Antidiskriminierungs-, Gleichstellungs- und Inklusionsarbeit
Antidiskriminierungs-, Gleichstellungs- und Inklusionsarbeit beschreibt ein Berufsfeld, das sich wie kaum ein anderes am Puls der Zeit orientiert. Es ist eng mit politischen Bemühungen für eine gerechtere Gesellschaft verbunden. Wer hier arbeitet setzt sich dafür ein, Menschen vor Marginalisierung, Benachteiligung, Exklusion und Versehrung durch Diskriminierungen zu schützen und strukturelle Ausschlüsse und Barrieren, mit denen benachteiligte Gruppen sich konfrontiert sehen, abzubauen.
Die Entwicklung des Berufsfelds bzw. der Berufsfelder kann im Grunde in einer Linie mit den sozialen Bewegungen des 19., 20. und 21. Jahrhunderts betrachtet werden. Diese Bewegungen setzten und setzen sich in mehreren Wellen und in verschiedenen Teilen der Welt für die Rechte von Arbeiter*innen, Frauen, LGBTQI+, Menschen mit Behinderungen, Schwarzen Menschen, People of Color und Angehörigen religiöser Minderheiten ein. Das geschichtliche Erbe von Unterdrückung, Verfolgung, Ermordung, Herabwürdigung, Kolonialisierung, Exklusion und Benachteiligung von bestimmten Gruppen von Menschen in unserer Gesellschaft ist groß und noch deutlich in unseren Gesetzen, Strukturen und alltäglichen Interaktionen spürbar. Gleichstellungs-, Antidiskriminierungs- und Inklusionsarbeit nimmt sich diesem Erbe an, klärt über diese offensichtlichen und unterschwelligen Unrechtsverhältnisse auf und will diese beseitigen.
Die Tätigkeiten im Feld der Antidiskriminierungs-, Gleichstellungs- und Inklusionsarbeit sind vielfältig: Dazu gehören politisch-strategische Arbeit, wie z. B. die Arbeit von Gleichstellungs- oder Inklusionsbeauftragten in öffentlichen Einrichtungen oder von Sprecher*innen in Parteien und Verbänden, aber auch Aufklärungs-, Informations- und Bildungsarbeit, z. B. in Form von Bildungsprojekten, Community- und partizipativer Arbeit sowie politische, kulturelle und soziale Selbstorganisation und aktivistische Arbeit, z. B. in Form von Aufklärungskampagnen, Demonstrationen und Lobbying verschiedener Gruppen, Organisationen und Bewegungen.
Benachteiligung erfahren Menschen nicht nur aufgrund ihres Geschlechtes, sondern unter anderem aufgrund ihrer Hautfarbe, Migrationsgeschichte, Behinderung, psychischer oder physischer Beeinträchtigung, ihrer sozialen Herkunft, ihres Alters, ihrer Religion oder ihres Aussehens.
Der Arbeit von Antidiskriminierungs- oder Diversitybeauftragten liegt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu Grunde. Anders als im Bereich der geschlechtlichen Gleichstellung hat sich der Bund verpflichtet, eine Reihe von regionalen Antidiskriminierungs-Beratungsstellen sowie eine bundesweite Antidiskriminierungsstelle einzurichten. Auch in öffentlichen Einrichtungen finden sich zunehmend Antidiskriminierungs- oder Diversity-Beauftragte, die die gesetzlichen Bestimmungen umsetzen und als erste Ansprechpartner*innen für von Diskriminierung Betroffenen dienen.
Antidiskriminierungsarbeit ist aber auch ein Teilbereich der sozialen Arbeit und der (außer)schulischen Bildungsarbeit. Hier gibt es Stellen in der Beratung von Betroffenen auf Ebene der Gemeinden und Communitys, Landes- und Bundesebene sowie Ansprechpartner*innen in sozialen Einrichtungen und Schulen, in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit usw.
In der Privatwirtschaft finden sich die Themen Chancengleichheit und Diversity insbesondere im Beruf des*der Diversity-Manager*innen wieder. Diversity-Manager*innen fördern in einem Unternehmen die Vielfalt des Personals, um Potenziale einer vielfältigen Belegschaft bezüglich Geschlecht, Alter, Herkunft und Behinderung für das Unternehmen wirtschaftlich nutzbar zu machen.
