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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Ich habe bereits eine Erasmus+ Mobilität im Rahmen meines Bachelor-Studiums gemacht. Das war unglücklicherweise eine nicht so gute Erfahrung: Ich hatte keine gute Unterkunft, es war ein sehr kalter Winter während der Corona-Pandemie und die Förderung hat damals nicht einmal gereicht, um meine Miete zu decken. Ich habe in der Zeit trotzdem viel gelernt und wollte einem erneuten Erasmus-Semester noch einmal eine Chance geben. Darüber informierte ich mich über den Newsletter der Universität Potsdam und eine Infoveranstaltung.
Die neuen Finanzierungsmittel überzeugten mich dann. Denn neuerdings gibt es die sogenannten „Social Top-Up’s“, bei denen man, z.B. als Erst-Akademiker*in, 250 Euro im Monat extra bekommt. Außerdem gibt es die Möglichkeit einen 50 Euro Bonus für Green Travelling zu bekommen und die Fördersumme für Wien ist sowieso ziemlich hoch (knapp 500 Euro).
Da ich mich erstmal in einem Gespräch informieren wollte, vereinbarte ich einen Termin mit dem Erasmus-Koordinator meines Faches. Ich hatte mir überlegt zu fragen, wie gut die Chancen stehen nach Wien gehen zu können, wie viele Bewerber*innen es normalerweise gibt und welche Voraussetzungen ich erfüllen muss.
Wie es der Zufall so wollte, war noch ein Platz in Wien frei, der mir direkt, während des Gesprächs, angeboten wurde. Ich musste also nicht den klassischen Bewerbungsprozess durchlaufen. Ich habe mich sehr gefreut, aber war auch so überrascht, dass ich mir noch einmal ein bisschen Zeit zum Überlegen nehmen wollte. Ich erzählte einer Freundin von meinen Plänen und sie meinte: „Ich habe eine Wohnung für dich!“ Damit war der Entschluss gefasst und ich nahm den Platz an.
Danach ging alles reibungslos online voran. Die Universität Wien hat einen sehr eindeutigen Bewerbungsprozess bei dem wirklich Schritt für Schritt erklärt wird, wann man was genau machen muss. Es gab mehrere Phasen, in denen verschiedene Dokumente hochgeladen werden mussten. Das war auf einer universitätsinternen Plattform sehr gut sortiert und farblich markiert. Man konnte eigentlich nichts falsch machen oder versäumen. Das hat mir sehr viel Sicherheit gegeben. Bei meinem letzten Erasmus-Semester war alles noch analog auf Papier und ich hatte immer Angst, etwas zu vergessen.
Das Erasmus-Incoming Team an der Universität Wien stand immer zur Seite und hat unterstützt, wann und wo sie nur konnten. Ich konnte bereits früh auf Plattformen zur Wohnungssuche oder zum Kontakte knüpfen zugreifen. Es gibt ein Buddy Netzwerk, dass ich persönlich nicht genutzt habe, aber das bestimmt eine großartige Möglichkeit ist.


