Wir starten unseren Tag mit der Besichtigung der Nekropole von Is Pirixeddus im antiken Dorf Sulky (römisch Sulci), dem heutigen Sant’Antioco. Die punischen Bewohner bestatteten ihre Verstorbenen in der Nekropole etwa zwischen dem Ende des 6. und 5. Jahrhunderts bis zum 3. Jahrhundert v. Chr. Später im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. nutzen die Christen die Nekropole als Katakombe.
Wir steigen die Stufen hinab und finden uns in dunklen Höhlen mit schmalen Gängen wieder. Das ist definitiv kein Ort für Menschen mit Klaustrophobie. Angesichts der niedrigen Decken sind wir sehr froh über unsere blauen Helme, die wir zur Sicherheit bekommen haben. Die verschiedenen Grabkammern wurden von den Christen durch Korridore miteinander verbunden, um so neue, noch tiefer liegende Gräber im Boden und in Wandnischen für Sarkophage zu schaffen. Grabbeigaben, die trotz zahlreicher Plünderungen übriggeblieben sind, hatten wir bereits im Museum besichtigen können.
Auf dem Weg zu unserer nächsten Station kommen wir an den Mauerresten der örtlichen Akropolis vorbei. Und hier zeigt sich sogar die Sonne – zum ersten Mal, seit wir auf Sardinien sind. Doch wir interessieren uns heute für das Unterirdische: Eine punische Nekropole, die noch in der Römerzeit benutzt wurde, befindet sich unter der örtlichen Pfarrkirche Basilica di Sant` Antioco. In den Katakomben fanden ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. auch christliche Bestattungen statt. Neben einigen freigelegten Skeletten gibt es am Eingang eine Glasvitrine, in der die originalen Gebeine des Antiochus von Sulci liegen sollen. Antiochus von Sulci gilt als Heiliger und Märtyrer. Der Legende nach war er ein Arzt, der unter der Herrschaft des Kaisers Hadrian zahlreiche Menschen zum Christentum bekehrt hat und daraufhin zur Zwangsarbeit in den Minen Sulcis verurteilt wurde. In den unterirdischen Räumen soll er gebetet und eine erste Kirche organisiert haben, bevor er hingerichtet wurde. Mit Sicherheit handelt es sich hier um eine erfundene Figur, die dennoch Namensgeber des Ortes und der Basilika Sant` Antioco wurde.
Auch das „unterirdische Dorf“ Villaggio ipogeo in direkter Nähe der Basilika zeigt uns, wie punische Nekropolen im Laufe der Zeit wiederverwendet wurden: Ab dem 17./18. Jahrhundert dienten die unterirdischen Kammern als Wohnungen für ärmere Familien. Unser Guide erzählt uns, dass es im Dorf noch heute ein paar alte Damen gibt, die bis in die 1970er Jahre in den einstigen Grabkammern wohnten. Das renovierte Dorf und die unterirdische Ausstellung in den kalten, feuchten Räumen lassen uns in das Leben der Vergangenheit schauen. Wir erfahren, dass es noch weitere dieser Gräber gibt, die jedoch nicht für Besucher zugänglich sind, sondern von den darüber wohnenden Menschen als Keller genutzt werden.
Nach einer Mittagspause mit Picknick im Park von Sant` Antioco fahren wir weiter nach Santadi. Hier erwartet uns der Leiter des lokalen archäologischen Museums, der uns durch die Sammlung führt. Zu sehen sind Fundstücke einer phönizisch-punischen Siedlung aus dem 7. Jahrhundert v. Chr., die wir anschließend besichtigen wollen. Zur gesamten Anlage, der Area archeologica di Pani Loriga, gehörte eine Akropolis, ein Heiligtum, ein Wohnviertel und eine Nekropole mit ca. 150 Gräbern. Die Ausgrabungen sind noch nicht vollständig abgeschlossen und einige Bereiche auf dem Gelände sind (noch) nicht öffentlich zugänglich. Doch zu unserer großen Freude führt uns unser Guide ganz exklusiv jenseits der Absperrungen durch die ehemalige Siedlung. Kameras sind hier jedoch nicht erlaubt. Das gesamte Ausgrabungsgebiet liegt auf einem 100 Meter hohen Tafelberg, welcher mit römischer Kamille und vielen anderen duftenden Pflanzen bewachsen ist. Wir klettern den Hügel hinauf und werden mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Von hier aus können wir gleich mehrere Schafherden beobachten. Immerhin gehört Sardinien zu den größten Schafskäseproduzenten Europas!
Auf dem archäologischen Rundgang hören wir später noch die Legende der Feenhäuser. In den alten Grabstätten, die in Felsen gehauen wurden, sollen die Zauberwesen gelebt haben. Wenn die Männer aus der Siedlung gegen den Willen der Feen handelten, dann wurden sie in Stein verwandelt, so der Mythos. Tatsächlich hatten wir im Museum eine Steinsäule gesehen, in der ein Gesicht zu erkennen war.