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Lehre für die Ohren – Vera Kirchner und Jörg Hochmuth erarbeiten zusammen mit Studierenden Educasts für den Unterricht

Innovative Lehrprojekte 2022

Mikrofon vor einem Computer
Foto : Pixabay/florantevaldez

Dass Podcasts nicht nur etwas für die Freizeitunterhaltung sind, zeigt sich an der schieren Fülle ihres Angebotes: Polittalk lässt sich ebenso anregend zum Hören aufbereiten wie TV-Serienbesprechungen. Wissen zu unterschiedlichsten Themen findet Eingang in den Gehörgang. Das Medium ist bei vielen Altersklassen gleichermaßen beliebt, sodass die Idee naheliegt, es auch für Schülerinnen und Schüler im Unterricht zu nutzen. Dieses Potenzial sehen auch Prof. Dr. Vera Kirchner und M.A. Jörg Hochmuth, deren Projekt „VWL-Educ@sts für den WAT-Unterricht“ von der Hochschulleitung als innovatives Lehrprojekt gefördert wird.

Worum geht es in Ihrer Lehrveranstaltung?

VK/JH: Kurz gesagt wollen wir die Lehramtsstudierenden im Fach Wirtschaft-Arbeit-Technik (WAT) an die Potenziale von Podcasts als Lehr-Lern-Medium und Methode für den Unterricht heranführen und sie dazu befähigen, solche Educational Podcasts – auch Educasts genannt – für den Einsatz im Unterricht selbst und mit Schüler:innen zu produzieren. Podcasts sind aktuell auch unter Studierenden ein viel konsumiertes Medium, vor allem im Freizeit- und Unterhaltungsbereich. In Bildungskontexten sind sie jedoch noch sehr wenig verbreitet. Gemeinsam mit den Studierenden möchten wir also ergründen, wie sich Podcasts als auditive Medien für die Wissensvermittlung in der ökonomischen Bildung nutzen lassen. Ziel ist es, dass die Studierenden die wirtschaftswissenschaftlichen Inhalte selbst fachlich durchdringen, diese aber auch sachgerecht für den Wirtschaftsunterricht didaktisch rekonstruieren und schlussendlich auf eine für Schüler:innen attraktive Weise medial produzieren können. Am Ende steht also nicht nur eine theoretische Auseinandersetzung, sondern die tatsächliche Produktion von schüler:innengerechten Educasts zu spannenden volkswirtschaftlichen Sachfragen, wie z.B. Wie kommt das Geld in die Welt? Oder Was ist Inflation und was kann der Staat dagegen tun?

Was macht die Lehrveranstaltung innovativ?

VK/JH: In der universitären Lehre sind auditive Lehr-Lernformen bisher vor allem als Ersatz oder Vertiefung von Lehrveranstaltungen (insbesondere Vorlesungen) verbreitet. Dabei bleiben die Studierenden vielfach ausschließlich in der Rolle der Rezipierenden. Unser Ansatz ist dagegen handlungsorientiert ausgerichtet und konstruktivistisch fundiert, da die Lehramtsstudierenden als „knowledge creator“ ein eigenes Verständnis für das Thema im Prozess selbstständig generieren. Hinzu kommt neben der eigenen Wissenskonstruktion auch die Herausforderung, fachliche Inhalte verständlich für andere Lernende – nämlich Schüler:innen der Sekundarstufe I – in einer besonderen medialen Form aufzubereiten. Somit wird im Zuge der Lehrveranstaltung auch die medientechnische, digitale und didaktische Kompetenzentwicklung der zukünftigen Lehrpersonen unterstützt. Innovativ ist auch, dass die Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung die Methode aus der Lernenden-Perspektive erleben, aber gleichzeitig auch Einblicke in organisatorische sowie technische Voraussetzungen und Abläufe erhalten, um so Potenziale und Herausforderungen des unterrichtlichen Einsatzes zu reflektieren. Schlussendlich ist die Lehrveranstaltung auch innovativ, weil es in der ökonomischen Bildung bisher wenig bis gar keine explizit für den Unterricht geschaffenen Podcasts gibt und die Entwicklung und Erprobung solcher Educasts somit eine methodisch-didaktische Lücke dieser Domäne adressiert. Zudem erscheinen Educasts auch besonders geeignet für moderne, digitale-gestützte Formen der Unterrichtsorganisation, wie z.B. hybride Lehr-Lernformen oder Blended-Learning-Formate sowie für die Binnendifferenzierung von Unterricht entlang heterogener Lernausgangslagen und -bedarfe.

Warum wollten Sie mal etwas anders machen? Wie entstand die Idee für das Projekt?

VK/JH: Grundsätzlich handelt es sich um ein neues Modul unserer jüngst entwickelten Studienordnung, deshalb stand der Innovationsgedanke von Beginn an im Mittelpunkt. Gerade infolge der Corona-Pandemie ist seitens der Studierenden ein großes Interesse an der Auseinandersetzung mit digitalen Lehr-Lern-Medien und generell schulpraktisch-relevanter Inhalte zu beobachten. Gleichzeitig sind insbesondere bei unseren Studierenden der niedrigen Fachsemester Schwierigkeiten in der Erschließung fachwissenschaftlicher Themen und Konzepte festzustellen. Daher lag es nahe, die Interessens- und Motivationslage der Studierenden mit der Notwendigkeit fachwissenschaftlicher Grundlagenbildung zu kombinieren. Damit wird die Relevanz fachlicher (in diesem Fall volkswirtschaftlicher) Sachverhalte unterstrichen, gleichzeitig jedoch die didaktisch-rekonstruierende Perspektive auf den WAT-Unterricht und dessen Gestaltung mittels innovativer Medien und Methoden als zentrales Aufgabenfeld von Lehrenden nicht aus dem Blick verloren. Da sich das Medium Podcast (auch gerade bei jungen Menschen) aktuell wieder sehr großer Beliebtheit erfreut und als Lehr-Lern-Medium noch nicht vollumfänglich erschlossen ist, erschien es zudem als Anwendungsfolie besonders geeignet.

