Nach.Hören - Musikabende
Stille: Nach.Hören im Buddhismus
Welchen Wert hat Stille? Erfahrungssache! Bei äußerem Lärm als heilsam empfunden, offenbart äußere Stille bald das wesentlichere Problem: den wirren Lärm im Kopf. Stille hilft, Kontrolle über die innere Unruhe zu gewinnen. Der geschulte Geist trägt dann die Kraft der Stille in sich.
Hören bedeutet in diesem Kontext eine Erweiterung des Selbst als ein Synonym für das Lernen. Erst der Raum der Stille ermöglicht die Erfahrung von Klang und umgekehrt. Klang durchmisst den Raum und gibt ihm Gestalt im Bewusstsein. Subtiler als visuelle Formen trägt Denken den Klang des Bewusstseins selbst auf seinem Rücken – den der Geist hört, nicht das äußere Ohr. In der Stille lässt Denken sich nicht überhören. Wenn Bewusstsein seinen Inhalt zu fassen beginnt, wie erhebt sich dieser aus dessen Stille? Wie wird er zu Sprache? Um das zu begreifen, wirkt Stille wie der sterile Raum, in dem das Skalpell der Konzentration die Schichten des Geistes sauber trennen kann. Diesem Zweck dient konzentrative Meditation – Shamatha.
Geshe Palden Öser ist graduierter Mönch der Universität des tibetischen Klosters Sera Je, lehrt als Residenzlama im Tibetzentrum Hannover buddhistische Philosophie und ist regelmäßig Gast-Dozent im Kringellocken-Kloster e. V., Potsdam.
Nicola Hernádi ist studierte Asienwissenschaftlerin/Indologin, Chefredakteurin der Zeitschrift „Tibet und Buddhismus“ und Übersetzerin für Tibetisch und Sanskrit.
Tilawa: Nach.Hören im Islam
Tilawa bezeichnet die Kunst der Koranrezitation. Wer diese schon einmal gehört hat, kann vielleicht eine Spur der Mystik nachempfinden, die viele Muslime beim täglichen Gebet oder in der Moschee erleben. Vielleicht erscheint das Gehörte vor allem fremd durch die arabische Sprache, aber einige Klänge kennt man auch sogar aus dem Okzident.Wenn in Gesprächen mit Muslimen die Rezitation des Korans zur Sprache kommt, dann wird schnell deutlich, wie sehr ihnen die Rezitation am Herzen liegt und zu Herzen geht. Koranrezitation wird in der muslimischen Welt gerne und oft gehört, auch außerhalb der Moschee. Viele Muslime schätzen das Vermögen der Rezitation sehr hoch und haben ihren „Lieblingsrezitator“.
In diesem Beitrag wird die Rezitation des Korans auf verschiedenen Tonleitern präsentiert. Darüber hinaus werden in Begleitung der Oud, Ney und Rahmentrommel mystische Sufi-Lieder gesungen.
Mit der Rezitation des Korans beschäftigt sich Ömer Aslan bereits seit seiner Kindheit. Namhafte ägyptische und türkische Rezitatoren lehrten und begleiteten ihn während seiner Ausbildung. Seit 2016 lehrt er die Koranrezitation an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. In 2018 veröffentlichte er das deutschsprachige Buch „Elif-Be“, eine Einführung in die Rezitation.
Kavanah: Nach.Hören im Judentum
Ohne Musik ist das Ausüben der jüdischen Religion undenkbar. Religion und Musik sind im Judentum so eng miteinander verwachsen, dass in der Synagoge fast nur singend gelesen und gebetet wird. Aber auch im jüdischen Alltag spielte die Musik traditionell eine wichtige Rolle. Jüdische Musikfolklore – jiddische und sephardische Volkslieder und natürlich Klezmer, diese einzigartige Instrumentalmusik der osteuropäischen Juden, – wurde später neben den synagogalen Gesängen zur Inspirationsquelle für viele Werke jüdischer Komponisten.
All diese Facetten jüdischer Musik, die im Gesprächskonzert vorgestellt werden, haben eines gemeinsam: Sie sind musikalischer Ausdruck der vielfältigen jüdischen Identität.
Der Pianist und Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov studierte am Staatlichen Konservatorium in St. Petersburg und lebt seit 1992 in Deutschland. 2013 wurde er als Professor für Geschichte der jüdischen Musik an die Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar berufen. Darüber hinaus ist er Akademischer Direktor der Kantorenausbildung des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, wo er ebenfalls lehrt. Seine wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf jüdische Musik und jüdische Komponisten im 19. und 20. Jahrhundert sowie Themen wie „Nationalismus und Musik“, „Religion und Musik“ oder „Totalitarismus und Musik“.
Gospel: Nach.Hören im Christentum
Als Wurzel der heute weltweit verbreiteten Gospelmusik sind v.a. die afroamerikanischen Spirituals anzusehen, die eine in den USA mit Beginn der Sklaverei im 17. Jahrhundert entstandene christliche Liedgattung darstellen. Während die Spirituals meist Situationen aus dem Alten Testament beschreiben, die denen der Sklaven ähneln, haben die später entstandenen Gospelsongs meist Geschichten aus dem Neuen Testament zum Thema. Aber auch amerikanische Traditionals und sog. Work Songs hatten und haben den Gospel geprägt. Durch den späteren Einfluss von Jazz-, Soul- und Popmusik sind Gospels der Populärmusik rhythmisch und melodisch näher als die meisten Spirituals. So finden sich insbesondere in den USA immer wieder moderne Gospelsongs in den Music-Charts, nicht selten weit oben.
Der Gospelchor hat sich im Herbst 2003 aus einigen Mitgliedern der Katholischen Studierendengemeinde Potsdam heraus gegründet und zählt aktuell etwa 35 SängerInnen. Wenngleich der Chor an der katholischen Propsteigemeinde Peter und Paul angesiedelt ist, handelt es sich um eine überkonfessionelle und überreligiöse Singgemeinschaft. Wichtig sind dem Chorleiter die Freude am Gospel-Singen und die "Message" dieser gesungenen "Frohen Botschaft". Gospel ist gesungenes Evangelium, Ausdruck von Lebensfreude und Lebenseinstellung. Die Freude und Zuversicht der Lieder möchten die SängerInnen gerne an die Zuhörer weitergeben, aber auch sich selbst bereiten.
Der Potsdam Gospel Choir wird im Rahmen von „NACH.HÖREN“ dieser enormen Bandbreite von Gospel Rechnung tragen und akustische Einblicke in die Vielfalt dieser Spielart christlicher Musik bieten.