Bildungshistorisch Interessierte haben einen weiteren Grund, ins brandenburgische Reckahn aufzubrechen. Im Schulmuseum des Ortes gibt es eine neue Dauerausstellung. Feierliche Eröffnung ist am 12. März 2017 um 14:30 Uhr. Die Schau, die anlässlich des 25-jährigen Bestehens der in Trägerschaft des Landkreises Potsdam-Mittelmark befindlichen Einrichtung entstand, zeigt, mit welchen bahnbrechenden Reformen das 1773 an dieser Stelle erbaute Schulhaus verbunden war. Die Idee und wissenschaftliche Konzeption zur Exposition stammen von apl. Prof. Dr. Frank Tosch aus dem Department Erziehungswissenschaft der Universität Potsdam und Dr. Silke Siebrecht-Grabig (Reckahner Museen). Für die Alma Mater stellt diese Kooperation ein weiteres Beispiel gelungenen Wissens- und Kulturtransfers dar. Die Hochschule setzt sich seit Jahren verstärkt dafür ein, ihr vorhandenes Know how in die Gesellschaft zu übertragen. Davon zeugt die wachsende Anzahl ihrer regionalen und überregionalen Partner, zu denen das Museumsensemble in Reckahn bereits seit Anfang der 1990er Jahre gehört.
Die neue Exposition rückt die Rolle der Reckahner Schule als ehemalige königliche Landgnadenschule und das Wirken des Lehrers Heinrich Julius Bruns bei der Arbeit mit dem „Kinderfreund“, dem von Schulgründer Friedrich Eberhard von Rochow geschaffenen ersten deutschen Volksschullesebuch, in den Mittelpunkt. Anhand der reichen Lehrmittelsammlung des Schulmuseums wird zugleich der lange Weg von der Naturgeschichte in ein heute ausdifferenziertes Fächerangebot von Sachkunde und Naturwissenschaften thematisiert. Im Obergeschoss des Schulmuseums wird außerdem die Projektwerkstatt „Regionale Schulgeschichte“ eröffnet und quellenorientiert an den Wandel der Institution Schule sowie der professionellen Herausforderungen von Lehrenden und erziehungswissenschaftlich Forschenden vom 18. bis 21. Jahrhundert erinnert. Das museale und museumspädagogische Projekt eröffnet aus bildungs- und kulturhistorischer Perspektive die Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen von Schulreform, Unterrichtsentwicklung sowie Lehrerbildung.
In Reckahn nahe Brandenburg/Havel existiert seit 1992 das einzige Schulmuseum im Land Brandenburg. Dieses Museum und das benachbarte, 2001 gegründete Rochow-Museum haben inzwischen 160.000 Interessierte kennengelernt. Das heutige bildungs- und kulturgeschichtliche Ensemble geht auf die märkische Adelsfamilie von Rochow mit Schloss (1729/30), Gutspark, Barockkirche (1741) und Schulhaus (1773/74) zurück. Nach Übernahme der Gutsherrschaft durch Friedrich Eberhard (1734-1805) und Christiane Louise (1734-1808) von Rochow im Jahre 1760 wurde eine bahnbrechende Landschulreform konzipiert und verwirklicht. Das Ehepaar Rochow ließ auf eigene Kosten in Reckahn 1773 ein Schulhaus errichten. Lehrer Heinrich Julius Bruns (1746-1794) erteilte hier einen reformorientierten, philanthropisch geprägten Unterricht, der bewirkte, dass alle Bauernmädchen und -jungen der Gutsherrschaft erfolgreich die grundlegenden Kulturtechniken erlernten. Die zweiklassige Schule wurde zum „Muster aller Landschulen“ und war modellbildend für die preußische Volksschulentwicklung im 19. Jahrhundert. Bis zum Tode von Rochows (1805) hatten über 1100 Besucher, auch aus Teilen Europas, in der Reckahner Musterschule hospitiert. Von hier aus begann die flächendeckende Alphabetisierung der ländlichen Bevölkerung. Rochows „Kinderfreund“ wurde bis etwa 1870 in über einer Million Exemplaren gedruckt. Das Lesebuch hat maßgeblich die preußische Volksschulentwicklung für ein Jahrhundert beeinflusst und zugleich die neue Gattung Schulbuch geprägt.
Zeit: 12.3.2017, 14:30 (Eröffnungsveranstaltung);
Ort: Rochow-Museum Reckahn, Reckahner Dorfstr. 37, 14797 Kloster Lehnin/OT Reckahn (Eröffnungsveranstaltung) sowie Schulmuseum Reckahn, Reckahner Dorfstraße 23, 14797 Kloster Lehnin/OT Reckahn (Besichtigung der Schau)
Kontakt: apl. Prof. Dr. Frank Tosch, Department Erziehungswissenschaft
Telefon: 0331 977-2565
E-Mail: toschuuni-potsdampde
Foto: Schulmuseum Reckahn&Hscu, Brandenburg a.d.H.
Medieninformation 09-03-2017 / Nr. 031
Petra Görlich
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