Was erhoffen Sie sich von der Lehrveranstaltung?

VK/JH: Wir erhoffen uns von dieser Vorgehensweise, dass die Studierenden sich nicht nur fachliches Wissen zu Themen der Volkswirtschaftslehre aneignen, sondern auf Basis fachdidaktischer Auseinandersetzung mediengestützte Ideen in Form von Educasts zur Umsetzung ökonomischer Themen im WAT-Unterricht gestalten. Dies erfordert eine hohe Selbstorganisation der Studierenden, bedarf sozialer und kommunikativer Kompetenzen und trainiert Fähigkeiten des Projektmanagements (Teamfähigkeit, Kompromissbereitschaft etc.). Am Ende sollen die Educasts dann tatsächlich auch für unterrichtliche Kontexte zur Verfügung gestellt und von Lehrenden und Lernenden genutzt werden. Sie verschwinden also nicht in der Schublade, sondern landen im besten Fall auf vielen Ohren. Gerade durch diesen realen schulpraktischen Einsatzhorizont erhoffen wir uns eine hohe Motivation der Studierenden.

Neben diesen praktischen Arbeitsergebnissen zielt die Lehrveranstaltung auch auf eine Förderung der medientechnischen Anwendungskompetenz und der fachdidaktischen und überfachlichen Handlungs- und Gestaltungskompetenz der Studierenden ab. Übergreifend verfolgen wir zudem das Ziel, eine reflektierte Haltung zu Potenzialen und Herausforderungen des unterrichtlichen Einsatzes digitaler Medien im Allgemeinen und Educasts bzw. Podcast im Speziellen zu unterstützen.

Gibt es erstes Feedback der Studierenden?

VK/JH: Bisher wird die Veranstaltung und besonders die auf die Schulpraxis fokussierte Auseinandersetzung mit Educasts als digitales Lehr-Lernmedium sehr positiv aufgenommen. Viele der Studierenden kennen Podcasts sehr gut und konsumieren sie auch regelmäßig. Mit Storytelling, Spannungsbogen und Dramaturgie, Storyboards, Dialogkonzeption und Produktionssetup haben sie hingegen wenig oder gar keine Erfahrung und sind demnach sehr interessiert, Einblicke in die Konzeption sowie den strukturellen und produktionstechnischen Background von Podcasts zu erhalten. Dabei werden die didaktischen Potenziale und Herausforderungen des Mediums und auch der Methode wiederkehrend diskursiv betrachtet und mit fortschreitenden Erfahrungswerten kritisch reflektiert. Es wird fortfolgend spannend zu beobachten sein, ob und wie sich ggf. Einstellungsänderungen bei den Studierenden zu Educasts beobachten lassen. Dazu haben wir im Verlauf der Lehrveranstaltung auch eine quantitative Prä-Post-Studie durchgeführt. Eine genauere Analyse der Ergebnisse steht hier jedoch noch aus.

Was unterscheidet einen Educast von einem gewöhnlichen Podcast? Wie können durch ihn die Themen von Wirtschaft-Arbeit-Technik an Schülerinnen und Schüler vermittelt werden?

VK/JH: Educasts sind wie Podcasts auch Mediendateien (meist im Audio-Format), die jedoch nicht der Unterhaltung oder Information sondern ganz gezielt Lernzwecken dienen. Es sind gewissermaßen Podcasts, die mit der Absicht, Kompetenzerwerb zu ermöglichen, produziert und eingesetzt werden – also Educational Podcasts. Während Podcasts oft 20 bis 30 Minuten oder auch länger sind, werden Educasts (vor allem für Schüler:innen) mit deutlich kürzeren Umfang (fünf bis zehn Minuten) produziert, um Überforderungen bei der auditiven Informationsaufnahme zu verhindern. Zudem zeichnen sich Educasts durch Wiederholungen und akustische Gliederungssignale aus, um das behandelte Thema für die Lernenden zu strukturieren und wichtige Aussagen zusammenzufassen. Mit szenischen Geräuschen und Storytelling-Elementen (Leitfrage, Identifikationsfiguren, Spannungsbogen, Sprecherwechseln etc.) wird in Anlehnung an Erzählstrukturen von Hörspielen versucht, die Aufmerksamkeit der Lernenden aufrecht zu erhalten. Durch dieses erlebende Hören können dann auch eher abstrakte Themen (z.B. fachliche Konstrukte der Volks- und Betriebswirtschaftslehre) lebensweltnah inszeniert und nachvollziehbar für die Schüler:innen erläutert werden. Verbunden mit entsprechenden Fragestellungen und geeigneten Aufgaben können Educasts die Bandbreite an Unterrichtsmedien erweitern und z.B. auch zur Differenzierung von Lernwegen herangezogen werden. Geht man noch einen Schritt weiter, so können Educasts auch von Schüler:innen selbst in Form eines Projekts konzipiert und als Lernprodukte produziert werden. Dann kommen konstruktivistische Lernprozesse zum Tragen, in denen sich fachliche und medienmethodische Kompetenzbildung vereinen.

 

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