Zum Hauptinhalt springen

Do it yourself

Nähen, Stricken, Basteln, Kochen, Backen, Gärtnern, Handwerkern – vieles wird heutzutage selber gemacht. Näh-Kits, Bastel-Sets, Möbel zum selber Aufbauen, Rezept- und Bastelbücher, nett verpackte Backmischungen, Werkzeuge aller Art liegen in Supermärkten und Geschäften hoch im Kurs. Überall findet sich in Schaufenstern, auf Verpackungen und in Werbeanzeigen der Slogan „Do it yourself“ oder die Kurzform „DIY“. Statt zu lesen, wird in der Bahn (besonders in den kalten Jahreszeiten) gestrickt. Individuell bestickte und verzierte Kleidung sowie Möbel aus Bierkästen oder Holzpaletten sind keine Seltenheit mehr. Wer Ideen und vor allem Zeit hat, bastelt auch kleine Geschenke selber, denn oftmals ist der ideelle Wert dieser selbstgemachten Präsente wichtiger als der materielle. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt – Freiheit und Selbstbestimmung sind daher leitende Motive des derzeitigen DIY-Trends.

Als Do it yourself bezeichnet man alle Formen des Selbermachens in jeglichen Bereichen. Dabei hat der oder die Selbermachende jedoch keine professionelle Ausbildung erfahren, sondern sich die Fertigkeiten selbst angeeignet. Manchmal wird einfach mitgemacht und Dinge werden nach vorgegebenen Mustern gestaltet, daraus entwickeln sich dann wieder neue Ideen, die anderen als Anregung dienen können. Beim Zusammen-Machen können diese Ideen sofort ausgetauscht und erweitert werden und es entwickeln sich gemeinschaftliche Projekte (Hornung 2011: 7).

Neben dem persönlichen Austausch von Ideen bietet das Web 2.0 zahlreiche Anregungen und Anleitungen sowie die Möglichkeit des direkten Kommentierens, um zu einem verbesserten Endprodukt beizutragen. Diese Qualitätsverbesserung durch kollaborative und kontinuierliche Entwicklung und Ausweitung bestehender Inhalte wird Producing, zu deutsch Produtzung, genannt. Der Prosumer (Begriff nach Alvin Toffler) ist also aktiv an der Produktion eines Guts beteiligt (producer, Produzent) und zeitgleich Nutzer (consumer) des Entstandenen (Held 2010: 1). Er oder sie besitzt die Produktionsmittel sowie technische, meist autodidaktisch erworbene Kenntnisse zur Herstellung von Gütern (Held 2010: 1). Die Aneignung, das heißt, die Einbettung von Technologien, Objekten, Ideen in neue, fremde Kontexte (z.B. Sicherheitsnadeln, die als Ohrschmuck verwendet werden) ist ebenso ein Teil des DIY-Trends, (Schwer 2014: 135f.) wie das Upcycling (auch: Redesign), die Umnutzung von Gebrauchsgegenständen zur ästhetischen oder funktionalen Aufwertung des Ausgangsobjekts (Hornung 2011: 12, 38). Auch das Recycling, die Verwendung von alten Materialien und Abfällen für die Schaffung neuer Produkte (Demokratiewebstatt), ist eng mit dem DIY-Trend verknüpft.


Geschichte und Entwicklung

Während in den USA die Zeitschrift Suburban Life ihre Leser bereits 1912 mit dem Slogan „Do it yourself“ zum Streichen der Wände aufrief (Hornung 2011: 8), waren in Deutschland die Experimentier- und Baukästen der 1920er Jahre erste Vorläufer des heutigen DIY-Trends. Dabei ging es nicht um handwerkliche Tätigkeiten, sondern darum, „wissenschaftliche Experimentalpraxis für jeden zugänglich“ (Hornung 2011: 14) zu machen. Durch Experimente im Haus wurden wissenschaftliche Prozesse und Phänomene verständlicher, anschaulicher und machten Spaß. Während sich die Experimentier- und Baukästen vorerst hauptsächlich an die Jungen richteten, wurden ab den 1970er Jahren durch Abbildungen experimentierender Mädchen auch die weiblichen Kinder und Jugendlichen angesprochen (Hornung 2011: 146).