Frauen- oder Gleichstellungsbeauftragte setzen sich in öffentlichen Einrichtungen, Hochschulen, Gemeinden und großen Unternehmen für die Umsetzung des Gendermainstreamings, also für die Gleichberechtigung und Gleichstellung der Geschlechter ein. Gleichstellung der Geschlechter ist ein verfassungsrechtlicher Auftrag nach dem Grundgesetz. Grundlage für die Arbeit von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten im öffentlichen Bereich ist das Bundesgleichstellungsgesetz sowie die Landesgleichstellungsgesetze. Für die konkrete Arbeit – wie z.B. an Hochschulen – spezifizieren einzelne Gesetze oder Verwaltungsvorschriften wie das Brandenburgische Hochschulgesetz (BbgHG) die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten. In Unternehmen wird, wie bei der Antidiskriminierungsarbeit, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als Arbeitsgrundlage genutzt.
Gleichstellungsbeauftragte sind erste Ansprechpartner*innen bei genderbezogenen Diskriminierungen am Arbeitsplatz, beteiligen sich an Einstellungs- und Personalverfahren, setzen Maßnahmen zur Frauen*förderung in Gang, beraten Betroffene z. B. bei Diskriminierungserfahrungen oder in Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, erarbeiten Gleichstellungspläne und -richtlinien, koordinieren Gleichstellungsmaßnahmen, konzipieren und führen Informations-, Kampagnen- und Bildungsformate durch und vieles mehr. Gleichstellungsbeauftragte sind an vielen unterschiedlichen Prozessen beteiligt, so in personellen Angelegenheiten (z. B. Einstellungen, Kündigungen und Beurteiligungen), in sozialen Angelegenheiten (z. B. Dienstvereinbarungen zur Arbeitszeit, Arbeit im Homeoffice, Essensgeldzuschüsse) sowie organisatorische Angelegenheiten (z. B. Umstrukturierungen, Privatisierungen, Raumgestaltungen). Sie können dabei auch vom Veto-Recht Gebrauch machen.
In der Privatwirtschaft gilt das Bundesgleichstellungsgesetz nicht. Hier wird die Arbeit meist im Rahmen betriebsrätlicher Aufgaben getragen, ist im Bereich des Personalwesens angesiedelt oder findet Eingang durch externe und interne Beratungen in den Unternehmens-Leitbildern.
Aufgrund der Verschränkungen von Benachteiligungen arbeiten Gleichstellungsbeauftragte auch eng mit Antidiskriminierungs- und Inklusionsbeauftragten zusammen.
Auch für die Belange von Menschen mit Behinderungen gibt es gesetzlich festgeschriebene Beauftragte auf verschiedenen Ebenen und Bereichen der öffentlichen Verwaltung, sogenannte (Schwer-)Behindertenbeauftragte. Diese setzen sich für die Gleichberechtigung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen ein. Grundlage ist hierbei das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG). Die Aufgaben, Rechte und Pflichten von Inklusionsbeauftragten im öffentlichen Bereich sind also gesetzlich abgesichert. Das Tätigkeitsfeld von Behindertenbeauftragten umfasst neben der Umsetzung von Maßnahmen und Mitarbeit an Gesetzen und Richtlinien zur Gleichstellung u.a. die Vernetzung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Krankheiten, die Zusammenarbeit mit Verbänden und Organisationen sowie die Beratung von Menschen mit Behinderungen, aber auch Entscheidungsträger*innen innerhalb der Einrichtung.
Der Begriff Inklusion geht über die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen hinaus und meint das gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen. Unter Inklusionsarbeit ist daher auch all jene Arbeit zu verstehen, die sich für Inklusion, also auch die Teilhabe und Chancengerechtigkeit von Menschen mit Behinderungen und ohne Behinderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, so auch auf Führungs- und Entscheidungsebenen, einsetzt.
Stellen gibt es hier ebenso in öffentlichen Einrichtungen, aber auch im Bildungsbereich, in der freien Wirtschaft sowie in Organisationen und Verbänden, die sich für die Rechte und Anliegen von Menschen mit Behinderungen einsetzen.
