BESSER-V: Bestimmende Faktoren der subjektiven Erwerbsaussichten von Patient*innen in der kardiologischen, onkologischen und orthopä- dischen Anschlussrehabilitation – eine qualitative Vergleichsstudie
Projektleiterin: PD. Dr. A. Salzwedel
Durchführende: M. Luizink-Dogan
Ergebnisse
Insgesamt wurden 51 Interviews mit 20 kardiologischen, 16 orthopädischen und 15 onkologischen Patient*innen (63 % Frauen) mit einem medianen Alter von 55 Jahren (19-60) durchgeführt. Indikationsübergreifend zeigte sich, dass die meisten Patient*innen nach der AR wieder arbeiten wollten - entweder in Form der Rückkehr in den bisherigen Beruf, in einem neuen Beruf oder bei einem anderen Arbeitgeber.
Für Rehabilitand*innen im Zuge der Reflexion ihrer Berufszukunft bedeutsame (indikationsspezifische) Aspekte konnten sieben Themenfeldern zugeordnet werden. In dem Thema „Wahrnehmung der Gesundheit“ schien die Wahrnehmung des körperlichen und mentalen Gesundheitszustandes wichtig. Vor allem Patient*innen mit kardiologischen Erkrankungen erlebten erkrankungsbezogene mentale Belastungen (z. B. Herzangst), aber auch Patient*innen mit onkologischen Erkrankungen waren aufgrund ihrer Erkrankung psychisch belastet (z. B. Angst vor erneutem Krankheitsfall). Auch spielten in diesem Themenfeld die Wahrnehmung des Erkrankungs-/ Behandlungsverlaufs und die bisherigen Gesundheits- und Lebenserfahrungen (z. B. unangenehme Krankenhauserfahrungen) eine wichtige Rolle.
Im Thema „Wahrnehmung des Umfelds“ waren das persönliche Umfeld (Familie, Freunde), das Arbeitsumfeld (Arbeitgeber*in/Kolleg*in) und die gesellschaftlichen Umstände inklusive des Gesundheitssystems besonders wichtig. Die Umsetzbarkeit der Lebensstil- und Verhaltensänderungen war im Bereich „Gesundheitsverhalten und Lebensstil“ für die Patient*innen sehr bedeutsam. Hierzu zählten vor allem die Reflexion des früheren Verhaltens (z. B. früheres ungesundes Verhalten), die Erfahrung der Anschlussrehabilitation (z. B. die gelernten Verhaltensweisen) und das Vorhaben von Lebensstiländerungen, um sowohl die körperliche als auch mentale Gesundheit zu verbessern.
Hinsichtlich des Themenfelds „Wahrnehmung der Berufslaufbahn“ prägten vor allem die Charakteristika der Arbeitsstelle (z. B. Mobbing) und des Berufes, (z. B. wahrgenommene psychische und/oder körperliche Belastung) von sowohl der bisherigen als auch aktuellen Tätigkeiten, die SE.
Verunsicherungen der Patient*innen über den weiteren Verlauf ihrer Erkrankung, ihre Genesung, ihre zukünftige Leistungsfähigkeit, ihre Berufszukunft sowie besonders über ihre Berufsmöglichkeiten wurden im Themenfeld „Verunsicherung über die Zukunft“ subsummiert. Überwiegend onkologische Patient*innen waren unsicher bzgl. des weiteren Verlaufs ihrer Krankheit.
Für eine mögliche Rückkehr in das Berufsleben waren die Patient*innen aufgrund verschiedener Aspekte motiviert (Themenfeld „Motive der Erwerbsabsicht“). So wurden finanzielle und soziale Motive (z. B. sozialer Kontakt/Aufrechterhalten der sozialen Identität) genannt, aber laut den Teilnehmenden spielten auch Persönlichkeitsmerkmale und die Bedeutung des Berufs/der Berufstätigkeit eine Rolle.
Innerhalb des Themenfeld „Wiedereingliederungsmöglichkeiten“ informierten Patient*innen sich über Berufsmöglichkeiten, wogen die Chancen und Barrieren ihrer beruflichen Wiedereingliederung ab und eruierten die Möglichkeit und Durchführbarkeit von Arbeitsplatzanpassungen. Hierbei hatten insbesondere orthopädische Patient*innen im Vergleich zu onkologischen und kardiologischen Patient*innen häufiger konkretere Vorstellungen.
Mit 41 (80 %) der Patient*innen wurden ein halbes Jahr nach Entlassung aus der AR Telefoninterviews durchgeführt, von denen 25 (61 %) (noch) nicht in das Berufsleben zurückgekehrt waren. Die Ergebnisse der Telefoninterviews bestätigten die Bedeutsamkeit der während der AR ermittelten Themenfelder auch sechs Monate nach der Rehabilitation, wobei einzelne Aspekte teilweise unterschiedliche Gewichtung erfuhren. Insgesamt erwies sich der Aspekt „Lebensstiländerungen“ als relevanter als zu vor angenommen, da die Mehrheit der Patient*innen tatsächlich Veränderungen im Lebensstil vorgenommen hatte, sowohl zur Verbesserung der körperlichen als auch der psychischen Gesundheit. Auch wurde festgestellt, dass die wichtigsten Beweggründe für die Rückkehr an den Arbeitsplatz auf finanziellen, sozialen und arbeitsbezogenen Motiven und weniger auf persönlichen Motiven beruhten.
Die als bedeutsam identifizierten Themenfelder und beinhalteten Aspekte wurden in einer Planungshilfe für Patient*innen in der kardiologischen, onkologischen und orthopädischen AR mit einer negativen SE aufgegriffen. Sie umfasst Beispiele, Fragen sowie Informationsmöglichkeiten mit dem Ziel:
- Anregung zum Nachdenken
- Ressourcenaktivierung
- Reduktion der Verunsicherung
- Formulierung individueller, realistischer gesundheitlicher und beruflicher Ziele
Diskussion
Ein Großteil der kardiologischen, orthopädischen und onkologischen Patient*innen mit Teilhaberisiko wollte nach der AR wieder in den Beruf zurückkehren, jedoch überwiegend ohne konkrete Planungen für die Berufszukunft. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die subjektive Erwerbsprognose als ein multifaktorielles Konstrukt verstanden werden kann, in welchem generische Themenfelder mit indikationsspezifisch unterschiedlich relevanten Aspekten enthalten sind, die die berufliche Wiedereingliederung von Patient*innen einerseits hindern, anderseits fördern können. Die Themenfelder generierten sich auf biologischer, psychischer und sozialer Ebene und in diesem Zusammenhang wurde auch deutlich, dass es eine Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Ebenen gibt. Die Themenfelder waren für die Patient*innen in den unterschiedlichen Fachindikationen gleichermaßen bedeutsam, allerdings schienen einige Aspekte indikationsspezifisch mehr oder weniger relevant zu sein. Die telefonischen Interviews bestätigten die Relevanz der Themenfelder, auch wenn einige der beinhalteten Aspekte im Verlauf nach der Rehabilitation weniger einflussreich wurden.
Laufzeit
März 2023- Dezember 2024
Förderung
Deutsche Rentenversicherung Bund
Kooperation
Klinik am See, Rüdersdorf; MEDICLIN Reha-Zentrum Spreewald, Burg