Ab den 1940er Jahren verbreitete sich dann die Idee, Möbel zum selber zusammenbauen zu produzieren. Durch das Kaufen einzelner Elemente in einem kompakten Karton wurde einerseits der Transport erleichtert, andererseits waren die „unfertigen“ Möbel erschwinglicher (Hornung 2011: 12). Der notwendige Beitrag des Käufers oder der Käuferin durch das Zusammenbauen der Einzelteile, führte zu einer gesteigerten Wertschätzung des Endprodukts, da Arbeitszeit und Kraft investiert wurden. Der/die Konsument_in wurde in die Produktion miteinbezogen, daher kann hier von einem Prosumer gesprochen werden. Der heute besonders wichtige Aspekt eines individualisierten Endproduktes bleibt jedoch bei den Möbeln zum Zusammenbauen noch aus. Denn wurde alles nach Anleitung zusammengebaut, war die Ähnlichkeit der Möbel eher ein Indiz für korrekte und einwandfreie Arbeit.

Dem Wunsch nach mehr Individualität kommen die Möbelhäuser durch individuelle Griffe für Schränke sowie die Möglichkeit, einzelne Elemente in Farbe, Muster und Material zu variieren, entgegen. So können auch die aus der Massenproduktion entstehenden Möbel zu Unikaten werden. Besonders kreative Köpfe, die IKEA-Hacker, haben diesen Weg der Individualisierung noch gesteigert, indem sie aus den Einzelteilen eines bestimmten Möbelstückes durch eine veränderte Anordnung der Elemente andere Einrichtungsgegenstände entstehen lassen.

Kosmos Experimentierkasten "Elektromann" von 1940
Foto: http://www.experimentierkasten-board.de/viewtopic.php?p=2063
Kosmos Experimentierkasten "Elektromann" von 1940
IKEA-Hack Verstellbarer Kaffeetisch Knuff
Foto: http://www.ikeahackers.net/2013/01/we-have-it-the-knuff-transformable-coffee-table-is-the-ikea-hack-
IKEA-Hack Verstellbarer Kaffeetisch Knuff

Do it yourself in der DDR

Erfindungen entstanden schon immer aus der Not oder dem Wunsch, etwas zu verbessern bzw. zu erleichtern. So musste in der DDR nach dem Zweiten Weltkrieg, zu Zeiten der sozialistischen Mangelwirtschaft, jeder selbst zu Hammer und Nagel oder Nadel und Faden greifen. Modischen Bekleidungstrends, welche in Ostdeutschland ohne gute Beziehungen nicht zu bekommen waren, wurde durch das selber Nähen oder Besticken vorhandener Sachen nachgeeifert. Auch durch das Heimwerken wurde das mangelnde Angebot ausgeglichen. Dadurch entstanden Unikate, die zwar oftmals nach einem Muster oder einer vorhandenen Idee hergestellt wurden, jedoch immer eine individuelle Ausgestaltung erfuhren. Das Recycling sowie das Upcycling standen in der DDR an der Tagesordnung. Zum Beispiel wurden aus Bettlaken Blusen oder Hosen genäht und diese dann entsprechend eingefärbt. Ebenso wurden Kronkorkenelemente umhäkelt, um daraus eine Tasche in Netzmuster zu nähen. Durch das Bekleben von Bierkrügen mit auseinandergenommenen Holzwäscheklammern konnten Regale und Tische mit dekorativen Vasen und Krügen geschmückt werden.

Dieses Bedürfnis aufgreifend erschien seit Ende der 1960er vier Mal im Jahr die Zeitschrift practic im Verlag Junge Welt. Sie bot eine Vielzahl von Anleitungen zum Basteln von Lampenschirmen, Möbeln aber auch für andere Dekorations- und Gebrauchsgegenstände (Mietzsch o. J.).

