Worum geht es dabei?
Das Projekt RefInk soll gleich drei Dinge leisten: Zum einen unterstützt es die Studierenden dabei, die inklusionspädagogischen Inhalte der Vorlesung „Grundlagen der Inklusionspädagogik“ zu vertiefen. Außerdem bietet es Hilfestellung, wenn es darum geht, fachspezifische wissenschaftliche Arbeiten zu schreiben. Und drittens stärkt es die damit zusammenhängenden inklusionspädagogischen Reflexionskompetenzen der Studierenden des Lehramtes der Sekundarstufe. Das ist wichtig nicht zuletzt vor dem Hintergrund zunehmender Zoom Fatique. Die fast vollständige Umstellung auf digitale Lehre in der Corona-Pandemie hat zu einer Art Erschöpfung geführt, die sich direkt auf die Arbeitsmotivation und Qualität selbstorganisierten wissenschaftlichen Arbeitens und die Entwicklung einer inklusionspädagogischen Handlungskompetenz auswirkt. Die Studierenden konnten sich nicht mehr oder nur eingeschränkt mit Kommiliton:innen und Dozierenden austauschen, weshalb ihnen Möglichkeiten fehlten, um Inhalte zu vertiefen und direktes Feedback zur Entwicklung eigener Reflexionskompetenz zu erhalten. Außerdem sahen sich viele mit dem (gefühlt) gestiegenen Arbeitspensum während der Corona-Pandemie allein gelassen. Nicht wenige hatten Zweifel, ob sie ihr Studium würden abschließen können, was letztlich – ganz statistisch gesprochen – die Wahrscheinlichkeit von Studienabbrüchen erhöht. Hier setzt das Projekt RefInk – sprich: „re-think“ wie über- bzw. neu-denken – an.
Im Projekt machen wir bislang Folgendes: Zum einen haben wir die online-basierte Lernunterstützung in der Vorlesung „Grundlagen der Inklusionspädagogik“ ausgebaut und umstrukturiert. So setzen wir intensiv auf die durch Moodle ermöglichte Lernunterstützung. Außerdem bilden die Studierenden innerhalb der Vorlesung feste Lerngruppen, die wiederum durch studentische Tutor:innen des Arbeitsbereichs IOE angeleitet werden, damit sie die Reflexionsaufgaben wirklich optimal kooperativ bearbeiten. Zu den Lernergebnissen gibt es dann über ein peer-to-peer (P2P)-Verfahren regelmäßiges Feedback durch die Tutor:innen (via Moodle und in den Tutorien). In den Lernphasen wechseln sich – je nach Bedarf – synchrone und asynchrone Formate ab. So tauschen sich die Studierenden zu prüfungsrelevanten Inhalten via Zoom aus und bereiten sich dann individuell auf Prüfungsleistungen vor, z.B. mithilfe von Material, das über Moodle bzw. MediaUP bereitgestellt wird. Zum anderen haben wir die semesterbegleitenden P2P-Tutorien als Ergänzung zur Vorlesung „Grundlagen der Inklusionspädagogik“ komplett neu gestaltet. Zunächst gibt es drei am Arbeitsbereich IOE angesiedelte und durch wissenschaftliche Hilfskräfte geleitete Tutorien pro Semester, die als Schreibseminare vor allem zweierlei leisten sollen: Einerseits lernen und trainieren die Studierenden Reflexionsarbeiten zu schreiben. Denn da gibt es gravierende Lücken. Andererseits können sie sich dort kooperativ-interaktiv zu inklusiver Schulentwicklung austauschen. In diesen Tutorien werden Ergebnisse von Reflexionsaufgaben der Teilnehmenden vorgestellt, diskutiert und unter Anleitung der Tutor:innen optimiert.
Was macht das Projekt innovativ?
Wir koppeln die systematisch strukturierten Vorlesungsinhalte mit individualisierten Reflexionsmöglichkeiten. Außerdem gibt es ständig P2P-Feedback und wir erfassen, wie die Studierenden ihre Kompetenzen weiterentwickeln – durch semesterbegleitende Betreuung und Datenerfassung im Rahmen des Lehrbegleitforschungsprojektes ProfInk2 – Professionalisierung angehender Lehrkräfte im Bereich Inklusion – an unserem Lehrstuhl. Die asynchronen Lernphasen haben hier vor allem die Funktion, die theoretischen Hintergründe des jeweiligen Lerngegenstandes zu erarbeiten, während die synchronen Lernphasen (vor allem als Tutorien) als kooperative Form funktionieren, in der das erarbeitete Wissen gemeinsam problematisiert, irritiert und vertieft werden kann.
