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Lehrkräfte stärker für Mobbing sensibilisieren –bildungswissenschaftliche Studie liegt vor

Lehrkräfte sind über Mobbingfälle in ihren Klassen nur unzureichend informiert und können die beteiligten Schüler nicht zuverlässig identifizieren. Wenn Sie jedoch von solchen Vorfällen erfahren und für Mobbing sensibilisiert sind, greift die Mehrzahl der Lehrkräfte ein und versucht die Gewalt zu beenden. Entgegen der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit ist das Ausmaß der Gewalt an deutschen Schulen in den letzten zwei Jahrzehnten zurückgegangen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie, die in Kooperation zwischen der Universität Potsdam und der Hochschule Magdeburg-Stendal durchgeführt wurde.

Der Potsdamer Bildungsforscher Prof. Dr. Wilfried Schubarth und der Magdeburger Psychologe Dr. Ludwig Bilz haben hierfür mit ihren Teams über 2.000 Schüler und 550 Lehrkräfte in Sachsen befragt und legen jetzt erste Ergebnisse vor. Im Zentrum stand die Frage, wie Lehrkräfte in Mobbing-Situationen konkret reagieren, welche Auswirkungen ihr Handeln hat und wie ihre Interventionskompetenz gestärkt werden kann. Das Forschungsprojekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zwei Jahre gefördert.

Im Einzelnen zeigen die Ergebnisse, dass Lehrkräfte vor allem dann intervenieren, wenn ihr Verständnis von Gewalt breit ist, sie also z. B. auch soziale Ausgrenzung und Hänseleien als solche ansehen. Lehrkräfte, deren Gewaltverständnis enger ist und sich z. B. auf körperliche Gewalt beschränkt, nehmen andere Formen seltener wahr und greifen auch seltener bei Mobbing ein. Die Daten zeigen, dass dies auch Spuren bei den Schülern hinterlässt: In den Klassen von Lehrkräften mit einem breiten Gewaltverständnis gibt es deutlich mehr Mädchen und Jungen, die bei einer Mobbing-Situation intervenieren würden.

Fragt man Lehrkräfte konkret, welche Schüler in ihren Klassen Täter oder Opfer sind, fällt ihnen die Identifikation der Beteiligten schwer – und zwar für beide Gruppen gleichermaßen. Dass es ihnen aber bei den besonders leistungsstarken und den besonders leistungsschwachen Schülern besser gelingt, zeigt, dass die Lehrkräfte möglicherweise zu sehr mit der „Leistungsbrille“ auf ihre Schüler blicken.

Da in dieser Studie zum Teil die gleichen Erhebungsinstrumente und Stichprobendesigns eingesetzt wurden wie bei einer Studie aus dem Jahr 1996, sind repräsentative Aussagen über die Entwicklung von Gewalt an Schulen möglich. Entgegen der verbreiteten Annahme einer ständigen Gewaltzunahme an Schulen zeigt sich, dass im Jahr 2014 im Vergleich zu 1996 die Schüler und Schülerinnen über weniger Gewalt an Schulen berichten. Dies betrifft sowohl die Gewalt unter Schülern als auch von Schülern gegen Lehrkräfte. Erfreulicherweise hat in dieser Zeitspanne auch die Interventionsbereitschaft der Lehrer und Schüler zugenommen. Im Unterschied zum abnehmenden Trend bei der körperlichen Gewalt deuten einige Befunde jedoch darauf hin, dass psychische Gewaltphänomene eher zugenommen haben und weiterhin Handlungsbedarf besteht.

Aus den Untersuchungsergebnissen lassen sich Folgerungen für die Lehrerbildung ableiten. So ist Lehrkräften zu empfehlen, nicht nur körperliche, sondern auch psychische Gewalt verstärkt in den Blick zu nehmen. Außerdem sollten Schüler und Schülerinnen in ihrer Gesamtpersönlichkeit und nicht nur als „Leistungsträger“ gesehen werden, was die Wahrnehmung für deren Sozialverhalten schärft. Schließlich ist Schulen anzuraten, an einem gemeinsamen Verständnis von Gewalt zu arbeiten, was als Grundlage für eine abgestimmte Strategie gegen Gewalt und Mobbing dienen kann.

Detaillierte Ergebnisse werden demnächst in Fachzeitschriften veröffentlicht:

Niproschke, S., Oertel, L., Schubarth, W., Ulbricht, J. & Bilz, L. Mehr oder weniger Gewalt an Schulen? Eine Replikationsstudie 1996 - 2014 an sächsischen Schulen. Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, H. 1/2016.

Bilz, L., Steger, J., Fischer, S. M., Schubarth, W. & Kunze, U. (in Druck). Ist das schon Gewalt? Zur Bedeutung des Gewaltverständnisses von Lehrkräften für ihren Umgang mit Mobbing und für das Handeln von Schülerinnen und Schülern. Zeitschrift für Pädagogik.

Bilz, L., Steger, J. & Fischer, S. M. (in Druck). Die Genauigkeit des Lehrerurteils bei der Identifikation von an Mobbing beteiligten Schülerinnen und Schülern. Psychologie in Erziehung und Unterricht.

Seidel, A., Schubarth, W., Dudziak, I. & List, I.: Erfolgreich intervenieren bei Gewalt und Mobbing. Eine Interventionsstrategie in zehn Schritten. In: PÄDAGOGIK 9/2015.

Kontakt: Prof. Dr. Wilfried Schubarth, Bildungswissenschaften
Tel: 0331 977-2176, -2157
E-Mail: wilfried.schubarthuni-potsdamde 

Medieninformation 22-01-2016 / Nr. 010
Antje Horn-Conrad

Universität Potsdam
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Online gestellt: Edda Sattler
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