Do it yourself in der BRD

Nicht nur in Ostdeutschland, auch in der BRD wurde nach der langen Zeit des Wiederaufbaus mehr selbstgemacht. Das Zuhause wurde – unterstützt durch die Erschwinglichkeit von Radio und Fernseher – für viele BRD-Bewohner zu einem Ort der Erholung. Um das Zuhause zu verschönern, wurde daher viel Zeit, aber möglichst wenig Geld investiert. Statt professionelle Handwerker zu engagieren, wurde selbst tapeziert, gestrichen, gebastelt und gebaut. Das Heimwerken war eine günstige und vor allem schnelle Alternative zu teuren Anschaffungen und professioneller Arbeit. Hilfe und Anleitungen konnten sich die BRD Bürger_innen seit 1957 in der Zeitschrift selbst ist der Mann beschaffen. Unter dem Motto „Mach´s billiger, mach´s besser, mach´s selbst“ konnte die Zeitschrift mit Anleitungen zur Modernisierung alter Möbel sowie Bau- und Renovierungsanleitungen eine breite Leserschaft begeistern (selbst Redaktion b). Zum Selbermachen und Heimwerken waren aber auch bestimmte Materialien und Hilfsmittel nötig. Dieses Bedürfnis konnte die Industrie vermarkten, indem neue und veränderte Werkstoffe, darunter der Tapetenkleister zum selber Anrühren sowie einfach aufzutragende Farben und Kleber, hergestellt und verkauft wurden. Eine neue „Heimwerker-Generation“ wurde hervorgebracht, welche für die Industrie durchaus gewinnbringend war. Der Markt lockte mit neuen, einfach zu bedienenden Werkzeugen in attraktivem Design und auch das Fernsehen griff diese Entwicklung in Form von Doku-Soaps zum Heimwerken auf (Hornung 2011: 9).

Selbermachen als Form des Protests

War das Selbermachen in der Nachkriegszeit und zu Zeiten des geteilten Deutschlands für viele Menschen der Weg sich mit einfachen Mitteln selbst zu helfen oder fehlende und begehrte, aber zu teure Güter selbst herzustellen, entwickelten sich zeitgleich auch Bewegungen, für die das Selbermachen eine andere Bedeutung hatte. Für die in den 1960er Jahren aufkommende Hippiebewegung war das Selbermachen eine Form, sich der Massen- und Konsumkultur zu verweigern. Selbstgenähte und -gefärbte Kleidung sowie selbstgemachter Schmuck waren Ausdruck der Konsumverweigerung. Aufgrund der tiefen Naturverbundenheit und der ökologischen Lebensweise der Hippie-Anhänger war auch die Herstellung von Lebensmitteln, beispielsweise durch das Anbauen von Obst- und Gemüse, eine Möglichkeit der Unabhängigkeit und Selbstorganisation. Auch die der Hippiebewegung folgende Punkbewegung nutzte das Selbermachen, um gegen die Massen- und Konsumkultur zu protestieren. Durch die Verwendung von Sicherheitsnadeln als Ohrschmuck (Aneignung) und das Upcyclen der Kleidung mit Nieten und Aufnähern als Formen des DIY wird bereits durch ihr äußerliches Auftreten deutlich, dass sie sich abgrenzen wollen (Held 2010: 1). Neben der Eigenproduktion von Kleidung waren auch die selbstständige Produktion von Musik sowie deren Vertrieb, eine Möglichkeit der Punk-Anhänger, sich aus den gesellschaftlichen Zwängen zu befreien. Ähnliche Bestrebungen und Ausdrucksformen des Protests sind bei der Riot-Grrrl-Bewegung der 1990er Jahre zu beobachten. Zum Beispiel stellten sie Fanzines (selbstgebastelte Magazine von Fans der Bewegung für andere Anhänger) her, um gegen die gesellschaftlich geprägten Geschlechterbilder der Frau zu rebellieren (Hornung 2011: 14).

DIY als Ausgleich zu Stress und Fremdbestimmung in Beruf

Mittlerweile gibt es verschiedene Gründe und Motivationen des Selbermachens. Einerseits wird seit den Zeiten der Massenproduktion und dem Verkauf von Geräten, die just nach Ablauf der Garantiezeit nicht mehr funktionieren, so viel wie möglich selber repariert, andererseits bietet das Basteln und Heimwerken zuhause für viele Arbeitnehmer einen Ausgleich für Arbeit und Stress.