Warum wollten Sie mal etwas anders machen?
Bisherige Lehrkonzepte erscheinen mir nicht ausreichend, um die neuen Bedarfe der Studierenden in vollem Maße abzudecken. Die Erfahrungen der eingeschränkten Lehre während der Corona-Semester haben zu meiner Überzeugung beigetragen, neue Wege beschreiten zu müssen, um alle Studierenden zu erreichen. Der digitale Raum bietet viele Chancen, die wir schon umfänglich ausgeschöpft haben. Den direkten Kontakt können sie aber nicht ersetzen. In der Vorlesung, die seit April 2020 vollständig digital stattfinden musste, zeigte sich bald, dass der direkte Kontakt zu Studierenden nur schwer aufrechtzuerhalten war. Die oben beschriebenen Probleme wurden alsbald offenkundig, weshalb klar war, dass hier etwas anderes, Neues hermusste.
Wie entstand die Idee für das Projekt?
Die Idee basiert auf der Überlegung, wie unter den anhaltend eingeschränkten und auch zukünftig unabsehbaren Bedingungen eine hochqualitative Lehre mit hochgesteckten Zielen machbar ist. Besonders die mit dem Thema Inklusion eng verbundene Idee von Chancengleichheit vulnerabler Gruppen spielte hierbei eine Rolle. Wie können wir alle Studierenden erreichen? Und wie insbesondere die, die am ehesten mit Problemen aufgrund der angespannten Lage, aber auch im Allgemeinen, zu kämpfen haben? Die Schaffung eines Zusatzangebotes zur eigentlichen Vorlesung in Form von semesterbegleitenden Tutorien erschien als gangbarer und effektiver Lösungsansatz.
Was erhoffen Sie sich von der Lehrveranstaltung?
Das Projekt RefInk soll dazu beitragen, die Studierenden schon früh für das Thema Inklusion zu sensibilisieren und an das spätere Tätigkeitsfeld heranzuführen – und zugleich ihre (Reflexions-)Kompetenzen im Bereich Inklusion und inklusive Schulentwicklung erhöhen. Ganz praktisch geht es letztlich aber auch darum dafür zu sorgen, dass mehr Studierende die die Vorlesung, das Modul und langfristig ihr Studium erfolgreich abschließen.
Gibt es erstes Feedback der Studierenden?
Teilnehmer:innen des ersten Durchlaufs im SoSe 2022 haben verschiedenartiges Feedback gegeben, dass sehr positiv, aber auch kritisch ausfällt und so bei der weiteren Optimierung der Lehrveranstaltung hilfreich sein wird.
Konkret wird das asynchrone Format von der Mehrheit der Studierenden seit Langem geschätzt – aufgrund seiner enormen Flexibilität in der Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten. Die neu geschaffenen Präsenzanteile in Form der Tutorien wurden insgesamt ebenfalls positiv aufgenommen. Herausfordernd war anfangs, richtig zu kommunizieren und den Mehrwert einer Teilnahme herauszuheben. Es hat sich noch Verbesserungspotenzial gezeigt, das wir im aktuellen Semester angehen. Zu Beginn des Wintersemesters zeigen sich hierbei bereits Erfolge in der Weiterentwicklung der Angebotsorganisation, die sich insbesondere in einer deutlich erhöhten Nachfrage widerspiegelt.
Jene, die an den Tutorien teilgenommen haben, gaben an, sie hätten viel gelernt und ihre Selbstreflexionskompetenz verbessert. Viele lernten andere Sichtweisen und Perspektiven kennen und über bestimmte Fragestellungen anders nachzudenken. Insgesamt empfanden die Studierenden die Tutorien daher als Bereicherung ihres Studiums. Die Qualität der eingereichten Beiträge während des Semesters hat sich in dieser Gruppe sichtbar verbessert.
Auch konnte festgestellt werden, dass Studierende sich allgemein mehr Praxis wünschen: „Es ist schön, wenn man bestimmte Probleme erkennt und darüber im Rahmen der Vorlesung auch spricht, dann aber auch in der Lage ist, ihnen angemessen zu begegnen oder auf sie zu reagieren.“
Wann und wie erfolgt der Transfer der Ergebnisse?
Die Ergebnisse des Projekts werden semesterbegleitend evaluiert und in Form eines hochschuldidaktischen Leitfadens, eines Moodle-Modellkurses und eines Portfolios inklusionspädagogischer Reflexionsfallanalysen hochschulöffentlich zum Ende des Wintersemesters 2022/23 publiziert.