Am Morgen machen wir uns auf zum Fort São Jorge da Mina, das auch Elmina Castle oder St. George’s Castle genannt wird. Es wurde 1482 von den Portugiesen errichtet und diente als ihr Hauptquartier in Westafrika. Während dort zunächst vor allem Güter wie Elfenbein, Zucker, Gold und Pfeffer gehandelt wurden, wandelte es sich bald zum Umschlagplatz anderer Art, da in der Anlage westafrikanische sowohl männliche als auch weibliche Sklaven gefangen gehalten und anschließend in die Neue Welt abtransportiert wurden. Sie verlebten die Zeit bis zur Verschiffung unter grausamen Bedingungen in engen, dunklen Räumen; das Essen wurde ihnen durch Dachklappen in die Zellen geworfen, wo es am Boden auf ihre eigenen Exkremente fiel. Wenn sie nicht gehorchten, mussten die weiblichen Sklaven außerdem Fußfesseln mit Steinen tragen, die rund 25 Kilogramm schwer waren. Männer wurden sogar in eine kleine, dunkle Kammer gebracht, in der sie qualvoll verdursteten oder verhungerten. Einige Treppen führen nach oben zu der großzügigen, luftigen Wohnung des Gouverneurs und großen Küchenräumen für die Soldaten. Dort gibt es einen tollen Ausblick über das Meer und auf den Innenhof – von den dort gefangenen Frauen wurden immer wieder einige zur Vergnügung des Gouverneurs über eine kleine Treppe nach oben gebracht.
Zum Ende des 16. Jahrhunderts eroberten die Niederländer, nach einigen fehlgeschlagenen Versuchen, Elmina Castle sowie die darum errichtete Stadt – und setzen die Sklavenmachenschaften der Portugiesen fort. Sie erweiterten das Fort und bauten einen Wall, der sie vor Angriffen schützen sollte. In dieser Form existiert es bis heute. Später wurde Elmina Castle an die Briten verkauft, die es in St. George’s Castle umbenannten. Heute ist es für Besucherinnen und Besucher geöffnet und gilt es als einer der wichtigsten historischen Orte an der Küste Ghanas.
Während wir die Tour durch die Festung machen, fühlen wir uns sehr bedrückt. Es ist sehr dunkel und eng. Nur mit viel Mühe gelingt es uns, die schwere Kugel der Fußfessel hochzuheben. Der schimmlige Geruch der Wände lässt nur ansatzweise erahnen, wie es dort wirklich gerochen haben oder wie grausam es gar gewesen sein muss. Viele Besucherinnen und Besucher haben Wasserflaschen für die Geister der verstorbenen Sklavinnen und Sklaven sowie Trauerkränze (in Ghana aus Papier- und Plastikbändern) in den Räumen niedergelegt. Denn oft besuchen Nachfahren die Festung, die auf den Spuren ihrer Vorfahren auf die grausame Geschichte derer stoßen.
Viele der Nachnamen in der Gegend erinnern bis heute an die niederländischen, britischen und portugiesischen Soldaten in dieser Zeit: Aus der sexuellen Ausbeutung der Sklavinnen sind oftmals Kinder hervorgegangen. Diese lebten mit auf der Festung und wurden dort unterrichtet. Ihre Mütter wurden Haussklavinnen oder, wenn sie bei guter Gesundheit waren, später ebenfalls verschickt. Die Kinder wurden letztlich Teil der Dorfgemeinschaft und gaben so die europäischen Namen sowie teilweise sprachliche Einflüsse weiter.
Am darauffolgenden Tag fahren wir nach Kumasi, das als kulturelle Hauptstadt Ghanas angesehen wird. Nur eine Straße führt in den Norden. Der eigentlich kurze Weg schlängelt sich als Sandstraße durch die Landschaft, gesäumt von Dörfern, in denen die Menschen, aber auch Ziegen oder Schafe auf der Straße laufen. Anders als in Deutschland sind diese nur selten an die Energieversorgung angeschlossen oder der Strom ist für die Bewohnerinnen und Bewohner zu teuer. Somit wirken die Dörfer nach Sonnenuntergang fast gespenstisch. Insgesamt sechs Stunden dauert die Fahrt und wir kommen erst am Abend in der Universität an, an der wir die nächsten Tage untergebracht sind.