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Laufende Promotionen

Teresa Löckmann

Menstruationsaktivismus in Deutschland - eine organisationssoziologische Analyse (Promotion im Rahmen des Projekts Organisation und Recht)

Am 01. Januar 2020 verabschiedete der Bundestag ein neues Gesetz, mit dem die Umsatzsteuer von Menstruationsprodukten von 19 auf 7 Prozent gesenkt wurde. Vorangegangen ist dieser Gesetzesänderung eine öffentliche Debatte über zwei Jahre, in der einzelne und kollektive Vertreter:innen unterschiedlichster Interessen gegen die fiskalische Diskriminierung Menstruierender im Steuerrecht protestierten. Spätestens seit dieser Gesetzesänderung ist die Menstruation und deren gesellschaftliche Bedeutung in Deutschland in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen.

Um die Menstruation ist ein Feld aktivistischer Initiativen, Pilotprojekte, Kampagnen und Organisationen entstanden. Themen wie Menstruationsgesundheit haben auf den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Ebenen einen regelrechten Boom erlebt. Entsprechende Märkte, besonders Hersteller von Periodenartikeln aber auch Anbieter spezifischer Dienstleistungen profitieren davon. Menstruation ist nicht nur ein Feld ehrenamtlicher Aufklärung, sondern hat neue Berufs- und Arbeitsfelder entstehen lassen.

In der Dissertation wird der Menstruationsaktivismus als ein organisationsförmigessoziales Phänomen verstanden. Mit empirischen Daten werden dabei verschiedene Formen der Organisierung menstruationsaktivistischer Interessen entdeckt, analysiert und systematisiert. Ziel der Arbeit ist es zu zeigen, wie und durch welche Konstellationen der Organisierung soziale Bewegungen nicht nur strukturiert sind, sondern ein gewisser Grad an Organisiertheit Voraussetzung für ihre Entstehung ist. Unter diesem Aspekt werden klassischen Gegenüberstellungen von Organisationen und Bewegungen als soziale Systeme aufgehoben und ein detaillierter Blick auf das Phänomen der Organisierung sozialer Bewegungen geworfen.

Mit Hilfe qualitativer Interviews mit Menstruationsaktivist:innen, unterstützt durch Auswertung umfangreicher Daten (Dokumentenanalyse), wird in einem theoretisch-empirischen Prozess ein Beobachtungsinstrumentarium von Organisationsförmigkeit entwickelt. Teresa Löckmann zeigt in ihrer feldtheoretischen Analyse, wie in Deutschland aus zunächst vereinzelten Aktivitäten zur Menstruation soziale (Teil-)Bewegungen, organisationsähnliche Konstellationen bis hin zu spezifischen Organisationen entstehen, die sich nach und nach zu einem eigenen, die soziale Bewegung konstituierendem Handlungsfeld entwickeln. Den theoretischen Ausgangspunkt bildet das Luhmannsche Verständnis von Organisationen als Systeme vernetzter Entscheidungen. Ergänzt wird dieser Ansatz um theoretische Konzepte aus dem überwiegend englischsprachigen Raum, etwa „partial organization“ (Ahrne/Brunsson) oder „organizationality“ (Dobusch/Schoeneborn). Diese Verknüpfung unterschiedlicher wissenschaftlicher Perspektiven erlaubt es, Organisationen und andere ‚unkonventionellere‘ Formen der Organisierung zu identifizieren, voneinander abzugrenzen und in ihren Spezifika zu systematisieren.

Auf der Grundlage dieser tiefgreifenden Analyse organisationsförmigen Handelns in sozialen Bewegungen gewährt die Studie darüber hinaus einen gut belegten Einblick in die jüngste Geschichte der Enttabuisierung der Menstruation als Teil der Frauenbewegung.

 

Pauline Boos

Reform und Politik. Zum Scheitern postbürokratischer Reformen in Ministerien (Promotion im Rahmen des Projekts Organisationale Implikationen der Digitalisierung - Voraussichtlicher Abschluss: Juli 2024)