Studienfach: M.A. Zeitgeschichte

Aufenthaltsdauer: 02/2024 - 07/2024

Gastuniversität: Universität Wien

Gastland: Österreich

Studium an der Gastuniversität

Einen Großteil der Studienvorbereitung konnte ich über die Webseiten der Universität Wien machen. Es gibt zu den jeweiligen Themen immer eine gut strukturierte Website (d.h. u:find ist das Vorlesungsverzeichnis, u:space ist der persönliche Workspace, moodle wird umfassend genutzt). Ich habe schon lange vor Beginn des Semesters meine Zugangsdaten bekommen um mich mit dem Vorlesungsverzeichnis vertraut zu machen. Die Menge an Kursen, vor allem für Zeitgeschichte, hat mich begeistert und von anderen habe ich auch gehört, dass es in jedem Fach eine tolle Bandweite an Kursen und interdisziplinären Qualifikationsmöglichkeiten gab. Ich habe mir meinen Stundenplan selbst zusammengestellt und habe alle Kurse, die ich belegen wollte, auch bekommen. Mir wurde gesagt, dass Erasmus-Studierende bevorzugt behandelt werden bei der Vergabe, um das meiste aus ihrem Auslandssemester machen zu können. Es gab keinerlei Überschneidungen von Kursen. Ich hatte das Gefühl es war alles gut koordiniert, sodass man nicht in Bedrängnis bei der Kurswahl geriet.
Die Kurswahl ist aber durchaus etwas komplizierter als an der Universität Potsdam im Fach Zeitgeschichte, da es viele Kurse gibt, die nur 2 oder 4 ECTS-Punkte haben. Dementsprechend müssen mehr verschiedene Lehrveranstaltungen belegt werden, um auf die Modulpunkte zu kommen. Das hat mir sehr zugesagt, weil ich das Gefühl hatte in verschiedenen Bereichen gefördert zu werden und durch die Kombination von Kursen ein gutes Lernerlebnis zu haben. Die Leistungen der Kurse werden nur in vollen Noten bewertet; es gibt also keine Abstufung (Noten 1-6 ohne Kommastelle). Ich hatte das Gefühl, dass das Ausmaß der abzugebenden Leistungen stark von den Dozierenden abhängig war. Es gab Kurse die deutlich weniger abverlangten als andere. Meine Dozierenden haben aber in den meisten Fällen ihr Bestes gegeben umfassend Unterstützung anzubieten. Alle Dozierenden waren immer gut erreichbar und das Klima innerhalb der Lernveranstaltungen hat mir gut gefallen.
Ich habe leider bei jeder größeren Gruppenarbeit an der Universität Wien schlechte Erfahrungen gemacht. Jeweils blieb die gesamte Arbeit an mir hängen. Ich glaube, dass war aber in erster Linie Pech und hängt nicht direkt mit der Universität Wien zusammen. Das Klima zwischen den Studierenden würde ich als etwas kompetitiver als an der Universität Potsdam beschreiben.
Ich habe aber natürlich auch gute Studienkolleg*innen getroffen und viele Bibliothekspartner*innen gefunden.
Die Bibliotheken sind sehr gut ausgestattet und vor allem das Online-Angebot ist fantastisch. Ich habe inzwischen an vier verschiedenen Universitäten studiert und das Online-Angebot an der Universität Wien war mit Abstand am besten. Es gibt keinen VPN, sondern eine Authentifizierung über das u:space Konto, was sehr gut funktioniert hat. Die Öffnungszeiten der Bibliotheken sind nicht so umfassend wie in Potsdam und Berlin, aber das Netzwerk der staatlichen Bibliotheken ist zusätzlich sehr gut ausgebaut. Vor allem die Stadtbibliothek wurde zu einem beliebten Treffpunkt von mir und meinen Freund*innen. Die Universitätsbibliothek der Universität Wien ist ein wunderschöner historischer Saal, der immer sehr voll war, deshalb hat die Universität ein Ticketsystem etabliert. Dieses Ticketsystem hat reibungslos funktioniert, wenn man ein Ticket bekommen hat, denn gerade in der Prüfungsphase war der Lesesaal in der Universitätsbibliothek fast immer ausgebucht. Soweit ich weiß wird die Universitätsbibliothek jedoch bald umfassend renoviert und für 3 Jahre geschlossen.

Kontakte zu einheimischen und ausländischen Studierenden

In meinem Fall ergab sich ein Freund*innenkreis der fast ausschließlich aus deutschen Erasmus-Studierenden bestand. Bei den Erasmusveranstaltungen sortierten sich die Studierenden schnell nach Nationalitäten. Das war sehr spannend zu beobachten. Insbesondere die deutschsprachigen Studierenden waren tendenziell abgekoppelt von den anderen Internationalen. Bei meinem letzten Erasmus was das eine ganz andere Erfahrung, weil niemand der Internationalen die Landessprache konnte. So saßen alle Erasmus-Studierenden in gewisser Weise im gleichen Boot. Da ich die Fremdsprachen-Erasmus-Erfahrung bereits gemacht hatte, fühlte ich mich nicht wirklich angezogen von den nicht-deutschsprachigen Erasmus Studierenden. Ich war froh Menschen aus Deutschland kennenzulernen und sogar einige aus Berlin, die ich jetzt weiterhin um mich haben kann. Einheimische Studierende zu Treffen war für die deutschsprachigen Erasmus-Studierenden auf jeden Fall deutlich einfacher als für die Internationalen. Ich war oft in Kursen die einzige Erasmus-Studentin unter regulären Studierenden und konnte dadurch einige Wiener Originale kennenlernen. Außerdem hatte ich großes Glück mit meiner Wohnsituation. Darauf komme ich später noch einmal zurück.

Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Wie bereits erwähnt war die deutschsprachige Erasmus-Erfahrung etwas ganz anderes als meine fremdsprachige Erasmus-Erfahrung. Ich habe mich schnell eingefunden und fühlte mich sehr schnell zuhause. Ich habe keinerlei Probleme mich auf Englisch zu unterhalten. Ich habe auch in meinem letzten Erasmus die Fremdsprache des Landes gelernt, aber diese Art von Kommunikationsfreiheit in der eigenen Muttersprache hat die Erfahrung wirklich deutlich einfacher und nahbarer gemacht. Ich glaube, Wien ist ein sehr guter Ort für Menschen, die sich Sorgen um die Sprachbarriere machen. Man wächst auch ohne die Sprachbarriere ständig über sich hinaus, man lässt sich auf so viel neues ein. Die Sprachbarriere zu vermeiden, kann meines Erachtens nach viel Stress nehmen und ich kann es nur empfehlen. Vielleicht würde ich das aber anders wahrnehmen, wenn ich nicht bereits ein Erasmus im fremdsprachigen Ausland gemacht hätte.

Wohn- und Lebenssituation

Ich kann an dieser Stelle nicht genug unterstreichen, dass ich wirklich unglaublich viel Glück hatte und meine Erfahrung definitiv nicht vergleichbar ist mit der durchschnittlichen Wohn- und Lebenssituation.
Wie zuvor erwähnt hatte ich eine Freundin, die mir einen Kontakt weitergegeben hat. Ich konnte in einer Wohnung von Eltern eines Freundes unterkommen. Dadurch konnte ich zum ersten Mal allein leben, was eine wundervolle Erfahrung war. Ich habe im beliebten 6. Bezirk Mariahilf gewohnt, fußläufig zur Innenstadt. Das Haus, welches schon über 200 Jahre alt ist, hatte alle Altbaudetails, die man sich wünschen kann: Fischgrätenparkett, Stuck, große Fenster, einen tollen Hinterhof mit einem uralten Kirschbaum. Ich konnte von meinem Balkon Kirschen pflücken. Es war wie im Märchen. Ich hatte eine ungefähr 30m² große eigene Wohnung mit einer voll ausgestatteten Wohnküche und einem Schlafzimmer. Für diese Wohnung habe ich nur 200 Euro warm im Monat bezahlt und ich bin meinen Vermieter*innen unglaublich dankbar.
In meinem Haus haben fast nur echte Wiener*innen gewohnt sowie zwei Studentinnen, mit denen ich mich angefreundet habe. Meine Nachbar*innen haben regelmäßig Hoffeste organisiert und es hat sich eine tolle Gemeinschaft entwickelt, die mich herzlich aufgenommen hat.
Ich habe ungefähr 20 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln von der Universität weg gewohnt und hatte eine Bushaltestelle und eine U-Bahn in wenigen Minuten fußläufig entfernt.
Das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel in Wien ist überragend. Man kommt wirklich zu jeder Uhrzeit überall hin. Nur zwischen dem 6., 7., und 8. Bezirk sind die Anbindungen eher mager. Das ist aber meckern auf hohem Niveau, weil man innerhalb von 30 Minuten auch dort überall zu Fuß sein kann. Es gab bei den Wiener Linien ein Semesterticket für 75 Euro, was ganz Wien und einen äußeren Ring um die Stadt abgedeckt hat. Direkt nach Semesterende muss man sich nochmal ein Semesterferienticket kaufen. Das kostet 30 Euro im Monat.
Auch Freund*innen haben in äußeren Bezirken gewohnt und keine Strecke hat länger als 45 Minuten gedauert. Das ist, wenn man aus Berlin oder Potsdam kommt, wirklich purer Luxus. Meine Freund*innen haben nie weniger als 400 Euro für ihre WG-Zimmer bezahlt, sondern eher 600 Euro.
Ich habe kein österreichisches Konto angelegt, habe aber auch nie an einer Bank Geld abgehoben, weil ich das immer kostenlos bei Billa, einem Supermarkt oder bei dm, dem Drogeriemarkt, gemacht habe. Bei jeder Bank, bei der ich es mit Kreditkarte versuchte, wären Gebühren fällig geworden.
Meine europäische Krankenversicherung, also meine normale deutsche Krankenversicherung, konnte ich in Österreich einfach weiter benutzen. Ich war auch mehrfach bei Ärzt*innen und einmal im Krankenhaus. Das war nie ein Problem. Ich musste nur viel Dokumente zusätzlich ausfüllen.
Die Preise für Lebensmittel und Restaurants kamen mir teurer vor als in Deutschland. Ich bin oft über mein selbst festgelegtes Budget gekommen, obwohl ich selten essen gegangen bin und oft zuhause gekocht habe. Ich empfehle zu Hofer und Lidl zu gehen. Das ist deutlich preiswerter als Billa oder Interspar.
Die Freizeitangebote in Wien sind außergewöhnlich vielseitig. Selbst als Berlinerin war ich überrascht und begeistert von der Vielzahl der verschiedenen Angebote, auch oft kostenlos. Ich bin gerne zu dem „ZwiDeMu“-Raves gegangen: Jeden zweiten Samstag kostenlos konnte man zwischen den Museen tanzen und feiern. Die „Lange Nacht der Forschung“ hat mir den Besuch des Naturhistorischen Museums kostenlos ermöglicht. Ich bin alle Stadtwanderwege gelaufen, wodurch ich die Stadt von vielen verschiedenen Seiten kenngelernt habe. Auch das war komplett kostenlos. Ich konnte Stempel auf den Wegen sammeln und mir am Ende im Wiener Rathaus Wandernadeln abholen.
Die Museen in Wien sind toll, aber leider wirklich ziemlich teuer. Das Sisi-Ticket für das Sisi-Museum, das Schloss Schönbrunn und das Möbelmuseum kostet beispielsweise 44 Euro. Im Durschnitt kostet ein Museumsticket zwischen 10 und 15 Euro. Es gibt aber zum Beispiel die Bundesmuseenkarte mit der man für 66 Euro viele Museen besuchen kann.
Ich hatte ein Kino-Abonnement für 22 Euro im Monat. Das würde ich vor Allem im Winter empfehlen, im Sommer hat es sich nicht so sehr gelohnt.
In meinem Fall hat dank meiner niedrigen Miete das Fördergeld einen Großteil meiner Ausgaben gedeckt. Doch wenn man 600 Euro für die Miete bezahlt, muss man definitiv eigenes Geld beisteuern.

