Namasté. Das Grußwort für die neue Woche. Um mit frischem Geist zu starten, gehe ich mit meiner Tante Rosanna am Sonntagabend zu einem „Hot Yoga“-Kurs. Rosanna schwärmte schon des Öfteren von dem Kurs, weil man dort viel schwitzt und sich danach sehr verausgabt fühlt. Noch bevor der Kurs beginnt, bin ich der Meinung, dass der Name des Kurses so gewählt ist, weil man sehr kraftaufwendige Posen einnehmen muss. Ich begleite Rosanna zuversichtlich zum Yoga Studio. Ich werde schon nicht so viel schwitzen, so anstrengend kann das ja wohl nicht sein, in Hongkong sind doch überall Klimaanlagen. Das sind meine Gedanken, die ich mir mache, während wir unterwegs zum Kurs sind. Am Studio angelangt, kommt eine Trainerin auf uns zu. Da ich das erste Mal an dem Kurs teilnehme, sagt sie mir, dass ich nach dem Kurs nicht sofort aufstehen soll und während des Kurses den Raum nicht verlassen darf. Wenn ich mich nicht gut fühle, solle ich einfach eine Pause machen. Das Schlimmste, das schon passiert sei, war, dass jemand das Bewusstsein verloren habe. Langsam äußern sich bei mir Bedenken. Während ich den Kursraum betrete, macht es Klick in meinem Kopf: Anstatt einen, wie gewohnt, übermäßig klimatisierten Raum zu betreten, befinde ich mich in einem gefühlt auf 45 Grad aufgeheizten Raum. Es ist wie in der Sauna… Daher also der Name „Hot Yoga“. Ich drehe mich mit großen Augen zu Rosanna, und verkünde laut meine Erkenntnis, wobei ich die ruhige Atmosphäre in dem Raum etwas störe. Der Schweiß tropft, nein fließt auf die Matte unter mir. Ich versuche die verschiedenen Yogastellungen zu halten, ohne auf meinem eigenen Schweiß auszurutschen. Zum Glück habe ich vorher schon in Deutschland über Youtube ein bisschen Yogaerfahrung sammeln können, ansonsten könnte ich bei den vielen Positionswechseln gar nicht hinterherkommen. Eine dreiviertel Stunde vergeht. Kurz bevor ich das Gefühl habe, es geht zu Ende mit mir, öffnet der Yogalehrer die Tür. Ein kühler Luftzug kommt mir entgegen und ich habe wieder das Gefühl, atmen zu können.
Entgiftet setze ich mich im Büro an mein Filmmaterial, welches ich in der vergangenen Woche in Peking gesammelt habe. Ich schneide über die Arbeitswoche ein kurzes Impressionsvideo zusammen und bearbeite die Bilder. Am Freitag will ich für die Kollegen „Dumplings“ (Teigtaschen mit Fleisch oder Gemüsefüllung) zum Mittag machen. Ich treffe mich am Morgen mit Rachel um, die Zutaten zu kaufen. Wir möchten für die Füllung Garnelen nehmen. Dazu gehen wir zum „Red Market“. Auf dem Markt laufen wir erst durch die untere Etage. Alles ist frisch. Der Fisch zappelt auf dem Eis, auf welchem er ausgelegt ist, die Frösche hüpfen noch im Käfig herum und die Schnecken kleben an der Scheibe des Behälters, in dem die Ware präsentiert wird. Während uns die Verkäuferin die lebenden Garnelen in eine Plastiktüte packt und etwas Eis hinterher schüttet, können ein, zwei Tiere aus dem Wasserbecken fliehen. Sie werden jedoch schnell wieder aufgesammelt und in das Becken geworfen. Mit der sich bewegenden Plastiktüte laufen Rachel und ich eine Etage nach oben, um das Gemüse zu besorgen. Nach fünf Minuten haben wir an einem Stand alles bekommen, was wir wollen und machen uns schnell wieder auf den Weg ins Büro.
Es ist elf Uhr. Ich fange an den Teig vorzubereiten. Dafür benötigt man nicht mehr als Mehl, Wasser und Salz. Während der Teig ruht, schnippeln Rachel und ich die Füllung für die Dumplings. Eine Stunde vergeht. Wir sind immer noch nicht fertig mit der Füllung. Die Garnelen müssen noch geschält werden. Die anderen Kollegen schauen ab und zu mal nach, wie weit wir sind. „Das wird wohl eher das Abendessen heute“, scherzt jemand.
Nein, nein. Rachel und ich sind zuversichtlich. Das geht jetzt alles ganz schnell. Ich widme mich dem Teig und versuche ihn auszurollen. Mittlerweile hat er die Konsistenz eines alten Kaugummis angenommen. Um eine Form für einen Dumpling auszurollen, brauche ich fünf Minuten. Ich schütte noch etwas Wasser zum Teig und kann somit drei Formen in fünf Minuten erreichen. Mit der Zeit kann ich meine Methode immer mehr verbessern, den Muskelkater in den Armen vom Teig ausrollen, kann ich aber noch drei Tage später spüren.
Nach circa zwei Stunden haben wir 45 Formen ausgerollt. Wir sind aber lange noch nicht fertig. Die Dumplings müssen noch gefüllt und geformt werden. Den anderen Kollegen steht der Hunger schon ins Gesicht geschrieben. Mit der Aussicht auf Nahrung, helfen sie uns die Dumplings zu füllen.
Um 15 Uhr können wir uns endlich alle zusammensetzen und wieder zu Kräften kommen. Die harte Arbeit hat sich aber gelohnt, die Dumplings haben das Wasserbad überlebt, ohne ihre Füllung zu verlieren. Es hat allen geschmeckt und ich bin jetzt mit der Entstehungsgeschichte eines Dumplings vom Anfang bis zum Ende vertraut.
Text: Gai Yian Kaya Neutzer
Online gestellt: Silvana Seppä
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