Entgegen der Fremdbestimmung im Beruf kann bei den eigenen DIY-Projekten etwas mit den eigenen Händen, nach individuellen Wünschen kreiert werden. Dabei liegt die Entscheidung ganz allein den Selbermachenden, was wie, wann, wie lange und wo gemacht wird. Es wird etwas geschaffen, das den eigenen Bedürfnissen und Maßstäben genügt und auf das man stolz sein kann. Für viele Menschen ist das Selbermachen daher eine Form der Selbstverwirklichung (Oelze 2013). Gerade in der heutigen Zeit der Massenproduktion und auch der Massenabfertigung, durch die Menschen in vielen Bereichen nur noch als Zahlen registriert sind, wächst das Bedürfnis, sich abzuheben, sei es durch Kleidung, Accessoires, Wohnungseinrichtung oder Tätigkeiten. Das Selbermachen erfüllt somit viele Zwecke zugleich. Es ist eine Freizeitaktivität, bei der körperliche Ertüchtigung, Geschick und Feingefühl gefragt sind und bei der Kreativität und Fantasie keine Grenzen gesetzt sind. Es ist ebenso eine Tätigkeit, an deren Ende ein individuelles Ergebnis steht, durch welches das Selbstwertgefühl gesteigert wird. Es ist aber auch eine Form der Weiterbildung, bei der Wissen und Fertigkeiten erlernt werden müssen und bei der aus Fehlern gelernt wird. Die verschiedenen Formen des DIY gibt den Selbermachenden die Möglichkeit, sich abzugrenzen und somit auch das Gefühl, besonders zu sein.

Soziokulturelle Aspekte

Während einige DIY-Anhänger ihre Projekte lieber allein in den eigenen vier Wänden ausüben, ihre Versuche eventuell in Internet-Blogs dokumentieren und gegenseitig bewerten, bevorzugen andere das Arbeiten und Diskutieren in der Gemeinschaft. Dafür gibt es bereits eine Vielzahl von Werkstätten und Läden, die Workshops zum Selbermachen anbieten. Dort können die Selbermachenden Handgriffe und Tricks erlernen und sich über Erfahrungen austauschen.

Das Arbeiten in offenen Werkstätten ist durchaus sinnvoll, da dort die nötigen Hilfsmittel zur Verfügung stehen, die für eine Eigenanschaffung zu groß oder zu teuer sind. Produktionsmittel können zudem in größeren Mengen und somit kostengünstiger angeschafft werden. In den offenen Räumen und Werkstätten sowie Näh- und Repair-Cafés wird alles geteilt und es entstehen Gemeinschaften, die sich regelmäßig treffen, um an eigenen Projekten zu arbeiten, sich gegenseitig zu helfen, voneinander zu lernen, aber auch um einfach gemeinsam die Freizeit zu verbringen und dabei etwas Neues zu schaffen. Rücksichtnahme und die Sorge füreinander prägen das soziale Klima in diesen Räumen (Baier et al. 2013: 91). Die DIY-Kultur ist zudem eine Reflektionskultur, die von einer ständigen Selbst- und Fremdbewertung in den Gemeinschaften lebt (Held 2010: 2). Diese Bewertungen haben nie einen abwertenden, sondern viel eher einen unterstützenden Charakter, mit dem gemeinsamen Ziel der Verbesserung des Endprodukts.

Neben dem Internet und offenen Werkstätten ist die Natur ein ebenso beliebter Ort von DIY-Communities. Denn nicht nur Basteln, Heimwerken, Nähen, Kochen und Backen gehören zu den favorisierten Tätigkeiten der DIY-Anhänger, auch das Pflanzen und Gärtnern lässt neue soziale Gemeinschaften entstehen. Ungenutzte Grünflächen auf dem Land, besonders aber in der Stadt, wo jene so rar sind, werden in gemeinschaftliche Gärten verwandelt. Hier ist jeder willkommen und jeder trägt zur Erhaltung und Verschönerung der Gärten bei (Schnatz 2012). Neben dem Selbermachen ist auch die Möglichkeit der Kontrolle dessen, was gepflanzt und später vielleicht verzehrt wird, von großer Bedeutung. Für viele ist das selber Anbauen die bessere Alternative zum Kauf von Lebensmitteln, deren Inhaltsstoffe sowie Art der Züchtung und Zubereitung man nicht immer kennt. Neben dem gemeinschaftlichen Gärtnern sind daher auch eine gesunde Ernährung und eine Lebensweise, bei der sich jeder bewusst für oder gegen den Konsum bestimmter Produkte entscheidet, leitgebend für die DIY-Gärtner.

