Gefahren durch Hangrutschungen steigen
Geoforscher aus Potsdam und Bozen fordern Anpassung von Strategien zum Schutz vor den Auswirkungen von Massenbewegungen in den Alpen
Mit der Auswertung historischer und rezent aufgenommener Luftbilder der italienischen Ostalpen hat die Potsdamer Geologin Sara Savi das Auftreten von Hangrutschungen und Gesteinslawinen analysiert. Dabei hat Sie, gemeinsam mit dem Potsdamer Geologie-Prof. Manfred Strecker und dem renommierten Hydrologen Francesco Comiti von der Freien Universität Bozen-Bolzano in Italien, Luftaufnahmen aus sechs Jahrzehnten miteinander verglichen. Um Hangänderungen in der Gebirgslandschaft, wie sie in den Aufnahmen zu erkennen waren, zu erklären, haben Savi und ihre Kollegen Klimadaten der Region hinzugezogen. Hierzu wurden Aufzeichnungen von Temperatur und Niederschlag benötigt, die das Team aufgrund des langen Beobachtungszeitraums aus unterschiedlichen Quellen zusammentragen musste. Mit Hilfe dieser Information wurden über aufwendige Modellrechnungen Aussagen zum Einfluss der Temperaturverteilung im Boden auf die Bildung von Frost-Brüchen im Gestein sowie auf das Auftauen des Dauerfrostbodens in den Hochgebieten der Alpen ermöglicht. So können Annahmen über die Stabilität des Bodens und des Festgesteins in großen Höhen getroffen werden, welche wiederum eine Kartierung der Regionen ermöglichen, die für die Entstehung von Hangrutschungen und Bergstürzen besonders empfänglich sind. Über einen Zeitraum von 1980 bis 2020 lässt sich für verschiedene Messstationen vor allem in größeren Höhenlagen ein klarer Trend zu höheren Temperaturen feststellen, der mit einer regionalen Zunahme der Anzahl von Hangbewegungen einhergeht.
Durch die gemeinsame Analyse der Klimaparameter und der Hangstabilität konnten Savi und ihre Kollegen zeigen, dass ein direkter Zusammenhang zwischen diesen scheinbar unabhängigen Parametern besteht. Sie konnten so eine seit längerem diskutierte These bestätigen, nach der der globale Temperaturanstieg direkt mit der wachsenden Instabilität von Hangregionen in Gebirgen zusammenhängt, ein Phänomen, das außerdem durch eine gleichzeitige Erhöhung von Niederschlägen im Hochgebirge zu bedeutenden Massenverlagerungen beitragen kann. Temperaturanstieg und eine Verlagerung von Niederschlagsereignissen in höhere Gebirgslagen löst dabei noch weitere, durchaus gefährliche und sog. kaskadierende Prozesse aus, wie zum Beispiel das gehäufte Auftreten großer Murgänge. Hierbei wird der bereitgestellte Verwitterungsschutt bei extremen Niederschlagsereignissen in Form gefährlicher Schlammlawinen in die angrenzenden Gebirgstäler transportiert.
Savi und ihre Kollegen haben damit einen klaren Zusammenhang zwischen dem Niederschlagssystem der Region und dem erhöhten Hangrutsch-Risiko durch die Erwärmung und das damit verbundene Auftauen der Dauerfrostböden aufgezeigt. Savi, Strecker und Comiti zeigten, dass sich die Gefahrenzone für solche Hangrutschungen um bis zu 300 Höhenmeter verlagert hat und somit große Areale der Hochregionen in den Ostalpen von Bozen einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sind. Die Forscher*innen schlagen daher vor, dass entsprechende Gefährdungskarten und Strategien zur Risikominimierung der derzeitigen und in Zukunft zu erwartenden Gefahren im Zuge vermehrt auftretender Hangrutschungen angepasst werden.
Publikation:
Pronounced increase in slope instability linked to global warming: a case study from the Eastern European Alps. Sara Savi, Francesco Comiti, Manfred R. Strecker. 2021. Earth Surface Processes and Landforms. Wiley. https://doi.org/10.1002/esp.5100