Studienfach: M.A. Zeitgeschichte

Aufenthaltsdauer: 02/2024 - 07/2024

Gastuniversität: Universität Wien

Gastland: Österreich


Rückblick

Ich bin dankbar, dass ich diese Erfahrung machen konnte. Es war eine umfassend gute Erfahrung. Es war aber auch wirklich anstrengend. Ich habe viele ECTS-Punkte machen können, aber habe auch viel dafür getan. Unter der Woche habe ich fast nur für die Universität gelernt, gemacht und getan. Ich denke in einem Ausmaß, was die Vollzeit überschreitet. Ich musste zum ersten Mal nicht neben dem Studium arbeiten und das war ein großes Glück, weil ich nicht weiß, wie viele ECTS-Punkte ich geschafft hätte, wenn ich auch noch gearbeitet hätte. Ich habe sehr viel gelernt und konnte meinen akademischen Fokus fester setzen. Meine Familie und mein Partner haben mich stark unterstützt, mich besucht und emotionalen Beistand geleistet, wenn es stressig oder anstrengend war. Aber ich muss auch dazu sage, dass ich ohne die großartige Wohnsituation gehabt und das Social Top-Up mir den Aufenthalt nicht hätte leisten können und somit nicht gefahren wäre. Selbst Wohnheim Zimmer kosten in Wien knapp 400 Euro. Die finanzielle Belastung ist hoch, wenn man nicht so viel Glück hat wie ich. Das habe ich bei all meinen Freund*innen gesehen.

Sonstige Hinweise

Während ich in Berlin und Potsdam immer Angst vor Behördengängen hatte, ist das in Wien wirklich überhaupt kein Problem. Die Magistratsratsämter sind extrem gut organisiert, man kann immer auch ohne Termin vorbeigehen. Man muss innerhalb von 3 Tagen seinen Wohnsitz an- und abmelden. Das muss man ernst nehmen, da die Stadt da sehr hinterher ist. Aber man bekommt auch, sobald man angemeldet ist, viel Post von der Stadt Wien mit Angeboten und Informationen. Ich habe viele bezirksinterne Informationsblätter bekommen, in denen Umbaumaßnahmen oder Stadtfeste angekündigt wurden. Wenn man länger als 90 Tage in Österreich ist muss man zusätzlich eine spezielle Anmeldung machen. Das ist auch ziemlich einfach und kostet 28,70 Euro. Man muss zwar einige Dokumente abgeben, aber es geht wirklich schnell.

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