Prinzessinnengarten in Berlin Kreuzberg
Foto: http://www.cool-cities.de/prinzessinnengarten-8176/
Prinzessinnengarten in Berlin Kreuzberg

Gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Aspekte

Durch die zunehmende Beliebtheit des Selbermachens erschließen sich für die Wirtschaft viele Möglichkeiten, Gewinn zu erzielen. Es werden DIY-Sets zum Zusammennähen,
-basteln oder -bauen, zum Backen oder Kochen verkauft, nötige Produktions- und Hilfsmittel werden in ansprechendem Design angeboten. Jedoch ist der Kauf dieser Güter, welche für ein DIY-Projekt benötigt werden, oft kostenintensiver als das Endprodukt im Markt zu erwerben. Die bereits aufgezeigten Motivationen (Selbstbestimmung, -entfaltung, Kreativität etc.) sind es dennoch vielen Konsumenten wert, den erhöhten Preis zu zahlen.

Auch die Fernseh- und Verlagsbranche macht sich den DIY-Trend zu Nutze. Es werden Fernsehsendungen produziert,in denen zum Selbermachen angeleitet wird. Dabei geht es nicht nur um das selber Bauen oder Basteln, auch Ideen und Anregungen zum Backen, Kochen, Pflanzen, Gestalten, Dekorieren usw. werden den Rezipient_innen vermittelt. Es liegt dann bei den Zuschauer_innen, ob diese das in der Sendung Vorgestellte gemäß der Anleitung wiederholen oder es variieren und individualisieren.

Die Bücher- und Zeitschriftenregale in Geschäften laden zum individuellen Gestalten der eigenen vier Wände ein. Inwiefern dabei von Individualität gesprochen werden kann, ist zu diskutieren. Einerseits werden für die Dekoration des Wohnraums bereits im Markt vorhandene Güter gekauft (Scheinindividualität), andererseits ermöglicht eine originelle Anordnung oder kreative Bearbeitung dieser Objekte eine individuelle Ausgestaltung des Raumes.

Den Wunsch von Konsumenten, die verschiedensten Dinge selber zu machen, nimmt die Wirtschaft zum Teil wörtlich und überträgt das Prinzip unter anderem auf den Dienstleistungsbereich. Selbstbedienungsrestaurants und -möbelhäuser sind inzwischen nicht mehr wegzudenken, auch das Online-Banking hat mittlerweile einen Großteil der Bevölkerung erreicht. Es ist jedoch fraglich, ob diese Formen des Selbermachens im Dienstleistungsbereich tatsächlich Ausformungen des DIY-Trends sind oder eine rein profitorientierte Strategie der Wirtschaft, um Arbeitskräfte und somit Geld zu sparen. Zwar werden Kostenvorteil, Unabhängigkeit von Öffnungszeiten und Personal sowie die Möglichkeit der eigenen Kontrolle von Prozessen im Dienstleistungsbereich durchaus mehr wertgeschätzt als der Service (Hornung 2011: 6), die Gründe zum Selbermachen sind dabei jedoch sehr verschieden von den zuvor dargestellten Motivationen des DIY-Trends.

Ähnlich verhält es sich mit den Ratgebern in Textform, aber auch im Radio, Fernsehen und Internet. Mithilfe dieser Medien kann mittlerweile fast alles selber gemacht werden. Dabei geht es längst nicht mehr nur um das Basteln, Bauen, Backen und Dekorieren. Die Ratgeber ermöglichen es die Steuererklärung, den Ernährungs- und Fitnessplan selber zu erstellen. Vorrangig geht es den Konsument_innen darum, durch diese Magazine oder Programme zu sparen und keinen persönlichen Berater bezahlen müssen. Zwar kann man stolz darauf sein, das Ziel allein (mithilfe des Ratgebers) erreicht zu haben, die qualitative Umsetzung spielt dabei aber eine eher untergeordnete Rolle.

Mithilfe der bereitgestellten Produktionsmittel und den in allen Medien angebotenen Anleitungen werden die speziell ausgebildeten Fachkräfte der betreffenden Bereiche in den Augen vieler Konsument_innen überflüssig. Diese Formen des Selbermachens ermöglichen zwar zeitliche Unabhängigkeit und ersparen das Bezahlen einer Facharbeitskraft, sie können jedoch auch zur Deprofessionalisierung führen. Wenn Laien die Arbeit von Fachkräften übernehmen, wirkt sich dies oft auf die Qualität des Produktes aus und womöglich erfordert es Mehrkosten, wenn es bereits nach kurzer Zeit ausgebessert, repariert oder erneuert werden muss.

