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Die Amerikanischen Reisetagebücher

Alexander von Humboldts Lebensprojekt

Foto von Ottmar Ette mit Faksimile einer Tagebuchseite
Prof. Dr. Ottmar Ette, Projektleitung

„In den Amerikanischen Reisetagebüchern kann man die Herausbildung der Moderne im wissenschaftsgeschichtlichen Bereich erkennen. Alexander von Humboldt hat von einer „glücklichen Revolution“ gesprochen. Und das kann man sowohl auf naturwissenschaftlichem Gebiet – die Tagebücher halten etwa Feldforschung im modernen Sinne fest – als auch im Hinblick auf die Kulturwissenschaften nachvollziehen. Bei der Untersuchung von indigenen Kulturen vor Ort werden beispielsweise ganz neue Maßstäbe gesetzt. “

Die Reisetagebücher Alexander von Humboldts stellen fraglos das wissenschaftsgeschichtlich wichtigste und bedeutendste sowie das reiseliterarisch ebenso im nationalen wie im internationalen Maßstab herausragende und (politisch wie gesellschaftlich) wirkungsvollste Monument des ausgehenden 18. und des gesamten 19. Jahrhunderts in Deutschland dar.

Sie beziehen sich auf die gemeinsam mit dem Franzosen Aimé Bonpland zwischen 1799 und 1804 unternommene fünfjährige Reise durch die amerikanischen Tropen. Der vollständige Inhalt der Tagebücher war bisher der Öffentlichkeit nicht bekannt und insbesondere der Forschung in ihrer multiplen Materialität nicht zugänglich.

Den Erhaltungszustand der Reisetagebücher kann angesichts ihrer Wegstrecken und Verbringungen insgesamt als atemberaubend gut bezeichnet werden: Es handelt sich um höchst aussagekräftige und zugleich spektakuläre Materialien, die allesamt den Charakter beeindruckender Ausstellungsstücke besitzen und von höchstem Wert für die Forschung sind.

Die Humboldt'sche Wissenschaft konstituiert sich in diesem Artefakt erstmals als Wissenschaft vom Leben: in dessen lokaler wie globaler, in dessen natur- wie kulturbezogener Dimension. Das infolgedessen ebenso natur- wie kulturwissenschaftlich breit angelegte Spektrum der sich ausdifferenzierenden Wissenschaftsdisziplinen reicht von der Astronomie und Anthropologie über Botanik und Bodenkunde, Geographie und Geschichte, Geologie und Geophysik, über Klimatologie und Kartographie, Kulturanthropologie und Klimafolgenforschung, über Pflanzengeographie und Philologie, Philosophie und Physik, über Seismologie und Sprachwissenschaft bis hin zu Zoologie und Zeitgeschichte.

Die Reisetagebücher markieren auf einer ebenso naturwissenschaftlichen wie kulturwissenschaftlichen Ebene den entscheidenden Paradigmenwechsel hin zu einer Verzeitlichung und Historisierung allen Wissens im Kontext der sich konstituierenden europäischen Moderne.

Humboldt wird hier zum Vordenker einer im Zeichen eines offenen Humanismus stehenden globalen Moderne. Seine Reisetagebücher zeichnen die Umwälzungen und Veränderungen seiner Zeit mit seismographischer Präzision auf, stecken künftige Wege sich entfaltender Disziplinen wie etwa der Altamerikanistik oder der Pflanzengeographie prospektiv ab.

Vor diesem Hintergrund sind die Reisetagebücher Alexander von Humboldts in ihrer Gesamtheit ein ebenso wissenschaftliches wie literarisches, wissenschaftsgeschichtlich wie literarästhetisch bedeutsames Monument und begründen sein weltweites und noch heute weiter zunehmendes Renommee als Wissenschaftler, Weltbürger und Vordenker für das 21. Jahrhundert.

 

Digitalisierung und Kontextualisierung

Die Amerikanischen Reisetagebüchern, der Humboldt-Nachlass und die Humboldtiana Sammlungen als Digitalisate in Kalliope und den Digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlin-PK