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Putin ist ein „Ultra-Napoleon“ – Uta Herbst über die Chancen einer Beendigung des Ukraine-Krieges am Verhandlungstisch

Das Foto zeigt die Verhandlungsforscherin Uta Herbst, die etwas erklärt. Foto: Karla Fritze
Das Foto zeigt die Verhandlungsforscherin Uta Herbst, die etwas erklärt. Foto: Karla Fritze
Foto : Karla Fritze
Verhandlungsforscherin Uta Herbst sagt: Der Ukraine-Krieg könnte am Verhandlungstisch beendet werden aber nur, wenn beide Seiten ernsthaft an einer diplomatischen Lösung interessiert sind.
Foto : Karla Fritze
Verhandlungsforscherin Uta Herbst sagt: Der Ukraine-Krieg könnte am Verhandlungstisch beendet werden aber nur, wenn beide Seiten ernsthaft an einer diplomatischen Lösung interessiert sind.

Als russische Truppen vor rund drei Wochen die Grenze zur Ukraine überquerten, dürfte die russische Führung um Präsident Wladimir Putin von einem schnellen militärischen Sieg ausgegangen sein. Doch die russischen Invasoren trafen vielerorts auf erbitterten Widerstand der ukrainischen Armee – und der Vormarsch geriet ins Stocken. Schon nach wenigen Tagen rief der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland zu Verhandlungen auf. Am 28. Februar, vier Tage nach Beginn des Krieges, trafen sich Vertreter beider Länder zu ersten Verhandlungen. Auch wenn die Kampfhandlungen unvermindert fortgesetzt werden, wird bis heute verhandelt. Je unklarer der militärische Ausgang des Krieges scheint, desto wichtiger wird die Frage: Kann der Konflikt am Verhandlungstisch gelöst und beendet werden? Matthias Zimmermann sprach mit Verhandlungsexpertin Prof. Dr. Uta Herbst. Sie sagt: Dafür müssten zunächst einmal beide Seiten wirklich verhandeln wollen.

Während in der Ukraine vielerorts erbittert gekämpft wird, gibt es intensive Verhandlungen, um Feuerpausen, die Einrichtung von Fluchtkorridoren und – im besten Fall – eine Beendigung des Krieges zu erreichen. Denken Sie, dass sich am Verhandlungstisch eine Lösung finden lässt?

Für ein Ergebnis benötigt man in Verhandlungen erst einmal ein beidseitiges Einigungsinteresse. In einem solchen Fall gibt es sicherlich auch für diese Krisenverhandlung Lösungsoptionen. Aktuell jedoch scheint eine Friedenslösung noch an dem fehlenden Einigungswillen von Putin zu scheitern. Solange dieser nicht besteht, bin ich hier leider sehr skeptisch.

Angesichts der aktuellen dramatischen Entwicklungen fällt etwas unter den Tisch, dass es eine Vorgeschichte gibt. 2014 hat Russland die Krim annektiert, in der Folge brachten prorussische Separatisten Gebiete rund um Donezk und Luhansk unter ihre Kontrolle und erklärten sich für unabhängig. Gab es denn in der Folge Verhandlungen über diese Streitpunkte – und woran sind sie gescheitert?

In der Vorgeschichte, wie Sie diese nennen, war Putin eindeutig in der sogenannten Dominanzposition. Er hat die Ukraine mit dem „Krim-Vorfall“ überrascht, war militärisch eindeutig überlegen und die Ukraine hat es 2014 nicht geschafft, ihre Unterlegenheit durch eine Stärkung über internationale Bündnisse auszugleichen. Der Vorfall wirkte zu „harmlos“. Dies hat sich Russland nun zunutze gemacht und sich – meines Erachtens – stark verkalkuliert, da man dachte, dass die Vorgeschichte so fortgeschrieben werden kann.

Der russische Staatschef Wladimir Putin hat die „Denazifizierung“ und „Entmilitarisierung“ als Ziele seiner Invasion ausgegeben. Außerdem verlangt er immer wieder, die Ukraine solle die Krim als russisch und die sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk als unabhängig anerkennen – also quasi „abschreiben“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wiederum lehnt dies kategorisch ab, verlangt eine sofortige Waffenruhe und einen Rückzug der russischen Truppen. Darüber hinaus solle Russland den Wiederaufbau der Ukraine bezahlen und Putin sich als Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verantworten. Wie sollten die beiden angesichts dieser – gelinde gesagt – sehr weit auseinanderliegenden Positionen überhaupt verhandeln? Was würden Sie ihnen mit auf den Weg geben, damit die Verhandlungen zum Erfolg zu führen?

Bei den Absichten und Zielen von Putin kann man sicherlich nicht von rational nachvollziehbaren Verhandlungsüberlegungen bzw. Gegenständen ausgehen. Hier lohnt sich noch nicht einmal die Mühe, seine Forderungen eingehender zu prüfen. Allerdings, und so schwer einem das fallen mag, muss man auch die Position von Selenskyj kritisch hinterfragen. Warum? Jede Verhandlungsstrategie sollte sich aus dem für die Verhandlung übergeordnet geltenden Ziel ableiten: Und dies ist ohne Zweifel für die Ukraine ein Frieden, die Beibehaltung und Absicherung der Unabhängigkeit und natürlich das Beenden des Leids. Die Forderungen von Selenksyj gehen darüber – verständlicherweise – weit hinaus, stoßen jedoch bei Putin auf einen „Ultra-Napoleon“ als Verhandlungstyp, der – aus seiner Sicht überzogenen – Ansprüchen nie stattgeben kann, da er es als Angriff auf seine eigene Persönlichkeit sieht. Und je stärker die Forderungen der Ukraine werden, desto mehr verbeißt sich ein Napoleon in seine eigene Position.

Es ist auffällig, dass es beileibe nicht nur zwei Verhandlungsparteien – also etwa die Ukraine und Russland – gibt, sondern sich sehr viele Akteure um Gespräche mit Moskau bemühen. Mal telefonieren Macron und Scholz mit Putin, dann fliegt der israelische Premier Bennett nach Moskau und nicht zuletzt treffen sich russische und ukrainische Verhandlungsteams in Weißrussland: Warum macht man das? Kann das ernsthaft etwas bringen oder sorgt das eher für Chaos?

Diese Gespräche auf öffentlicher Ebene sind wichtig, da sie als Machthebel für die Ukraine dienen und Einigkeit im Kampf gegen Russland demonstrieren. Hilfe, im Sinne eines inhaltlichen Vorankommens, darf man hiervon allerdings nicht allzu sehr erwarten. Die Stränge werden bei internationalen Konfliktverhandlungen vielmehr auf der sogenannten Shadow-Negotiations-Ebene geführt. Dies ist auch wichtig, da Verhandlungen auf der öffentlichen Ebene nie Vertrauensaufbau (wenn man davon bei Russland überhaupt sprechen kann) und offenen Informationsaustausch fördern.

Am 13. März waren erstmals und gleichzeitig aus dem ukrainischen und russischen Lager zuversichtliche Töne zu hören: Man nähere sich an. Was bringt es, auf diesem Wege „hinter die Kulissen“ einer Verhandlung blicken zu lassen?

Wenig, wie wir heute aus der Presse erkennen. „Shadow Negotiations“ sollten im Schatten bleiben. Nur dann kann die oben angesprochene Dialogplattform bestehen.

Vielen Dank!

 

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Online-Redaktion

Matthias Zimmermann
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