Des Weiteren hat die Wirtschaft einen Weg gefunden, nicht nur die Produktionsmittel zum Selbermachen zu schaffen, sondern die Möglichkeit der Individualisierung in den industriellen Produktionsprozess mit einzubeziehen. Mit Angeboten, bei denen die Konsument_innen ihr eigenes Müsli oder die Tafel Schokolade nach persönlichem Geschmack zusammenstellen können, werden Umfragen und Marktforschung nach den Lieblingsgeschmacksrichtungen der Bevölkerung unnötig. Auch Wettbewerbe zur Gestaltung eines T-Shirts oder Turnschuhs werden veranstaltet, um einerseits Individualisierung zu suggerieren und andererseits die Kosten eines oder einer Produktdesigner_in zu sparen (Held 2010: 2).

Diese Beispiele, bei denen immer mehr selber gemacht wird, verdeutlichen, dass es zu einer Umverteilung der nötigen Arbeitskräfte kommt. Während Fitnessberater_innen und Produktdesigner_innen etc. zum Teil überflüssig werden, sind Ratgeberautor_innen und
-moderator_innen umso gefragter. Es scheint, dass bestimmte Produkte und Dienstleistungen in gewissem Sinne überflüssig werden, da die Konsumenten die erforderlichen Tätigkeiten selber ausführen bzw. die Güter selber herstellen. Zeitgleich entsteht jedoch eine Nachfrage in anderen Bereichen und nach anderen Waren, welche entwickelt und an die Bedürfnisse der Käufer_innen angepasst werden müssen. Aufgrund dieser Umverteilung der Nachfrage sind die mittel- und langfristigen Auswirkungen des DIY-Trends auf die Wirtschaft unklar (Glockner o.J.).

Fazit

Die Darstellung der Entwicklung des DIY-Trends hat gezeigt, dass sich die Motivationen zum Selbermachen stets aufgrund gesellschaftspolitischer Bedingungen geändert haben. War das Selbermachen vor rund 60 Jahren noch eine Möglichkeit zu sparen, sind heute viele Menschen bereit mehr Geld für die nötigen Produktionsmittel zu zahlen, um bestimmte Tätigkeiten selber und nach eigenen Maßstäben auszuführen. Das Selbermachen erfüllt daher heutzutage andere Bedürfnisse, wie z.B. den Wunsch nach Individualität, Selbstbestimmung und handwerkliche Selbstwirksamkeit. Auch der bewusste Umgang mit vorhandenen Gütern, welche selber repariert und in verschiedene Kontexte eingesetzt werden (Aneignung, Upcycling), ist im heutigen „Wegwerfzeitalter“ ein wichtiger Aspekt des DIY.

Die Darstellungen verdeutlichen, dass der DIY-Trend von Lebensgefühlen und Sehnsüchten der Menschen angetrieben wird, um Defiziten, wie beispielsweise dem Massenkonsum und der Fremdbestimmung, entgegenzuwirken. Zudem steht der DIY-Trend in engem Zusammenhang mit dem „Simplify“-Trend. Auch viele DIY-Anhänger sehnen sich nach einem weniger stressigen Leben und mehr Zeit für die Selbstverwirklichung. Der DIY-Trend kann somit als soziokultureller Trend bezeichnet werden.

Gemäß der Definition nach Horx haben Trends Auswirkungen auf verschiedene Bereiche des Lebens. So konnten hier einige konkrete Effekte des DIY-Trends gezeigt werden. Neben dem Entstehen einer Vielzahl an Gemeinschaften, in denen vieles zusammen selber gemacht wird, verändert sich auch der wirtschaftliche Markt. Das Angebot passt sich der neuen Nachfrage an und die Wirtschaft versucht daraus Profit zu erzielen. Die Trendforschung ist daher einerseits für die Wirtschaft von großer Bedeutung, andererseits ermöglicht sie es, soziokulturelle Entwicklungen zu verstehen und zu beschreiben, sowie die Motivationen und Auswirkungen solcher gesellschaftlicher Wandlungsprozesse, wie zum Beispiel die des Do it yourself-Trends, nachzuvollziehen.

Quellen:

Autorin Lisa Zosel
Zeitraum August 2016