnisses und der Erfahrung im Gelände erstellen. Das Ergebnis ist eine geologische Karte, die die an der Erdoberfläche ausstreichenden Gesteine über das gesamte Tal von Santa Maria und einen Teil des Puna-Plateaus abbildet.
Den arbeitsreichen Tag lassen wir in der Casa de Empanadas ausklingen – mit fleisch- oder gemüsegefüllten Teigtaschen und Chacarera-Musik.
Hintergrundinformationen zur Reise der Potsdamer Geowissenschaftler
Alle Einträge in einer Übersicht
Text: Malte Stoltnow, Gregor Lauer-Dünkelberg
Online gestellt: Matthias Zimmermann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuuni-potsdampde