Je nach Stelle und Schwerpunkt gibt es Überschneidungen zwischen diesen Tätigkeitsfeldern. So kann beispielsweise ein*e Beauftragte*r für Frauen sowohl in Gremien sitzen und Richtlinien zum Umgang miteinander entwickeln, als auch Bildungsveranstaltungen und Beratungen durchführen, um Betroffene über ihre Rechte zu informieren. Auch thematisch gibt es eine Menge Überschneidungen, da Macht- und Ungleichheitsstrukturen sehr häufig in verschränkten Diskriminierungserfahrungen in einer Person auswirken (Stichwort: Intersektionalität).
Abhängig von Einsatzgebiet, Thema und spezifischen Gesetzen und Richtlinien wird die Gleichstellungs-, Antidiskriminierungs- und Inklusionsarbeit ehren- oder hauptamtlich getragen. Seit einigen Jahren findet jedoch eine zunehmende Professionalisierung des Berufsfeldes statt, sodass mehr hauptamtliche Stellen in öffentlichen Einrichtungen entstehen.
In der freien Wirtschaft können sich HR-Manager*innen und freie Trainer*innen sowie Unternehmensberatungen auf Gleichstellungs-, Antidiskriminierungs-, Inklusions- und Diversity-Themen spezialisieren. Freie Trainer*innen und Coaches beraten und klären wiederum nicht nur in Unternehmen, sondern auch öffentliche und zivilgesellschaftliche Organisation auf.
Weitere Einsatzgebiete sind zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Rechte und Anliegen von marginalisierten Menschen einsetzen und dafür Fach- und Führungskräfte verschiedener Disziplinen anstellen.
Besonders häufig finden sich in der Gleichstellungs-, Antidiskriminierungs- und Inklusionsarbeit Absolvent*innen sozial-, geistes- und kommunikationswissenschaftlicher sowie pädagogischer Studiengänge und der Sozialen Arbeit, die schon während ihres Studiums einen entsprechenden Schwerpunkt gesetzt haben. Das Berufsfeld ist aber auch offen für Quereinsteiger*innen, die aus ganz anderen Fachrichtungen kommen, da der Berufseinstieg häufig über ein Ehrenamt innerhalb einer Institution oder Organisation erfolgen kann und für die Berufung oder Einstellung starkes persönliches Interesse und Engagement eine große Rolle spielt.
Fast jede*r, die*der in diesen Bereichen arbeitet, durchläuft kontinuierlich Weiterbildungen und Zertifizierungen, um die eigene Expertise auf- und ausbauen sowie ausweisen zu können.
Nadine Fricke
arbeitet als Sozialpädagogin in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung.
- Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe je nach Einsatzgebiet für unterschiedliche Zielgruppen (Frauen, LGBTQI+, migrantisierte Menschen, Angehörige religiöser Minderheiten, Menschen mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen, psychischen Beeinträchtigungen etc.)
- Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zur Förderung von Vielfalt und Inklusion
- Beratung von Menschen
- Beratung von Organisationen, Unternehmen und Institutionen zur strategischen Umsetzung von Antidiskriminierung und diversitätsorientierten Organisationsentwicklung
- Öffentlichkeits- und Kampagnenarbeit zur Sensibilisierung und Anerkennung von Benachteiligungserfahrungen
- Veranstaltung von Events
- Networking
- (Mit)Arbeit an Gesetzen, Monitoring von Politik und Wirtschaft
- Projektarbeit, Projektmanagement, Akquise von Projektmitteln
- Reden und Vorträge halten
- (Weiter)Bildungsangebote anbieten, konzipieren, durchführen und evaluieren
- Community-Management betreiben
- Ministerien auf Bundes- und Landesebene, Kommunen
- Non-Profit-Organisationen, Vereine, Verbände, Parteien, Gewerkschaften
- Hochschulen und Forschungsinstitute
- Schulen und Einrichtungen der außerschulische Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbildung
- Sozialberatungsstellen
- öffentliche Einrichtungen
- Unternehmens- und Politikberatung
- HR-Abteilungen und Change-/Diversity-Management-Abteilungen von Unternehmen
- Unternehmens- und Politikberatung
- als Selbständige, Trainer*innen und Coaches