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Die eigene „Bubble“ verlassen

Mann auf der Bühne mit Mikrofon
Foto : Florian Reischauer
Thoralf Dietrich beim 2. Brandenburger Science Slam in Schwedt.

Wenn die Präsenzstellen der Hochschulen Brandenburgs zum Science Slam aufrufen, lassen junge Forschende nicht lang auf sich warten. Was motiviert sie, mit ihren Themen übers Land zu ziehen?

Sieger in Luckenwalde: Hans Reimann, Lehramtsstudent für Mathematik und Englisch

Forschung ist spannend, vielseitig und nützlich. Ich möchte meine Begeisterung dafür auf die Bühne bringen und zeigen, wie relevant die Wissenschaft für den Umgang mit Problemen unserer Zeit ist. Ich befasse mich in meiner Masterarbeit mit Ideen, Ansätzen und Methoden aus der Mathematik, die dabei helfen sollen, die mentale Gesundheit und Zufriedenheit von Schülerinnen und Schülern besser zu verstehen, um sie künftig in ihrem Alltag gezielt unterstützen zu können. Über mein Thema außerhalb der Universität sprechen und diskutieren zu können, ist super. Es geht ja auch um gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Interessen. Außerdem fordert ein Science Slam dazu auf, die „Bubble“ des eigenen Fachs bewusst zu verlassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Man muss sich fragen, was eigentlich die Essenz der eigenen Idee ist und ob sie sich über das Fach hinaus verständlich und gleichermaßen ansprechend erklären lässt. So ein Slam ist natürlich ein Schritt aus der Komfortzone, aber nach einem kurzen Moment der Anspannung taucht man mehr und mehr in den Vortrag ein, bevor man schließlich feststellt, wie schnell zehn Minuten vorbei sind.

Slammer in Finsterwalde: Julian Stähle, Masterstudent der Astrophysik

Mit der Teilnahme am Science Slam wollte ich meine Präsentationsfähigkeiten für das Studium verbessern und versuchen, mein Thema einfach und richtig darzustellen. In meiner Forschung geht es um Wolf-Rayet-Sterne, extrem heiße, leuchtkräftige, riesige Sterne. Sie besitzen einen zerstörerisch starken Sternenwind, den sie in ihre Umgebung abgeben und der dafür sorgt, dass neue Objekte wie kleinere Sterne, Planeten oder Kometen entstehen können. Sie können uns helfen, etwas über unsere Vergangenheit, aber auch über die Vergangenheit des Universums zu erfahren und unser Dasein besser zu verstehen. Dies einem interessierten, aber fachfremden Publikum auf lustige und trotzdem niveauvolle Art beizubringen und anschließend Fragen zu beantworten, ist das Faszinierende am Science Slam. Die lockere und zugleich ernste Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Themen erleichtert es generell, sich für ein Fachgebiet zu begeistern, es zu verstehen oder auch weiterzuvermitteln.

Sieger in Schwedt: Thoralf Dietrich, Promovend am Institut für Geowissenschaften

Das Besondere am Brandenburger Science Slam ist, tatsächlich mal dorthin zu gehen, wo meine Großelterngeneration wohnt: aufs „Land“, weit weg von der studentischen Blase an der Uni. Das bot die Möglichkeit, Menschen, die sonst vielleicht nur über Fernsehen oder Internet Zugang zu meinen Themen haben, persönlich Rede und Antwort zu stehen. Ich befasse mich mit Vulkanen und Gletschern, besonders mit deren Brummen und Rauschen, Tremor genannt. Was genau passiert da? Wann und wo findet es statt? Das Wissen darum könnte dabei helfen, frühzeitig vor einer Gletscherflut oder einem Vulkanausbruch zu warnen. Davon handelte mein Vortrag.

Faszinierend am Science Slam ist, dass man einem aufgeschlossenen Publikum in kürzester Zeit viel Erkenntnis bringen kann. Den Leuten auf der Bühne gelingt es, ihre wissenschaftliche Arbeit in kleinen, leckeren Häppchen zu präsentieren. Sie schaffen damit überhaupt erst die

Grundlage, dass das Publikum anfangen kann, Fragen vorzubringen und miteinander zu kommunizieren. Aus einem „Wie fandst du den Vortrag?“ wird dann ein: „Hast du die Sache verstanden, kannst du sie mir fix erklären?“ Bei der Bewertung der Slams finden sich plötzlich wildfremde Menschen zusammen, um als euphorisierte Schwärme über die Vorträge abzustimmen.

Sieger in Neuruppin: Corvin Drößler, Lehramtsstudent für Geographie und Deutsch

Da ich auf Lehramt studiere, dachte ich mir, ein Science Slam könnte für meinen künftigen Beruf eine gute Erfahrung sein. Im Unterricht kommt es ja ebenfalls darauf an, Fachwissen spannend zu vermitteln und die Klasse mitzureißen. Dass einer der Slams in meiner Heimatstadt Neuruppin stattfinden sollte, hat mich zusätzlich motiviert. Mein Thema bezog sich auf eine Hausarbeit, in der ich mich mit den noch immer bestehenden Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland und deren Ursachen beschäf- tigte. Ein kritisches Bewusstsein dafür zu entwickeln, ist der erste Schritt zur Überwindung der inner- deutschen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Darum ging es in meinem Vortrag. Ich finde es gut, dass der Brandenburger Science Slam an Orten stattfindet, die für gewöhnlich nicht mit der Forschung verknüpft sind, zum Beispiel in Kneipen. So verlässt man die eigene Filterblase und den „akademischen Elfenbeinturm“. Auch in der Peripherie Brandenburgs kann auf diese Weise Wissenschaftbals nahe am Menschen empfunden werden. Das sorgt für Austausch untereinander und durchbricht womöglich gar bestehende Vorbehalte. Dass Forschung auch ohne Vorwissen verstanden werden kann und nicht nur innerhalb des Forschungskreises, ist für die Wissensvermittlung generell essenziell. Beim Science Slam trägt natürlich auch die Unterhaltsamkeit dazu bei. So kann man sich im Vorfeld der Veranstaltung darauf verlassen, dass man Spaß haben wird und etwas lernen kann.

„Insgesamt war die Uni Potsdam beim Brandenburger Science Slam mit elf Studierenden und Forschenden vertreten. Auch Anita Henze, Susanne Kohrs, Dr. Hans-Georg Müller, Alina Weber, Tahmid Tusar, Sarah Leonhardt und Dr. phil. Peter Ulrich haben mit interessanten wie unterhaltsamen Vorträgen dazu beigetragen, die Welt der Wissenschaft einem breiten Publikum in Finsterwalde, Fürstenwalde, Luckenwalde, Neuruppin, Schwedt und Velten näherzubringen“, berichtet Mitorganisatorin Josephine Stolte von Potsdam Transfer.

Dieser Artikel ist erschienen im Universitätsmagazin Portal Transfer 2024.

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Josephine Stolte
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Josephine Arnold