Zwischen 4:30 Uhr und 7:00 Uhr klingelt heute für jeden von uns der Wecker: Wir brechen nach Rimella auf. Dort wollen wir mit Menschen verschiedener Generationen sprechen, Erinnerungsorte in einer Naturlandschaft aufsuchen und einen uns fremden Lebensalltag über Gerätschaften und Handfertigkeiten kennenlernen.
Gernot ist nach Bergamo geflogen, die anderen kommen über Mailand, unsere Professorin Eva Kimminich mit dem Auto über den Simplonpass und den passo della colma. Um den abgelegen Ort zu erreichen, sind ab Mailand fünf Umstiege nötig. Die Busfahrten geben uns erste Einblicke in die Landschaft. Marie-Kathrin fallen bei ihrer Anreise über Vercelli die Felder für den bekannten Risotto-Reis auf. Antonia, Gernot und Marie-Kristin teilen sich den Bus zwischen Gattinara und Varallo mit einer Schulklasse, die täglich über eine Stunde zum Unterricht fährt. Außerdem sind viele leer stehende Häuser zu sehen. In Varallo, einer einst blühenden Stadt am Talausgang des Val Sesia, treffen wir uns alle. Im Flexibus mit einem ortskundigen Fahrer, geht es rasant die Serpentinen nach Rimella hinauf. Das dreigeteilte Dorf liegt zwischen 1220 und 1280 Metern Meereshöhe am Ende des ersten Seitentals. Alle drei Seitentäler liegen im Parco Naturale Alta Val Sesia, dem 1979 gegründeten, mit dem Monte-Rosa-Massiv am höchsten gelegenen Naturpark Europas. Die Seitentäler blieben daher von Skianlagen und Sesselliften verschont, was es allerdings nicht einfacher macht, dort seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Wir werden sehr herzlich im Albergo Fontana empfangen. Dort sind wir in liebevoll eingerichteten Zimmern untergebracht und bekommen ein überraschend ausgiebiges Abendessen (vier Antipasti, ein Primo, zwei Secondi und ein Dolce). Aus den Fenstern des Speisesaals haben wir einen Ausblick auf die höher gelegenen verlassenen Ortsteile Roncaccio Inferiore und Superiore, die am Steilhang gegenüber liegen, und auf die Alpe La Res oben auf dem Kamm.
Außer uns ist heute Abend noch ein bei Wien lebender Projektleiter für Rückbesiedelung alpiner Gebiete beim Abendessen, sehr passend zum Thema unseres Seminars, das sich ja auch mit den von der Verstädterung mehr oder weniger verlassenen Gebieten befasst. Er erzählt uns, dass teilweise auf lokale Gegebenheiten wie Holzhandel und teilweise auf Tourismus gesetzt wird, um Abwanderung zu verhindern. Das EU-Projekt ist erst am Anfang, insofern kann er uns noch keine Resultate nennen.
Das morgige Programm hängt vom Wetter ab, das zurzeit sehr wechselhaft ist. Auf jeden Fall müssen wir klären, wo wir WLAN haben, sonst wird das nichts mit dem Online-Tagebuch.
Text: Marie-Kathrin Elbel
Online gestellt: Alina Grünky
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