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Gut für Körper und Seele

Minimal geöffnetes Glasfenster mit Klebefolie in Blau und Aufschrift Potsdam Transfer
Foto : Wiebke Heiss

Wie Sporttherapie bei Depression hilft, zeigt ein Studienprogramm
der Universität Potsdam, das jetzt in die Regelversorgung kommen soll

Volkskrankheit Depression: Schätzungen zufolge sind allein in Deutschland mehr als fünf Millionen Menschen betroffen. Und im Zuge von Corona-Pandemie, Klimakrise und Ukraine-Krieg sind diese Zahlen weiter gestiegen. Doch bei der Versorgung psychischer Erkrankungen knirscht es schon lange: Auf eine Psychotherapie muss man in der Regel monatelang warten, außerdem bietet sie nicht für jeden die geeignete Behandlung. Um das zu ändern, hat Dr. Andreas Heißel gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eines Konsortiums aus Krankenkassen und Forschungseinrichtungen untersucht, inwieweit

diese Versorgungslücke mithilfe von Sporttherapie geschlossen werden kann. Der Vorteil: Sporttherapie und Gesundheitssport sind schnell und niedrigschwellig verfügbar. Es gibt deutschland- weit ein sehr gut ausgebautes Netz von Gesund- heitssportvereinen, Physiotherapiepraxen und Reha-Zentren, in denen auch kurzfristige Termine zu bekommen sind. „Mit einer Sporttherapie könnten wir insbesondere unbehandelte Menschen erreichen, die für eine Psychotherapie nicht offen sind oder lange warten müssen.“

Was bislang fehlte, war der Nachweis eines in der Versorgung erprobten Sporttherapie-Programms. Deshalb haben Heißel und Co. eine Untersuchung zu „Sport-/Bewegungstherapie bei Depression“, kurz STEP.De, auf den Weg gebracht: Fast 400 Patienten haben dabei zur Behandlung von Symptomen einer leichten bis mittelschweren Depression entweder Sport- oder Psychotherapie erhalten. Wichtig war: Auch die Sporttherapiegruppe wurde von Psychotherapeuten begleitet. Diese sicherten zum Anfang die Diagnose, meldeten sich alle vier Wochen und legten in einem Abschlussgespräch mit den Patienten fest, wie es weitergehen sollte, ob eine anschließende Psychotherapie nötig war oder nicht. Dazwischen lag die gruppenbasierte Sporttherapie, 32 Einheiten in vier Monaten, gerahmt von einer individuellen Sporteingangstestung und einem Abschlussgespräch beim psychologisch geschulten Sporttherapeuten. Die Forschenden befragten in dieser Zeit die Teilnehmenden regelmäßig – mit Blick auf die Symptomatik der Depression, aber auch die Arbeitsfähigkeit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität.

Das Ergebnis war sehr deutlich, wie Andreas Heißel zusammenfasst: „Beide Therapien haben sich als hochwirksam erwiesen – und als durchaus ebenbürtig, auch sechs Monate später. Überrascht hat uns, dass von denen, die eine Sporttherapie absolvierten, anschließend nur noch etwa 20 Prozent eine Psychotherapie begannen.“ Im Umkehrschluss mussten 80 Prozent der Patientinnen und Patienten nach den vier Monaten Sporttherapie nicht weiter behandelt werden, während die Psychotherapie in den meisten Fällen weiterlief. Gerade dieser Befund sei für Krankenkassen besonders interessant: Immerhin bedeute dies etwa tausend Euro geringere Behandlungskosten für STEP pro Person in einem Zeitraum von zehn Monaten.

„Unsere Studie belegt: Sporttherapie ist eine wirksame Behandlungsmethode bei leichten bis mittelschweren Depressionssymptomen“, so der Forscher. Dabei solle sie die Psychotherapie nicht ersetzen, sondern ergänzen, betont er: „Die Sporttherapie erweitert das Behandlungsportfolio – und kann ein Türöffner sein. Die 20 Prozent der Patienten, die nach der Sport- noch eine Psychotherapie brauchen, sind dann auch bereit dazu.“

Nun brauchte es „nur“ noch jemanden, der das in der Studie entwickelte STEP-Programm in die Praxis bringt. Aber wie? „Alle haben abgewinkt – nicht ihre Aufgabe“, so der Forscher. „Also haben wir am Ende, aus der Not heraus, selbst angepackt.“ Mit Unterstützung von Potsdam Transfer, der universitären Einrichtung für den Wissens- und Technologietransfer, gründete Andreas Heißel im Juni 2023 das Zentrum für  emotionale Gesundheit Deutschland (ZEGD). „Unser Ziel ist immer, den Forschenden so effizient wie möglich zu helfen“, sagt Gründungscoach Ole Korn. „Dafür haben wir uns individuell auf die Bedürfnisse von Andreas Heißel eingestellt. Das reichte von der Beratung zum Geschäftsmodell, über die Begleitung eines Businessplans für weitere Fördermittel bis zur Klärung von rechtlichen und steuerlichen Fragen. Auch ein Pitch- Training war dabei.“

Die neue Firma soll die Akteure der Gesundheitsversorgung, die für die Sporttherapie nötig sind, miteinander verknüpfen. „Eigentlich profitieren alle davon: Die Krankenkassen sparen Geld, die Sportzentren verdienen mit den Therapiekursen mehr als mit Rehasport und die Therapeuten gewinnen neue Expertise im Umgang mit Depressionspatienten. Die Ärzte und Psychotherapeuten wiederum können Patienten, denen sie bislang keine Therapieplätze zu verschaffen vermochten, etwas anbieten und ggf. die Wartezeit bis zur Psychotherapie sinnvoll überbrücken. Vor allem aber finden die Betroffenen kurzfristig Hilfe“, so Heißel.

Das achtköpfige ZEGD-Team arbeitet nun daran, das Netzwerk zu vergrößern und die Sporttherapie in die Breite zu bringen. Schon jetzt haben drei Krankenkassen die STEP-Therapie dank des sogenannten Selektivvertrags ins Portfolio aufgenommen und übernehmen die Kosten. Auf der anderen Seite kooperiert das Zentrum mit sieben Sportzentren in Berlin, in denen geschulte Therapeutinnen und Therapeuten STEP-Kurse anbieten. Vor allem aber haben Andreas Heißel und sein Team von Beginn an „groß gedacht“, um das Versorgungsmodell schnell zu skalieren. Dafür haben sie die STEP-Sporttherapie inzwischen digitalisiert. Das bedeutet, nicht nur Therapeuten können jetzt von überall die Schulung durchlaufen und die Zertifizierung erwerben. Auch die Patientinnen und Patienten können die Therapie nutzen, selbst wenn es in ihrer Nähe noch kein Sportzentrum gibt, das sie anbietet.

Dieser Artikel ist erschienen im Universitätsmagazin Portal Transfer 2024.

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Ole Korn
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Online-Redaktion

Josephine Arnold