Welche Mechanismen führen zum Scheitern postbürokratischer Reformen in Ministerien? Dieser Frage geht die monografische Dissertation von Pauline Boos anhand einer qualitativen Fallstudie nach.
Gerade im Zuge der digitalen Transformation wird auch der Ministerialbürokratie die Forderung gestellt, agiler zu werden, um die erhöhte gesellschaftliche Komplexität verarbeiten zu können und besser und schneller Entscheidungen treffen zu können. Gleichzeitig ist die Diagnose einer Resistenz der Verwaltung gegenüber organisatorischen Veränderungen in Politik, Fachöffentlichkeit und Wissenschaft persistent. Diese Beobachtungen nimmt Pauline Boos zum Anlass, ebendiese Veränderungsresistenz zu untersuchen. Dazu nutzt sie eine machttheoretische Perspektive, die auf mikropolitische Spiele in der Organisation zentriert, an wichtigen Stellen aber um neo-institutionalistische und nicht zuletzt systemtheoretische Bezüge erweitert wird.
Die in der Dissertation durchgeführte Fallstudie, die auf Basis von ca. 30 qualitativen Interviews den Fall zweier innovativer Einheiten in einem Ministerium als (gescheiterte) Reform nachvollzieht, ist Grundlage der Herausarbeitung dreier Mechanismen, die im Zusammenspiel zum Scheitern der Reformen führten. Die Arbeit beantwortet nicht nur wichtige Fragen im Hinblick auf konkrete Veränderungsvorhaben in Ministerien, darüber hinaus diskutiert sie grundlegend das Verhältnis von Politik und Verwaltung und dessen organisationale Implikationen für die Organisation „Ministerium“. Pauline Boos erarbeitet in ihrer Dissertation nicht nur theoriegeleitet Thesen zum Scheitern von postbürokratischen Reformen im Ministerium, sondern auch Handlungsempfehlungen für die Praxis.

 

Annika Koch

Religiöse Normen und Feste in Schulen – Eine dokumentarische Erforschung informaler Organisationsregeln (Arbeitstitel)

In Deutschland bestehen entsprechend dem Grundgesetz Religionsfreiheit und Diskriminierungsverbot. Gleichzeitig orientieren sich schulische Organisationsstrukturen oft am säkularisierten Christentum, z.B. an christlichen Feiertagen. Unter diesem Hintergrund können beim Umgang mit religiösen Normen und Festen in multireligiösen Schulen Herausforderungen und Widersprüche entstehen. Beispielsweise können sich Konflikte ergeben, wenn Elternsprechtage auf hohe Feiertage religiöser Minderheiten gelegt werden, Lehrer:innen sich beklagen, dass Schüler:innen im Ramadan weniger leistungsfähig seien oder nicht wissen, wie sie gut mit den Schüler:innen über religiöse Normen sprechen können. Annika Kochs Dissertationsprojekt handelt von solchen alltäglichen Widersprüchen und Herausforderungen.

Häufig gibt es vonseiten der Schulaufsichten kaum formale Vorgaben zum Umgang mit religiösen Normen und Festen. Grade wo es keine formalen Regelungen gibt, etablieren sich in Organisationen aber informale Regeln und Schulkulturen, die nicht bewusst reflektiert werden.

In ihrer Dissertation möchte Annika Koch diese informalen Regeln anhand von Interviews mit Lehrer:innen, Schulsozialarbeiter:innen und Schüler:innen rekonstruieren. Dabei nutzt sie die dokumentarische Methode, um das implizite Wissen der Befragten explizit und damit zugänglich für die Reflexion zu machen.

 

Marcel Ehrenreich

Kommunikationsbarrieren im polizeilichen Ermittlungsverfahren – Eine organisationssoziologische Betrachtung

In der Promotion werden Kommunikationsbarrieren innerhalb der Polizeiorganisation thematisiert. Im Speziellen interessiert Marcel Ehrenreich organisational bedingte Informationsverluste im polizeilichen Ermittlungsverfahren. Diese vermutet er aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche für einerseits die Spurensuche am Tatort und andererseits für die sich darauf aufbauenden Ermittlungen. Ihn interessiert, ob und warum relevante Informationen vom Tatort (Spuren) keinen Eingang in die späteren Ermittlungen finden. Theoretisch nutzt Ehrenreich dazu Ansätze aus dem Bereich des organizational sensemaking und die Perspektive des alltäglichen Umgangs mit Formalität und Informalitätin bürokratischen Organisationen.

Seine Daten erhebt er mit teilnarrativen Interviews, die er im Anschluss sowohl inhaltlich als auch sequenzanalytisch auswerten wird. Für letzteres nutzt Ehrenreich die Methodik der objektiven Hermeneutik. Die Interviews führt er mit PolizistInnen aus den unterschiedlichen Organisationsbereichen der Schutz- und Kriminalpolizei.