Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Ich studiere Jura und habe mein siebtes Semester in Spanien an der Universidad de Zaragoza verbracht. Da es bei meinem Studiengang sehr untypisch ist, ins Ausland zu gehen, habe ich mir extra zwei Vorlesungen rausgesucht, die ich mir für meinen integrierten Bachelor anrechnen lassen kann. Meine restlichen drei Kurse waren normale Jura-Erstsemester-Vorlesungen, da ich natürlich nicht das Niveau für fortgeschrittene Semester bei einem anderen Rechtssystem erfülle. Für mich war auch die Wahl des Zeitpunkts der Erfahrung perfekt, da ich nun vor dem Beginn meiner Schwerpunktbereichsprüfung nochmal einen Tapetenwechsel erleben durfte. Der Kontakt mit der Gastuniversität hat von Anfang an gut funktioniert und die MitarbeiterInnen unseres International Offices hier in Potsdam sind sowieso sehr engagiert und hilfsbereit. Demnach hat organisatorisch alles reibungslos funktioniert.
Studium an der Gastuniversität
Nun zu dem Studium: Direkt vorab muss ich sagen, dass ich kein „typisches“ Erasmus-Leben hatte, also Zeit für jede Woche Party blieb mir definitiv nicht bei den Leistungen, die ich zu erbringen hatte. Die ganzen Erstsemesterkurse waren recht hart und ich habe bei keinem Professor das Gefühl gehabt, dass es einen „Erasmus Bonus“ gibt bzw. Rücksicht darauf genommen wird, das Spanisch meine zweite Fremdsprache ist. Es fanden das ganze Semester durchgehend Klausuren und Abgaben statt und ich bin auch durch meine ersten zwei Tests gefallen (habe beim Nachschreibetermin dann bestanden). Dass ich in meinen meisten Kursen die einzige Auslandsstudentin war, hat dazu beigetragen, dass die Professoren mich auch in den Vorlesungen wie eine spanische Studentin behandelt haben und ich wurde regelmäßig durch Aufrufe aus meiner Komfortzone gelockt. Insgesamt ist das spanische Unisystem für mich sehr vergleichbar mit einer Schulsituation gewesen: Kleine Klassen (20-50 Studierende), mündliche Mitarbeit und die Professoren verkörperten mehr eine nahbare Lehrperson, als eine „Autoritätsperson“, der man mit Respekt zu begegnen hat.
Kurz inhaltlich zu meinen Vorlesungen: Die Juravorlesungen, die ich besucht habe, waren Römisches Recht, Rechtsphilosophie und Spanische Rechtsgeschichte. Letzteres war leider professorbedingt ein Reinfall und ich habe nicht wirklich viel mitnehmen können. Die anderen beiden Profs hingegen waren sehr bemüht und es hat wirklich Spaß gemacht, mitzuarbeiten. Römisches Recht war sehr interessant und ich konnte viel über die Ursprünge des (spanischen und deutschen) Rechtssystems lernen. Ebenfalls begeistert hat mich Rechtsphilosophie, was ich ursprünglich schon gerne im ersten Semester in Potsdam gemacht hätte, wenn es angeboten worden wäre.
An der philosophischen Fakultät habe ich Philosophische Anthropologie und Kulturphilosophie belegt und beide Kurse waren ein Volltreffer. Sowohl die Lehrkräfte, als auch die behandelten Themen und meine Mitstudierenden waren einfach klasse.
Insgesamt war ich sehr froh über meine Mischung von Jura und Philosophie. Da mich privat Philosophie interessiert, war es für mich eine bereichernde Erfahrung und ich habe so viel inhaltlich aus diesem Semester mitnehmen können. Auch meine Ursprungsidee, vor der Schwerpunktbereichsprüfung einen Tapetenwechsel zu machen, konnte ich also super umsetzen.
Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden
Grundsätzlich hatten sowohl die Jura-, als auch die Philostudis alle schon ihre eigenen Grüppchen und nicht wirklich viel Initiative gezeigt, jemand Neues kennenzulernen. Das habe ich so auch von den wenigen anderen Jura-Erasmusstudierenden mitbekommen. Dennoch bin ich mit etwas Eigeninitiative in eine spanische Gruppe gekommen, mit denen ich ein paar Mal Kaffee trinken war, in den Pausen gequatscht habe und einmal waren wir nach der Vorlesung zusammen bei einer öffentlichen Gerichtsverhandlung (was übrigens sehr cool war, um auch den prozessualen Unterschied zwischen unseren beiden Justizsystemen zu erleben). Die Unifreundschaften hielten sich insgesamt aber doch recht oberflächlich.
Mit den verschiedenen Erasmus-Organisationen war es so einfach, Kontakt zu anderen ausländischen Studierenden herzustellen und ich hatte das Glück direkt am ersten Tag in eine Gruppe von MexikanerInnen reinzurutschen – diese Begegnungen haben sich zu so tiefen und hoffentlich lebenslangen Freundschaften entwickelt, ich freue mich jetzt schon darauf, alle in Mexiko zu besuchen!
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Ich hatte in der Schule ein paar Jahre Spanischunterricht und habe dann ca. ein Jahr vor meinem Auslandsaufenthalt an der Uni Potsdam einen Spanischkurs (B2.1) zum Auffrischen meiner Sprachkenntnisse gemacht. Am Anfang war es natürlich etwas schwierig, wieder in die Sprache reinzukommen, aber da in Zaragoza wirklich kein Mensch Englisch spricht, ich in der Uni und in meinem Freundeskreis Spanisch hören und sprechen musste, ging es direkt in den ersten Wochen steil bergauf mit meinen Spanischkenntnissen. Ich kann mittlerweile komplett fließend Spanisch sprechen und natürlich auch über juristische und philosophische Themen schreiben bzw. reden. Allerdings habe ich mir dank meines mexikanischen Freundeskreises die südamerikanische Aussprache und Slang angewöhnt.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe noch vor Abflug durch Online-Castings über „idealista“ ein WG-Zimmer gefunden, die Wohnungssituation ist so viel entspannter als in Deutschland. In der Stadt erreicht man alles eigentlich ganz gut zu Fuß, ich habe in Delicias gewohnt und daher manchmal den Bus benutzt. Mit der elektronischen Busfahrkarte zahlt man ca. 60 Cent pro Fahrt.
Studienfach: Rechtswissenschaften
Aufenthaltsdauer: 08/2024 - 01/2025
Gastuniversität:Universidad de Zaragoza
Gastland:Spanien